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Veruschka Wagner: Neuere Forschungen zur Sklaverei und zu anderen Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit VI: Das Osmanische Reich. Einführung, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 6 [15.06.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
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Neuere Forschungen zur Sklaverei und zu anderen Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit VI: Das Osmanische Reich

Einführung

Von Veruschka Wagner

Die Institution der Sklaverei war bis ins 20. Jahrhundert hinein ein integraler Bestandteil der osmanischen Gesellschaft und das in all ihren Bereichen, sie war gesetzlich anerkannt und reguliert. Kennzeichnend für die osmanische Sklaverei war ihr "offenes System", dessen Beschaffenheit ehemaligen Versklavten einen sozialen Aufstieg ermöglichen konnte. Ebenso geprägt war die osmanische Sklaverei durch ihre Vielfältigkeit, unterschieden sich die Versklavten doch stark in Herkunft, Aufgaben, Form und Dauer der Versklavung, Beziehung zum Versklavenden, Art der Freilassung und späterer Werdegang. Ein weiteres Merkmal war die Freilassung, die durchaus gängig war und von der es verschiedene Formen gab. Der Sklavenhandel im Osmanischen Reich baute auf bereits etablierten Netzwerken auf und verband umliegende aber auch entferntere Regionen. Istanbul nahm dabei eine bedeutende Rolle ein, da dort verschiedene Handelsrouten zusammenliefen und sich der größte Sklavenmarkt in der Region befand. Für manche bedeutete die Stadt eine Transitstelle zu noch weiter entlegenen Orten, während sie für andere das Endziel ihrer unfreiwilligen Reise und das Tor in ein neues Leben darstellte.

Bei der Forschung zur Sklaverei im Kontext des Osmanischen Reiches ist wie bei Studien zur Sklaverei generell in den letzten Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen. Die Mitglieder der im Umfeld des Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) gegründeten Arbeitsgruppe "Ottoman Slavery", die sich in ihren gegenwärtigen Forschungsprojekten mit unterschiedlichen Facetten der Abhängigkeit befassen, haben sich zehn dieser auf Türkisch oder Englisch verfassten Publikationen zur Hand genommen. All diese Studien haben einen Bezug zum Osmanischen Reich und thematisieren unterschiedliche Formen der Unfreiheit. Dabei konzentrieren sie sich auf verschiedene Aspekte wie etwa die Angehörigen des Harems und deren Verhältnis zu den Bewohnern des Sultanspalasts, Palastsklavinnen, die in verschiedenen Künsten ausgebildet wurden, sowie das Leben von freigelassenen Palastsklavinnen. Weitere Themen sind Kinderarbeit, das Ende der Sklaverei im Osmanischen Reich, Sklaven und Kriegsgefangene zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, das Leben eines einzelnen Sklaven und dessen Erbe im transnationalen Kontext, verschiedene Formen der Gefangenschaft, Handlungsspielräume von Sklaven, sowie Sklaverei und Sklavenhandel im Schwarzmeerraum.

Die hier besprochenen Arbeiten veranschaulichen nicht nur allein für sich, sondern auch in ihrer Gegenüberstellung, welch vielfältigen Ausprägungen von Unfreiheit es zu diskutieren und erörtern gibt und wie unterschiedlich die beteiligten Akteure waren. Zudem zeigt es, dass die Beschäftigung mit Sklavereien im Osmanischen Reich und seinem Umfeld auf der Grundlage diverser Quellen in den unterschiedlichsten Sprachen aufbaut und sich sowohl in ihrer Forschung weitfortgeschrittene Wissenschaftler/innen als auch noch am Anfang ihrer Karriere stehende Akademiker/innen diesem Thema zugeneigt fühlen. Die hier besprochenen Studien umfassen Einzelwerke als auch Sammlungen, die sich auf einzelne Individuen, Personengruppen, Netzwerke, Institutionen, bestimmte Orte oder über weite Regionen hinaus mit dem Phänomen der Unfreiheit befassen. Dabei vermitteln sie den Lesern einen Einblick in die Vielfältigkeit dieses bedeutenden Phänomens der Unfreiheit. Die Besprechungen veranschaulichen, was sich in den letzten Jahren im Kontext der osmanischen Sklaverei getan hat und eröffnen gleichzeitig Einsicht in die noch ausstehenden Möglichkeiten.

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