Geschenktipps zu Weihnachten

Klaus Ziemer, Warschau



Andreas Lawaty / Hubert Orlowski (Hg.): Deutsche und Polen. Geschichte. Kultur. Politik. Deutsches Polen-Institut im Auftrag der Robert Bosch Stiftung, München: C. H. Beck 2003.

Deutsche und Polen sind Nachbarn seit Jahrhunderten, wissen aber sehr wenig voneinander. Dies gilt insbesondere für die Deutschen. Der von den beiden Herausgebern exzellent konzipierte Band mit über 60 Beiträgen deutscher und polnischer Autoren beleuchtet in vergleichender Perspektive Fragestellungen, die auf hohem Niveau, aber verständlich geschrieben, Einsichten in historische Tiefendimensionen, Konfliktmuster und Bewussteinslagen beider Gesellschaften vermitteln. Fünf Kapitel vermitteln einerseits Faktografisches, präsentieren andererseits aber auch die jeder der beiden Gesellschaften eigenen "Räume des Nicht-Übersetzbaren", die die in der jeweiligen Mentalität, politischen Kultur, spezifischen Erfahrung liegenden Unterschiede ausmachen. Sie bieten so Gelegenheit zu einer vertieften Reflexion über den Nachbarn, über dessen mentale Dispositionen und Wahrnehmungsmuster. Wer die deutsch-polnischen Beziehungen in ihren langfristig angelegten Strukturen, ihren historischen und in den Mentalitäten beider Gesellschaften angelegten Voraussetzungen verstehen will, für den ist dieser Band Pflichtlektüre.


Gregor Thum: Die fremde Stadt. Breslau 1945, Berlin: Siedler 2003.

Kaum eine andere Stadt des heutigen Polen, die vor 1945 in Deutschland lag, hat seit den neunziger Jahren derart ihr Verhältnis zur "deutschen" Vergangenheit geändert wie Breslau/Wrocław. Gregor Thum legt in seiner materialreichen Studie dar, wie aus der deutschen Stadt Breslau das polnische Wrocław wurde. Geradezu vorbildhaft geht er dabei multidisziplinär vor, schildert die von der eigenen verbrecherischen Führung wesentlich zu verantwortende schwere Zerstörung der im Februar 1945 noch weitgehend intakten Stadt, die Eroberung durch die Rote Armee und ihre Inbesitznahme durch Polen. Dies bezieht sich zum Einen physisch auf den Austausch der Bevölkerung (besonders interessant: die Phase deutsch-polnischen Zusammenlebens in der Stadt und die Probleme der aus Ostgalizien vertriebenen Polen, in Breslau heimisch zu werden), dann auf das Problem, die Stadt in den ersten Nachkriegsjahren auch administrativ und nicht zuletzt polizeilich unter Kontrolle zu bringen, sowie schließlich auf die symbolische Ebene. Thum zeigt die geschichtspolitischen Motive für den Umgang der Polen mit der deutschen Vergangenheit (d.h. diese nach Möglichkeit in den verschiedensten Bereichen zu tilgen). Er weist im Schlusskapitel aber auch auf das recht erfolgreiche Bemühen der heutigen Breslauer hin, unter den neuen Bedingungen seit 1989 die Vergangenheit in die Gegenwart zu integrieren und gerade dadurch eine neue Identität zu finden. Insgesamt ist dies eine auf dem state of the art geschriebene historiographische Arbeit, die auch für ein breiteres Publikum spannend zu lesen ist und Probleme aufzeigt, die im deutsch-polnischen Verhältnis beim Umgang mit den früher deutschen, nach 1945 polnisch gewordenen Gebieten bestanden und zum Teil bestehen.


Marion Brandt: Für eure und unsere Freiheit? Der Polnische Oktober und die Solidarność-Revolution in der Wahrnehmung von Schriftstellern aus der DDR, Berlin: Weidler 2002.

Zu den am Wenigsten bekannten Seiten der deutsch-polnischen Beziehungen zählen die Beziehungen zwischen der DDR und Polen. Gleichwohl besitzen sie eine bis heute nachwirkende Bedeutung. Marion Brandt wählt als ihren Zugang zu diesem Fragenkomplex das Milieu der DDR-Schriftsteller und deren Wahrnehmung der polnischen Wirklichkeit in zwei historischen Schlüsselsituationen, dem "Polnischen Oktober" 1956 sowie der Entstehung und der Tätigkeit der "Solidarność" 1980/81. Auf den Zeiträumen 1956/57 und 1980/81 liegt dementsprechend der Schwerpunkt der Untersuchung. Dabei geht es zum Einen um die aufregenden politischen Ereignisse dieser Jahre (und für die achtziger Jahre auch um die Jahre danach, insbesondere auch in den DDR-polnischen Beziehungen). Zum andern wird mit den Schriftstellern ein Milieu analysiert, das bisher wenig untersucht wurde und zu dem nicht nur im Verhältnis DDR-Polen, sondern auch unter Einbeziehung des bundesdeutschen Schriftstellerverbandes hoch interessante Informationen mitgeteilt werden. Zu den scheinbar am Rande liegenden Problemfeldern, die in anderen Arbeiten kaum thematisiert werden, zählen die in der DDR gängigen Stereotype bezüglich Polen, bei denen zu den in Deutschland allgemein geläufigen noch aus der spezifischen Situation der DDR entstandene hinzukommen. Insgesamt legt Marion Brandt ein Buch vor, das einerseits die Beziehungen zwischen Polen und der DDR in politischen Krisensituationen der Volksrepublik Polen aus dem Blickwinkel von DDR-Schriftstellern darstellt, andererseits aber weit darüber hinausgeht und den Blick für tiefer gehende Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis öffnet.


Grupa Robocza Polskich i Niemieckich Historyków Sztuki "Wspólne Dziedzictwo" / Arbeitskreis Deutscher und Polnischer Kunsthistoriker "Das Gemeinsame Erbe": Wspólne Dziedzictwo. Polsko-niemiecka wspólpraca konserwatorska 1970-2000. Das gemeinsame Kulturerbe. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit in der Denkmalpflege 1970-2000, Warszawa: Agencja Reklamowo-Wydawnicza A. Grzegorczyk, Deutsch-Polnische Edition 2001

Die deutschen und polnischen Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, die seit über 30 Jahren in ihrem scheinbar apolitischen Bereich zusammenarbeiteten, organisierten 2000 zunächst in Warschau, danach in Berlin und anderen deutschen Städten eine viel beachtete Ausstellung, die diese gemeinsame Arbeit dokumentierte. Der aus dieser Ausstellung hervorgegangene, zweisprachig deutsch und polnisch herausgegebene Band ist weit mehr als ein Katalog. In einführenden Beiträgen wird auf die eminente politische Bedeutung verwiesen, die die Zusammenarbeit im Bereich der Untersuchung und Konservierung von Baudenkmälern besitzt. Mit der Enttabuisierung der Geschichte wurde deutlich, wie oft sich im Laufe von Jahrhunderten Grenzen verändert haben und dass sich dementsprechend heute viele Bauten in einem anderen Staat befinden als dem, in dem sie entstanden sind. Es wächst das Bewusstsein, dass sie nicht nur einer Nation zugeschrieben werden können, sondern es sich vielfach um ein gemeinsames Kulturerbe handelt, das entsprechend gemeinsam bewahrt werden muss. Der Bildband legt auf vielen farbenprächtigen Seiten Zeugnis von dieser Zusammenarbeit ab, regt zum Nachdenken über die gemeinsame Vergangenheit an und bietet einen sehr schönen Beleg dafür, dass es jenseits der deutsch-polnischen politischen Kontroversen der letzten zwei Jahre auch Bereiche eines für beide Seiten bereichernden Zusammenwirkens von Deutschen und Polen gibt.