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Stephan Conermann: Islamische Welten: Forschungen zum Mamlukenreich (1250-1517) II. Einführung, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/forum/islamische-welten-forschungen-zum-mamlukenreich-1250-1517-ii-187/

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Islamische Welten: Forschungen zum Mamlukenreich (1250-1517) II

Einführung

Von Stephan Conermann

Dieses FORUM der "Islamischen Welten" ist eine Fortsetzung des thematischen Forums der Aprilausgabe des Jahres 2013, in der zum ersten Mal gebündelt über mamlukologische Forschungen berichtet worden ist. Da wir uns in Bonn im Rahmen der Kollegforschergruppe "Geschichte und Gesellschaft der Mamlukenzeit (1250-1517)" (www.mamluk.uni-bonn.de) täglich mit Ägypten, Syrien und dem Hedschas vom 13. bis zum 16. Jahrhundert befassen, ist es nur konsequent, regelmäßig relevante Neuerscheinungen vorzustellen. In den letzten fünf Jahren gab es mit etwa 30 Veröffentlichungen einen sprunghaften Anstieg von Monographien zu den Mamluken. Eine zweite Auswahl wird den Leserinnen und Lesern der sehepunkte hier präsentiert.

Den Anfang machen jedoch drei Besprechungen von (zum Teil etwas älteren) arabischen Abhandlungen. Obgleich es immer wieder sehr gute und für unsere Belange überaus nützliche Studien arabischer Forscherinnen und Forscher gibt, muss man leider konstatieren, dass die Wissenschaftskulturen und damit auch die Standards in der Regel sehr unterschiedlich sind. So kommt die Untersuchung von Zainab Maḥmūd al-Ḫudairï zur Geschichtsphilosophie von Ibn Khaldun (1332-1406) ideologisch eher überfrachtet daher (Al Ghouz über al-Ḫudairï) und auch Muḥammad ʿAbdallāh ʿInāns Übersicht über die islamische Geschichtsschreibung verharrt trotz aller aus den Quellen (recht unkritisch) übernommenen Detailfreudigkeit letztlich an der Oberfläche. (Mauder über ʿInān) Weitgehend nutzlos ist schließlich Muḥammad ʿAbd al-Ghanï al-Ashqars Arbeit zum Wesirat während der Mamlukenzeit. Auf eine Auswertung der grundlegenden westlichen Literatur zum Thema wird verzichtet, und an manchen Stellen kommt die Darstellung Aḥmad ʿAbd al-Rāziqs "Le vizirat et les vizirs d'Ègypte au temps des Mamlūks" (in: Annales Islamologiques 16 (1980), 183-239) offenbar gefährlich nahe. (Mauder über al-Ashqar) Das ist schade.

Die restlichen Bücher, die hier nur ganz kurz erwähnt werden sollen, decken dann aber verschiedene zentrale und interessante Bereiche der Mamlukenfoschung ab. Für das Sultanat war das Verhältnis zu den benachbarten Herrschaftsverbänden der Il-Khane (Amitai) und den Osmanen (Muslu) natürlich ebenso wichtig wie das rasche Lösen und die reibungslose Abwicklung von Rechtskonflikten in den Provinzen (Müller). Ganz neue und innovative Gegenstände stehen dann im Vordergrund der restlichen vier Werke: Da ist zunächst einmal Konrad Hirschlers ausgezeichnete Analyse über die gezielte Verbreiterung der Basis lese- und schreibkundiger Personen und über neue Möglichkeiten des Wissenserwerbs für größere Gruppen während der Mamlukenzeit. Ebenso wegweisend scheint mir auch Nahyan Fancys Auseinandersetzung mit dem Werk des syrischen Universalgelehrten Ibn Nafis (st. 1288) zu sein. Fancy behandelt dabei (indirekt) eine Reihe neuralgischer Punkte "moderner" Wissenschaftsforschung. Es seien nur Stichworte wie "Klassik", "Goldenes Zeitalter", "Niedergang", "Stagnation", "Vorläufer wissenschaftlicher Entdeckungen" oder "Religion als Hemmnis" genannt. Mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und klimatischen Veränderungen einerseits und politischem Handeln anderseits hat sich Sarah Kate Raphael auseinandergesetzt. Sie greift damit sinnvollerweise die in anderen Fächern sehr präsenten Fragen der "Environmental Studies" auf, die bisher in der Mamlukenforschung bedauerlicherweise völlig vernachlässigt worden sind. Ebenso wegweisend ist schließlich Kristina L. Richardsons Beschäftigung mit der Akzeptanz von Körpern innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Ägypten und mit den damit verbundenen gesellschaftlichen Ex- und Inklusionsmechanismen.

Die Mamlukenforschung ist in Bewegung, und eine Lektüre der vielen spannenden Publikationen lohnt sich!

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