Rezension über:

Cihan Yüksel Muslu: The Ottomans and the Mamluks. Imperial Diplomacy and Warfare in the Islamic World (= The Library of Ottoman Studies; Vol. 36), London / New York: I.B.Tauris 2014, XII + 376 S., ISBN 978-1-78076-149-7, GBP 56,00
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Rezension von:
Stephan Conermann
Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Universität Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Conermann: Rezension von: Cihan Yüksel Muslu: The Ottomans and the Mamluks. Imperial Diplomacy and Warfare in the Islamic World, London / New York: I.B.Tauris 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/26068.html


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Cihan Yüksel Muslu: The Ottomans and the Mamluks

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In der Geschichte der islamisch geprägten Welt wird das Jahr 1517 sicher nicht ganz zu Unrecht als eine Zäsur angesehen, da mit der Eroberung Kairos durch die Osmanen das Mamlukenreich, das für 250 Jahre der dominante Herrschaftsverband im Nahen Osten und Nordafrika gewesen war, unterging und sich gleichzeitig das Osmanische Imperium (zusammen mit dem Safawiden- und dem Mogulreich) als neue Vormacht etablierte. Diese Verschiebungen geschahen allerdings nicht plötzlich und unerwartet, sondern stellten das Ergebnis eines langen Prozesses dar. Die vielfältigen osmanisch-mamlukischen Beziehungen, denen das hier vorgelegte Buch gewidmet ist, begannen im 14. Jahrhundert und setzten sich kontinuierlich bis zur Einnahme der mamlukischen Hauptstadt fort. Anhand einer genauen Auswertung von Chroniken, Reiseberichten, offiziellen Briefen, Kanzleiwerken und Dokumenten kann die Verfasserin sehr schön zeigen, wie und mit welchen Mitteln sich die Herrscher auf beiden Seiten im Rahmen diplomatischer Missionen ihrem Pendant wie auch vor der eignen Elite und Bevölkerung präsentieren wollten. Dabei waren, das sieht Cihan Muslu völlig richtig, der Duktus der Briefe, die verwendeten Titel und Anreden, die in den Texten verwendeten rhetorischen Elemente, die Auswahl, das Verhalten und die Behandlung der Gesandten ebenso wichtig wie der Inhalt der überbrachten Botschaften. Die Grundthese der Abhandlung lautet: Anfänglich versuchten die Osmanen die diplomatischen Gepflogenheiten der als überlegen angesehenen Mamluken nachzuahmen, doch entwickelten sie parallel zu ihrem Aufstieg ein Selbstbewusstsein, das sich schließlich auch in ihrem offiziellen Verhalten gegenüber ihrem Rivalen widerspiegelte.

Die Monographie setzt ein mit einigen allgemeinen Überlegungen zu den Gesandtschaften. (Chapter 1: "The Tools of Diplomacy", 23-62) Die Details zur Auswahl der Diplomaten, Anfertigung der Grußbotschaften und Bestimmung der passenden Geschenke wie die Angaben zur eigentlichen Reise (Ankunft und Unterbringung der Ankömmlinge, Empfang bei Hofe, zeremonieller Ablauf der Audienz, Rückkehr) werden anschaulich skizziert und bereiten den Boden für die folgenden Kapitel. Diese sind dann konsequent chronologisch gehalten und befassen sich ausführlich mit den Einzelheiten der zahlreichen Kontakte zwischen Kairo und Bursa/Edirne/Istanbul. So steht im Mittelpunkt des sich anschließenden zweiten Kapitels ["Perceptions in Transformations (c. 1350-1402)", 64-85] die Zeit von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zum Jahre 1402, als Timur (gest. 1405) in der Schlacht bei Ankara die Osmanen schlug und damit ihren Expansionsdrang für eine Generation stoppte. Die Beziehungen zwischen den Osmanen und Mamluken sind in dieser Phase gekennzeichnet von der Anerkenntnis der mamlukischen Überlegenheit. Nach jedem Sieg schickten die Osmanen geflissentlich Gesandtschaften mit zahlreichen Geschenken in die ägyptische Metropole. Doch wurde den Sultanen in Kairo angesichts der osmanischen militärischen Erfolge auf dem Balkan und in Anatolien in zunehmender Weise bewusst, dass sie es hier mit einem sehr gefährlichen Gegner in statu nascendi zu tun hatten. Vor allem waren sie beunruhigt über das sporadische Eindringen von Truppen an der syrisch-osmanischen Grenzregion im Norden des Reiches.

Der folgende Abschnitt beschreibt die Situation nach der osmanischen Niederlage und dem anschließenden, verheerenden timuridischen Einfall nach Anatolien und Syrien. [Chapter 3: "From Titulature to Geopolitical Affairs: An Age of Negotiations (1413-1451)", 86-108]. Mamluken wie Osmanen brauchten bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, um sich von den Auswirkungen zu erholen. Inzwischen hielten sie die Kontakte auf diplomatischer Ebene aufrecht. Cihan Muslu schafft es sehr gut, die erhöhten Aktivitäten während der Regierungen von Mehmed I (reg. 1413-1421) und Murad II (r. 1421-44 und 1446-51) auf der einen und Faraj (r. 1399-1405 und 1405-12), al-Mu'ayyad Shaykh (reg. 1412-21), Barsbay (reg. 1421-38) und Jaqmaq (reg. 1438-53) auf der anderen Seite aus den Quellen zu isolieren, sie für den Leser aufzubereiten und in den historischen und wirtschaftlichen Kontext einzuordnen. Interessanterweise merkt man an der Verwendung neuer Titel und Anreden in der mamlukischen Korrespondenz, dass die Osmanen in dieser Periode deutlich aufgewertet wurden.

Die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 ließ das Ansehen der Osmanen innerhalb der islamischen Welt sprunghaft ansteigen. Vor allem nahmen sie ihre Eroberungspläne im Süden wieder auf. Von den Mamluken erwarteten sie, dass diese dem Prestigegewinn ihrer Nachbarn in ihren offiziellen Schreiben Ausdruck verleihen möchten. Vor diesem Hintergrund zeichnet die Autorin in dem nächsten Teil ihres Buches [Chaper 4: "Imperial Ambitions Resurrected, 1453-1481", 109-133] das Verhältnis der beiden Konkurrenten um die Macht im Nahen Osten und Nordafrika unter Mehmed II (reg. 1444-6 und 1451-81) bzw. Inal (reg. 1453-61), Khushqadam (reg. 1461-67) und Qaytbay (reg. 1468-96) nach. Es war nun ein Austausch unter Gleichrangigen. Zumindest sahen dies die Osmanen so. Letzten Endes können wir der Korrespondenz zwischen den Höfen entnehmen, dass beide Parteien den Anspruch, die legitime Führung aller Muslime zu vertreten, für sich reklamierten. Der Machtkampf, der hier noch mit Worten ausgefochten wurde, schlug schon bald in eine handfeste militärische Auseinandersetzung um. Die Truppen Bayezids II (reg. 1481-1512) und Qaytbays kämpften zwischen 1485 und 1491 sechs Jahre lang erbittert gegeneinander. [Chapter 5: "From Captivity Narratives to a Peace Treaty: A New Era of Image-Building (1481-1491)", 134-155] Schließlich beendete man die auszehrende Auseinandersetzung mit einem Friedensvertrag, der letztlich bis 1516 hielt, als die Osmanen erneut gegen ihren Feind ins Feld zogen. Kriege führen natürlich in der Regel nicht zu einem Abbruch der Beziehungen, sondern im Gegenteil eher zu einem verstärkten Bedürfnis nach Verständigung. So war auch der osmanisch-mamlukische Konflikt von 1485 bis 1491 Anlass zu zahlreichen Kontakten auf allen möglichen Ebenen, die von Cihan Muslu narrativ geschickt geordnet und beschrieben werden.

Der letzte Teil des Buches verfolgt die Entwicklungen auf diplomatischem Gebiet bis zum Tod von Bayezid II im Jahre 1512. [Chapter 6: "From Warfare to Alliance: The Intricacies of Imperial Diplomacy (1491-1512)", 156-177] Zu Beginn des 16. Jahrhunderts fanden verschiedene wichtige Entwicklungen und Ereignisse gleichzeitig statt: die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas, das Entstehen der drei muslimischen Großreiche der Safawiden, Osmanen und Moguln sowie das Aufkommen neuer Handelsunternehmen und ökonomischer Praktiken. Als die Portugiesen im Indischen Ozean auftauchten, identifizierten sowohl die Osmanen wie die Mamluken sie sehr schnell als einen gemeinsamen Feind. Trotz der weiterhin schwärenden Rivalität verbündete man sich für eine kurze Zeit gegen die Europäer.

Mit dem Jahr 1512 bricht das Buch etwas unvermittelt ab. Das Argument, dass die Betrachtung der fünf Jahre vor der osmanischen Invasion in Ägypten den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte, wirkt recht schablonenhaft. Diese spannende Zeit wäre ein sinnvoller und auch notwendiger Abschluss der Darstellung der osmanisch-mamlukischen diplomatischen Beziehungen gewesen! Grundsätzlich stützt sich die Abhandlung aber auf eine ausgezeichnete Quellenkenntnis. Cihan Muslu hat ein komplexes Thema ganz gut in den Griff bekommen, obgleich ihre Narration m.E. insgesamt etwas sehr im rein Deskriptiven verharrt.

Stephan Conermann