Rezension über:

Mark Häberlein / Kerstin Kech / Johannes Staudenmaier (Hgg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift (= Bamberger Historische Studien; Bd. 1), Bamberg: University of Bamberg Press 2008, 415 S., ISBN 978-3-923507-31-3, EUR 15,00
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Rezension von:
Frank Kleinehagenbrock
Institut für Geschichte, Julius-Maximilians-Universität, Würzburg
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Frank Kleinehagenbrock: Rezension von: Mark Häberlein / Kerstin Kech / Johannes Staudenmaier (Hgg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift, Bamberg: University of Bamberg Press 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 10 [15.10.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/10/15677.html


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Mark Häberlein / Kerstin Kech / Johannes Staudenmaier (Hgg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit

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Es ist ein großes Glück für Historikerinnen und Historiker an Universitäten, wenn ihre Institute und Seminare in eine kleinräumige, aber reiche Archivlandschaft eingebunden sind. Dies befördert im Idealfall die akademische Ausbildung. Dies beweist der Sammelband zu Bamberg in der Frühen Neuzeit, der ein Produkt des Forschungskolloquiums des Mitherausgebers Mark Häberlein ist. In dem Buch sind Beiträge von Studierenden, Examenskandidaten, Doktorandinnen und Doktoranden des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Bamberg versammelt. Sie alle schöpfen aus der großen Archivdichte der kleinen Stadt.

Zwei einleitende Beiträge von Johannes Staudenmaier und Kerstin Kech führen mit Forschungsüberblicken in die Historiographie zu Hochstift und Stadt Bamberg in der Frühen Neuzeit vor und nach 1648 ein. Das Gros der Beiträge widmet sich freilich der Geschichte des 18. Jahrhunderts. Mark Häberlein verweist dann auch in seiner Einleitung darauf, dass Bamberg unter den Fürstbischöfen Lothar Franz und Friedrich Karl von Schönborn in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit erlebt habe. Auch in der zweiten Hälfte des Säkulums habe es unter Adam Friedrich von Seinsheim sowie Franz Ludwig von Erthal bemerkenswerte Pontifikate gegeben, die unter anderem von der Rezeption der Aufklärung mitgeprägt waren. Wirtschaft, Politik und Kultur konnten jedenfalls unter den vier genannten Fürstbischöfen bemerkenswerte Entwicklungen einschlagen.

Für Bamberg ist der Untersuchungszeitraum zwar nicht eine vollkommene geschichtswissenschaftliche terra incognita, doch stehe eine systematische Erforschung der frühneuzeitlichen Geschichte von Stadt und Hochstift erst am Anfang, so Häberlein (12). Die beiden Forschungsüberblicke seiner Schüler verdeutlichen zudem, dass moderne geschichtswissenschaftliche Fragestellungen an ein lokal- und regionalgeschichtlich zu erfassendes Objekt gerichtet werden sollen.

Die folgenden elf Beiträge des Sammelbandes stoßen konsequent in einige der zahlreichen Forschungslücken vor. Freilich können nicht alle im Folgenden referiert werden, ihr Inhalt wird in der genannten Einleitung zusammengefasst. Schwerpunktmäßig geht es um Fragen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Wie der geschilderte Ansatz in der Praxis fortgeführt wurde, zeigt der bemerkenswerte Aufsatz von Johannes Staudenmaier. Er versteht es gekonnt, nachdem er einleitend umfänglich und problembewusst den Diskussionsstand zu Policey sowie Gesetzgebung in der Frühen Neuzeit und der Frage der Implementation von Normen aufbereitet hat, die Rolle der Hafnerzünfte des Territoriums bei der Entstehung der für sie maßgeblichen Handwerksordnung von 1582 nachzuzeichnen.

Dabei weist er generell auf das Forschungsdesiderat zur "Guten Policey im Hochstift Bamberg" (57) hin. Das Zustandekommen der Zunftordnung zeigt sich als kooperativer Prozess zwischen der Bamberger Hafnerzunft, den Hafnerzünften anderer Städte des Hochstifts sowie Bischof und Domkapitel als an der Gesetzgebung beteiligte Institutionen. Lange und teilweise kontroverse Diskussionen gingen dem Erlass genauso zuvor wie das Bemühen des Landesherrn zwischen divergierenden Interessen einen Ausgleich herzustellen. Über kleinere redaktionelle Pannen kann angesichts der Qualität der Analyse hinweggesehen werden (z. B. "Böhlau" als Verlagsort in Anmerkung 21).

Marco Eckerlein untersucht anschließend die gesellschaftliche Elite und Führungsgruppen in der Stadt Bamberg anhand von Ratsmitgliedschaften und der Inhaber der Bürgermeister- sowie weiterer Ämter bis 1627. Seine Ergebnisse erhellen die Bedeutung politischer Partizipationsoptionen in der Frühen Neuzeit. Diejenigen, die in Bamberg politisch aktiv waren, verfügten zwar in der Regel über eine besondere wirtschaftliche Kraft, kamen zumeist aus dem Kreis von Händlern oder 'Beamten', bildeten jedoch keinesfalls eine sozial exklusive Gruppe. Für diese lassen sich bemerkenswerte Klientelbeziehungen nachzeichnen. Dass offensichtlich nicht alle bereit waren, sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Partizipationsmöglichkeiten wahrzunehmen, kann eigentlich nicht verwundern.

In gewisser Weise korrespondiert Eckerleins Analyse mit dem Aufsatz von Zeno Hippke, der - freilich auf der Grundlage anderen Quellenmaterials - einen ersten Ansatz zu einer Sozialtopographie Bambergs im 18. Jahrhundert entwirft. Er wertet mit Hilfe der EDV serielle Quellen aus, erhellt dabei das Bemühen des Fürstbischofs Seinsheim um eine Optimierung des Steuerwesens und reflektiert die Grenzen und Möglichkeiten seines Vorgehens in angemessener Weise. Auch Christoph Manns Studie gehört in diesen Themenkomplex. Sie konzentriert sich auf das Bamberger Domkapitel in der Spätzeit des Hochstifts und erhellt eine zentrale soziale Gruppe mit stark divergierenden familiären, wirtschaftlichen und politischen Interessen. Mann hätte die von ihm verwendeten Begrifflichkeiten stärker überdenken sollen, so arbeitet er etwa mit dem wenig konturierten Begriff der "adeligen Mentalität" (327). Es bleibt zweifelhaft, ob dies angemessen ist, zumal in der Zusammenfassung wesentlich umsichtiger von unterschiedlichen "Lebensstilen" der Domkapitulare die Rede ist (344).

Erik Omlor, um einen weiteren wichtigen Beitrag herauszugreifen, trägt Konzepte und Fragestellungen der neueren Militärgeschichte an eine Besatzung des Hochstifts Bamberg durch brandenburgisch-preußische Soldaten während des Siebenjährigen Krieges, konkret im Jahre 1758, heran. Er führt sie maßvoll aus der bereits zeitgenössisch entstandenen borussophoben Betrachtung der älteren Regionalgeschichtsschreibung heraus, indem er für sich beansprucht, die bislang unbeachtete Quellenüberlieferung ausgewertet zu haben.

Omlor geht es nicht um die Aufbereitung der Ereignisgeschichte, sondern vielmehr um die Kriegserfahrungen besonders der Untertanen. Dabei stützt er sich vor allem auf Reinhard Kosellecks wichtigen Aufsatz "Erfahrungsraum und Erwartungshorizont", lässt aber die Ergebnisse des unlängst nach zehn Jahren Forschungstätigkeit ausgelaufenen Tübinger Sonderforschungsbereichs "Kriegserfahrungen" vollkommen außen vor. Im Ergebnis erweisen sich dann die Untertanen als Akteure des Krieges, die in den jeweiligen Situationen gezwungen waren zu bestehen oder auch Vorteile für sich zu gewinnen wussten angesichts der noch nicht vorhandenen Staatlichkeit des Fürstbistums.

Mark Häberlein nimmt sich des Bamberger Kaufmanns Bartolomeo d'Angelis' an, der zur Gruppe auch andernorts im Alten Reich präsenter 'welscher' Kaufleute gehörte und der sich in den sechs Jahren, die er in der Stadt lebte, in den finanziellen Ruin wirtschaftete. Diese kleine Skandalgeschichte beleuchtet nicht nur - wie auch der Beitrag von Heinrich Lang über Johann Ignaz Tobias Böttinger, einem fürstbischöflichen Hofrat der Schönbornzeit - einzelne Lebensumstände und den privaten Umgang mit Geld, sondern trifft aufgrund der günstigen Aktenüberlieferung grundsätzliche Aussagen über die Geschichte des Handels. Auch im Beitrag der Mitherausgeberin Kerstin Kech steht ein einzelner Lebenslauf im Mittelpunkt, nämlich der des Kanzlisten Johann Georg Endres, dessen bemerkenswertes Diarium ausgewertet wird.

Allein diese Auswahl zeigt die große methodische und thematische Bandbreite sowie die Materialfülle, die in den Aufsätzen des Sammelbands vereinigt ist. Wiewohl an einigen Stellen Nachfragen und Kritik angebracht wurden, ist in der Summe die Leistung aller Beiträgerinnen und Beiträger sehr zu würdigen. Sie zeigen, dass forschungsorientierte Lehre an Hochschulen trotz aller Widrigkeiten auch in Zeiten der Modularisierung und Verschulung möglich ist. Der Erforschung Bambergs in der Frühen Neuzeit ist jedenfalls ein wichtiger Impuls gegeben worden. Die hier erkennbare Bereitschaft, moderne Fragestellungen in regionaler Forschung umzusetzen, verdient auch andernorts Nachahmung zu finden.

Frank Kleinehagenbrock