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Dietmar Süß: Geschichte der Dresdner Bank im 'Dritten Reich'. Einführung, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 11 [15.11.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
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Geschichte der Dresdner Bank im 'Dritten Reich'

Einführung

Von Dietmar Süß

Die vierbändige Geschichte der Dresdner Bank im Dritten Reich ist in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswertes Ereignis: Sie spiegelt erstens einen wichtigen Trend unternehmenshistorischer Forschung seit den 1990er Jahren wider, als unterschiedliche Varianten mikroökonomischer Theoriemodelle zu einer Neuentdeckung von Unternehmen als handelnde Akteure und soziale Handlungsfelder führten; zweitens war das von Klaus-Dietmar Henke geleitete Großforschungsprojekt selbst Folge zeithistorischer Konflikte. Denn seine Entstehung verdankt es vor allem der politischen und juristischen Auseinandersetzung um die Rolle von Unternehmen in der NS-Zeit. Drohende Klagen vor amerikanischen Gerichten um eine angemessene Entschädigung von Zwangsarbeitern führten bei manchem Unternehmen zu einem nicht ganz freiwilligen Umdenken, endlich auch die "dunklen Kapitel" in den Jahren der Diktatur zu untersuchen, weil nur so ein weiterer Imageschaden abzuwenden war. Hatte man in den Führungsetagen lange auf eine Mischung aus Aussitzen und Verschweigen im Umgang mit dem Nationalsozialismus gesetzt - und die Dresdner Bank war hier anlässlich ihres 125jähriges Bestehens 1997 mit traurigem Beispiel vorangegangen, als sie die NS-Zeit beinahe vollständig ausblendete - , war nun mehr als deutlich geworden, dass diese Form der Verweigerung nicht mehr durchzuhalten war. Die Debatte um die "nachrichtenlosen Konten" in der Schweiz setzte zudem - nach den großen Industriekonzernen - auch die deutschen Großbanken immer stärker unter Druck, ihren Profit und ihre Beteiligung an der Vernichtungspolitik offen zu legen.

In den letzten Jahren hat es deshalb eine ganze Reihe von Großforschungsgruppen gegeben, die sich, finanziert durch die Wirtschaft, aber frei von jedem Einfluss mit der Industrie- und Bankengeschichte des 'Dritten Reiches' beschäftigt und dabei ein ganz neues Berufsfeld für Historiker geschaffen haben. Die Dresdner-Bank-Forschergruppe hat die bisher umfangreichste Studie über ein Unternehmen in der NS-Diktatur vorgelegt - eine Studie, die nicht zuletzt deshalb für großes öffentliches Aufsehen gesorgt hat, weil die Bank den zunächst vorgesehenen Ort der Präsentation im Berliner Jüdischen Museum nach heftigen Protesten wieder in die eigene Konzernräume verlegen musste.

Wie sieht nun die Bilanz dieser Forschungen aus, der Götz Aly polemisch "modernen Ablasshandel" vorgeworfen hat? Die vier Rezensenten Mark Spoerer, Christiane Kuller, Raymond Stokes und Werner Plumpe widmen sich den einzelnen Bänden und gehen dabei aus unterschiedlichen Perspektiven zentralen unternehmenshistorischen Fragen nach: der 'Arisierung' und europäischen Expansions- und Raubpolitik, dem Verhältnis von Bank und NSDAP sowie den unternehmensstrategischen Entscheidungen der Bank. Wie kann man die Bankenpolitik methodisch fassen und begrifflich analysieren? Und worin liegt das Besondere der Dresdner Bank? War sie das, wofür man sie lange hielt: die "Hausbank der SS"? Darauf und auf den Wert solcher unternehmenshistorischer Großprojekte zur NS-Diktatur versuchen die Autoren eine Antwort zu geben.

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