Rezension über:

Frank Uekötter (ed.): Comparing Apples, Oranges, and Cotton. Environmental Histories of the Plantation, Frankfurt/M.: Campus 2014, 272 S., ISBN 978-3-593-50028-7, EUR 34,90
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Rezension von:
Tobias Huff
Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Huff: Rezension von: Frank Uekötter (ed.): Comparing Apples, Oranges, and Cotton. Environmental Histories of the Plantation, Frankfurt/M.: Campus 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 3 [15.03.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/03/24721.html


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Frank Uekötter (ed.): Comparing Apples, Oranges, and Cotton

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Adam Smith selbst hat die Möglichkeiten der von ihm propagierten Arbeitsteilung in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt. Im Bereich der Landwirtschaft ist der mögliche Produktivitätszuwachs aufgrund von Arbeitsteilung und Spezialisierung sehr gering. Ohne technischen Fortschritt nimmt der Grenznutzen über den Produktionsfaktor Boden beständig ab. Die im Zuge der ersten und zweiten Kolonialisierungswelle in allen Weltgegenden etablierte Plantagenwirtschaft erlaubte ein Ausbrechen aus diesen Regeln. Zum einen führte sie den Europäern riesige Flächen ungenutzten Bodens zu, zum anderen erweiterten sich die Möglichkeiten der Ausnutzung komparativer Kostenvorteile. Von Anfang an ist die Plantage daher mehr als eine bloße Art, organische Ressourcen zu produzieren. Sie ist eine profitorientiere, hierarchisch strukturierte Wirtschaftseinheit, die für weit entfernte Absatzmärkte produziert. Abgesehen davon, dass globalgeschichtliche Forschungsansätze Konjunktur haben, drängt sich daher das System Plantage für eine weltumspannende Untersuchung auf.

Warum sich nun auch und gerade die Umweltgeschichte für diese Untersuchung eignet, begründet der Herausgeber Frank Uekötter im einleitenden Aufsatz. Die grundlegenden Umweltbedingungen und die Reaktion von Pflanzen darauf seien überall auf der Erde gleich, wohingegen Arbeitssysteme und Landnutzungsregime in hohem Maße durch lokale Parameter bestimmt seien. Damit sind auch die beiden Blickwinkel angesprochen, unter denen die Plantagenwirtschaft in der Vergangenheit betrachtet wurde. Gerade die mit der Arbeit assoziierten Begriffe wie Sklaverei, Ausbeutung und soziale Ungleichheit haben stark zu einer tendenziell negativen Bewertung der Plantagenwirtschaft beigetragen. Der Sammelband zielt nicht darauf ab, hier zu einer Neubewertung zu kommen oder neue Bewertungsschemata anhand ökologischer Kriterien zu entwerfen. Die einzelnen Untersuchungen befassen sich vielmehr mit der Frage, wie etwa Problemlagen der abnehmenden Bodenfruchtbarkeit, Wasserverschwendung oder Überdüngung wahrgenommen und verarbeitet wurden und wie die um die Plantagenwirtschaft herum gruppierten Akteure auf die ökologischen Herausforderungen reagierten und entsprechende Wissensbestände schufen.

Der im Titel angekündigte, vergleichende Zugriff, soviel sei bereits verraten, gelingt dem Sammelband an keiner Stelle. Es bleibt bei den im Untertitel angekündigten "Geschichten", die, vom Gegenstand der Plantagenwirtschaft abgesehen, nur wenig verbindende Elemente aufweisen. Dies gereicht dem Band aber nicht zum Nachteil. Zum einen nimmt er den globalgeschichtlichen Ansatz ernst und vereint Beiträge einer internationalen Autorenschaft. Darunter leidet zwar die Synthese, da die einzelnen Beiträge doch stark aus nationalen Forschungstraditionen heraus geschrieben wurden. Auch die strikt chronologische Anordnung der Beiträge lässt vermuten, dass sich auch der Herausgeber schwer tat, einzelne Beiträge zu thematisch verwandten Blöcken zu bündeln. Zum anderen bewegt sich das Buch, um im Sprachbild zu bleiben, auf einem noch weitgehend unbeackerten Forschungsfeld, kann somit Pioniercharakter für sich beanspruchen. Zudem gibt Uekötter dem Leser Analysekategorien mit auf den Weg. Zuvorderst steht hier die Planhaftigkeit der Plantage, als komplexes Arrangement aus Land, Arbeit, Klima, Pflanze, Transport und Gelände, dem eine "specific environmental imagination" zugrunde liege (15). Exemplarisch kommt dies im Beitrag der Australier Chris Shepherd und Andrew McWilliam zum Tragen, die sich mit dem portugiesischen Osttimor befassen. Sie sehen die Einführung der Plantagenwirtschaft als Antwort auf die von europäischen Kolonialherren als problematisch identifizierte Phänomene wie Kahlschlag, Überweidung und Überbevölkerung. Ziel war es, die Produktion bei gegebenen Landressourcen zu erhöhen. Mit der Durchsetzung der Plantagenwirtschaft wuchsen sowohl die koloniale Durchdringung der Halbinsel als auch das soziale Konfliktpotential, das sich in mehrfachen bewaffneten Auseinandersetzungen entlud.

An dieser Stelle ist der Übergang zur zweiten Analysekategorie vorgezeichnet. Die Plantage kann als Zivilisationsinstrument gedeutet werden. Für den Westeuropäer - oder Vertreter des globalen Nordens - war die Plantage eine Möglichkeit, die wilde Dschungelnatur und die darin lebenden Menschen zu zähmen. Plantage und das damit verbundene Umweltwissen werden damit Teil eines hegemonialen Diskurses. Die weltweit ausgeübten und in ihrer konkreten Ausführung sehr ähnlichen Anbaupraktiken indigener Bevölkerungsgruppen wurden mit Hinweisen auf Herrschaftswissen abgewertet und disqualifiziert. Umweltwissen mutierte in dieser Lesart zu einem Unterdrückungsmechanismus. Dies gilt auch dann, wenn dieses Umweltwissen nur antizipiert und nicht empirisch belegt ist. Die europäischen Kolonisten handeln hier aus einer Position der Überlegenheit sowohl der Umwelt als auch der einheimischen Bevölkerung gegenüber. Diese Sicht findet sich auch bei Sven Beckert, der im Zusammenhang von frühem Kapitalismus und Plantagenwirtschaft von einer "Zweiteilung der Welt" sprach. [1] Aspekte der Zivilisierung mittels der Plantage finden sich in der Mehrzahl der einzelnen Beiträge, besonders jedoch in den Beiträgen des Japaners Michitake Aso über den Kautschukanbau in Indochina und Christiane Berts über deutsche Kaffeebauern in Guatemala. Bei letzteren lässt sich der Zivilisierungsauftrag ganz konkret aus Ego-Dokumenten herauslesen, etwa durch häufige Vater-Kind-Metaphern im Umgang mit der indigenen Bevölkerung oder in der Feststellung, die Kaffeebäume so angeordnet zu haben, wie von einem preußischen Förster gepflanzt (124). Ökologische Problemlagen wie Auslaugung und Düngemitteleinsatz rückten erst dann ins Bewusstsein, als die Ausweichflächen knapp zu werden begannen. Im Falle Indochinas kann Aso herausarbeiten, wie gezielt gesammeltes Umweltwissen als Produktionsvorteil verstanden wird. Der 1864 in Saigon angelegte Botanische Garten diente auch dazu, Wissen über fremde Naturen in das europäische Wissenssystem zu inkorporieren und ökonomisch zu verwerten. Teilweise pervertiert wurde der antizipierte Zivilisierungsauftrag dann dadurch, dass die europäischen Plantagenbesitzer sich bei der Anlage neuer Betriebe des geächteten lokalen Wissens der Brandrodung bedienten.

Während die bisher geschilderten Beiträge die Besitzer im Fokus der Untersuchung hatten, geht der US-Amerikaner Mart A. Stewart bei seiner Beschreibung des "American South" auch auf die Perspektive der Sklaven ein. Bedingt durch ihre Arbeit mit den Pflanzen hätten diese sich ein wesentlich konkreteres Umweltwissen aneignen können, auf das die Plantagenbesitzer bei Anbauentscheidungen angewiesen waren. Zudem arbeitet er bei der Eigenwirtschaft der Sklaven auf den ihnen überlassenen Parzellen Elemente des "environmentalism of the poor" heraus und kontrastiert dies mit den bekannten Problemen der Monokultur im Plantagenbetrieb. Ergänzend zur Studie von Stewart sind die Ausführungen von Jeannie M. Whayne zu nennen, die den Austausch der Handelsmetropole Memphis mit ihrem baumwollproduzierenden Umland als Metabolismus zeichnet. Ökonomisch, ökologisch oder politisch ausgelöste Veränderungen in der Baumwollproduktion schlugen sich in der politischen Kultur der Stadt nieder. Wie eng und lang andauernd gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen miteinander verflochten sein können, führt die Portugiesin Marina Padrão Temudo am Beispiel des Inselstaates São Tomé und Príncipe aus, dessen rezente Gesellschaftsstruktur sie auf das koloniale Plantagensystem zurückführt.

In der Summe ist der Anspruch des Sammelbandes als gelungen zu bewerten, die Plantagenwirtschaft engen nationalen und topografischen Kontexten zu entreißen und die "global plantation" als transnationales Phänomen zu beschreiben. Dieser Mehrwert tröstet über die Quisquilie hinweg, dass die umweltgeschichtlichen Bezüge bei einzelnen Beiträgen im Hintergrund standen und der vergleichende Zugriff nicht voll ausgereift erscheint.


Anmerkung:

[1] Sven Beckert: King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus, München 2014, 51-52.

Tobias Huff