Rezension über:

R. Malcolm Errington: A History of the Hellenistic world. 323-30 BC (= Blackwell History of the Ancient World), Oxford: Blackwell 2008, xiv + 348 S., 4 maps, ISBN 978-0-631-23388-6, GBP 19,99
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Rezension von:
Frank Daubner
Historisches Institut, Universität Stuttgart
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Frank Daubner: Rezension von: R. Malcolm Errington: A History of the Hellenistic world. 323-30 BC, Oxford: Blackwell 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 3 [15.03.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/03/14396.html


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R. Malcolm Errington: A History of the Hellenistic world

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In den letzten Jahren sind zahlreiche Einführungen, Handbücher und Synthesen zur sogenannten hellenistischen Epoche erschienen, in Umfang, Art und Zielen äußerst unterschiedlich angelegt. Nun hat Malcolm Errington eine deutlich als Einführung gekennzeichnete Synthese mittleren Umfangs vorgelegt, die ihren Platz im Umfeld der anderen Werke finden muss. So sollte denn auch vor allem gefragt werden, was diese Zusammenschau von den anderen unterscheidet, worin ihre Besonderheiten bestehen und inwiefern sie sinnvoll zu nutzen ist.

Errington hält wenig vom geschichtsphilosophischen Epochenbegriff 'Hellenismus'. Gleichwohl muss er wohl, da eingebürgert und jedenfalls chronologisch präzise, beibehalten werden, wie auch der allerdings sicher auf den Verlag zurückgehende Buchtitel zeigt. In der Einleitung werden die damit zusammenhängenden Fragen nicht diskutiert [1]; dem Hellenismus-Begriff wird kurz der treffender erscheinende der 'Macedonian Centuries' entgegengesetzt und die Kontinuität zur spätklassischen Zeit betont. Das Spezifische an dem behandelten Zeitraum sei nicht das Verschmelzen von Ost und West, sondern der makedonische Charakter der hellenistischen Staaten. [2] Errington, einer der besten Kenner Makedoniens und der makedonischen Geschichte, beschreibt also die hellenistische Zeit von Makedonien her: Die Einstellungen und die Herrschaftstechniken der Monarchen gehen auf das zurück, was sie in Makedonien erfahren haben. Diese Perspektive relativiert die epochemachende Bedeutung des Eroberungszuges Alexanders III. und lässt stärker das hervortreten, was sich nicht ändert. Die griechischen Städte in Kleinasien und die vielen Völker in dem riesigen vom makedonischen Heer eroberten Gebiet waren es gewohnt, ihre Autonomie unter einem mehr oder weniger fremden König zu pflegen. Für die festland- und inselgriechischen Poleis und Ethne wechselte der Bezugsrahmen, jedoch waren die meisten auch vorher in diverse Hegemonialsysteme eingebunden. Politisch änderte sich also nicht viel, und Errington schreibt dezidiert die politische Geschichte der hellenistischen Welt.

Durch konventionelle Einschnitte - die Schlacht auf dem Kouroupedion und das Ende der Diadochengeneration (281 v.Chr.), den nahezu gleichzeitigen Herrscherwechsel in den drei großen Reichen, durch den die jugendlichen Antiochos III., Ptolemaios IV. und Philipp V. bzw. ihre Einflüsterer an die Macht kamen (220 v.Chr.), und schließlich die Schlacht von Pydna und die anschließende fundamentale Demontage des Antigonidenreichs durch den römischen Senat (168 v.Chr.) - gliedert er den Stoff in vier Abschnitte. Als Beginn und Ende der Epoche stehen der Tod Alexanders III. und der Kleopatra VII. Wenn man das Spezifische der Epoche nicht im Kulturellen, sondern im Politischen sieht, ist gegen dieses Verfahren nichts einzuwenden, zumal eine Einführung nicht nur eine Einführung in den Gegenstand, sondern auch in die Konventionen und Beobachtungsformen sein muss, die diesen Gegenstand, also die Epoche, erst konstituieren.

Die Darstellung selbst ist unter den dem Rezensenten bekannten die von Umfang und Aufbau her treffendste, konziseste und einleuchtendste. Es ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, die vielen Akteure und Schauplätze sowie die komplizierten Verwicklungen so zu schildern, dass einerseits Vereinfachungen vermieden werden, andererseits der Stoff nicht dergestalt detailliert zerfasert wird, dass dem Leser und der Leserin wenig Nutzen bleibt. Auch für das Gesamtverständnis der Zeit enorm wichtige Details finden ihren angemessenen Platz, ohne zu verwirren, wie die Ausführungen zu den vertriebenen Deliern und zum Status von Oropos (251f.), die belegen, wie die traditionelle Gewaltanwendung bei Konflikten unter griechischen Poleis weiterhin gepflegt wird, selbst wenn alle Akteure nun "Freunde" Roms geworden sind. Gerade als Einführung in diese für Studenten oft abschreckend komplexe Materie ist das Buch trefflich geeignet.

Nun stand aber auch durchaus zu erwarten, dass Errington in der Darstellung eigene Akzente setzt. Dies geschieht jedoch stets so vorsichtig, dass der allgemeine und Einführungscharakter des Werks nicht durch zu große Ambitionen unterlaufen wird. Der stets betonte makedonische Charakter der Akteure und auch der neugeschaffenen Strukturen ist einer dieser bisher kaum vorhandenen, aber notwendig zu berücksichtigenden Akzente. Dass die Westgriechen, vor allem auch Syrakus, nicht berücksichtigt werden, ist vielleicht in dieser Vorannahme begründet. Weiterhin betont Errington die Praktikabilität von Antipatros' und Krateros' Plänen zur Zweiteilung des Reiches in einen europäischen und einen asiatischen Teil, die allerdings durch beider Tod scheitern mussten (21-34). Die Anhänglichkeit der Truppen an das Argeadenhaus scheint er etwas über- (22f.), die Bedeutung des "Jahres der Könige" unterzubewerten (43f.), während die Beobachtung, dass die Probleme des Demetrios Poliorketes vor allem auf seiner geringen Vertrautheit mit makedonischen Gebräuchen beruhen, eine genauere Beschäftigung mit dieser Frage zwingend erscheinen lässt (54). Der Abschnitt über die Außenbesitzungen der Ptolemäer (157-161) zeigt, dass sich das Ptolemäerreich nicht mit Ägypten gleichsetzen lässt, sondern seine Herrscher wie die der anderen Reiche ambitionierte, aggressive Akteure sind. Dieser Aspekt scheint doch in den meisten der gängigen Einführungen und Darstellungen zu kurz zu kommen. [3]

Wohl dem Verlagsdiktat folgend gibt es keine Anmerkungen, jedoch werden wichtige Quellen- und Inschriftenzitate im Text nachgewiesen. Die Auswahlbibliografie (316-319) ist rudimentär, das Herrscherverzeichnis mit Übersetzung der Beinamen (320-323) recht knapp, das Register (324-348) sehr brauchbar. Es gibt einige Karten zur groben Orientierung und hilfreiche Zeitleisten vor jedem Kapitel. Insgesamt muss der Band, der sich wohltuend von der in Mode geratenen, oft unterkomplexen Literatur für Studenten abhebt, als Einführung in den Gegenstand dringend empfohlen werden.


Anmerkungen:

[1] Dazu siehe jüngst Hans-Joachim Gehrke: Der Hellenismus als Kulturepoche, in: Kulturgeschichte des Hellenismus, hg. von Gregor Weber, Stuttgart 2007, 355-379.

[2] Eine eingehende Diskussion dieses makedonischen Charakters der hellenistischen Staaten ist überfällig, seit Charles Edson 1958 versucht hat, eine Debatte anzustoßen, die dann leider nicht stattgefunden hat (Imperium Macedonicum, in: Classical Philology 53, 153-170).

[3] Die Außenbesitzungen sollte man folgerichtig nicht als solche bezeichnen. Über die administrative Gliederung wusste man lange wenig und erfährt immer mehr. Nachdem nun zu den beiden bekannten, von Errington (160) erwähnten ptolemäischen Strategen Kariens und der hellespontinischen und thrakischen Regionen ein dritter Stratege für Syrien und Phönikien hinzugekommen ist (Jean-Paul Rey-Coquais: Inscriptions grecques et latines de Tyr, Beirut 2006, Nr. 18), muss davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Ägyptens gelegenen Teile des Ptolemäerreichs als integraler Bestandteil desselben betrachtet und in der üblichen Weise verwaltet wurden.

Frank Daubner