Rezension über:

Walter Koch: Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der früheren Neuzeit. Früh- und Hochmittelalter, München: Oldenbourg 2007, 263 S., inkl. CD-Rom, ISBN 978-3-486-58189-8, EUR 39,80
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Rezension von:
Francesco Roberg
Fachgebiet Mittelalterliche Geschichte und Forschungsinstitut Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Harald Winkel
Empfohlene Zitierweise:
Francesco Roberg: Rezension von: Walter Koch: Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der früheren Neuzeit. Früh- und Hochmittelalter, München: Oldenbourg 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 1 [15.01.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/01/12466.html


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Walter Koch: Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der früheren Neuzeit

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Walter Koch, emeritierter Ordinarius für Geschichtliche Hilfswissenschaften, darf als einer der führenden deutschsprachigen Epigraphiker gelten. Die Lektüre des anzuzeigenden Bandes macht schnell klar, warum.

Gegen alle in der Wissenschaft bestehenden und hochschulpolitisch geförderten Tendenzen zur Abwicklung der Historischen Hilfswissenschaften hat auch der Oldenbourg Verlag, ähnlich wie die Hahnsche Buchhandlung Hannover, eine Reihe aufgelegt, die die Historischen Hilfswissenschaften in Einzeldarstellungen aus der Feder führender Fachvertreter behandelt. Der hier vorliegende Band ist nach demjenigen von Georg Scheibelreiter zur Heraldik [1] der zweite dieser Reihe. Es handelt sich um den ersten von geplanten zweien zur Thematik. Er behandelt die Zeit bis in das 13. Jahrhundert und näherhin bis vor die europaweit einsetzende Verbreitung der Gotischen Majuskel, mit deren Behandlung der zweite Band einsetzen wird (8).

In dieser Form ist das Buch ein Novum, ist es doch nicht der Epigraphik an sich, über die verschiedene Darstellungen vorliegen [2], sondern der Inschriftenpaläographie gewidmet; Ausführungen wie etwa zu Inschriftenträgern oder der Typologie von Inschriften fehlen daher naturgemäß. Den Gegenstand der Darstellung bestimmt Koch als ein "Teilgebiet (sowohl) der Epigraphik als auch ein Teilgebiet der allgemeinen Paläographie" (7). Angestrebt wird eine Darstellung, die die Schriftentwicklung aus "gesamteuropäischer Sicht" betrachtet (8) bzw. aus einem gesamteuropäischen Kontext heraus erklärt und darstellt.

Wie der erste Band der Reihe so eröffnet auch der hier vorliegende mit einer Einleitung, die in einem ersten Unterkapitel Ausführungen zu "Wissenschaftsgeschichte und Forschungsproblematik" bietet (11-22) und in einem zweiten Abschnitt verschiedene Definitionen diskutiert - die der Inschrift selbst ebenso wie den Begriff der Epigraphik und der Inschriftenpaläographie (22-29). Dieser Abschnitt enthält auch Ausführungen über das Verhältnis der Inschriftenpaläographie zur herkömmlichen Paläographie. Das zweite Kapitel ("Die epigraphische Schrift im Wandel der Zeit") ist der Hauptteil des Bandes (30-216). Es gliedert sich seinerseits in sieben Abschnitte, die jeder für sich eine Epoche oder ein Entwicklungs- und Verbreitungsstadium der Schrift in epigraphischer Überlieferung darstellen. Sie setzen ein mit den antiken Voraussetzungen für die spätere Schriftentwicklung, über die frühchristlichen Denkmäler, Monumente in Runen, der ältesten Schrift der Germanen, sowie die sogenannte Ogham-Schrift, eine auf den Britischen Inseln in etwa 400 Grabdenkmälern aus dem 4.-6. Jahrhundert belegte Schrift der bodenständigen keltischen Bevölkerung (30-51). Den dann folgenden Kapiteln ist ein "Vorblick" vorgeschaltet, der in zwei Schemata die Schriftentwicklung in der Stadt Rom der - von dieser gänzlich verschiedenen - in Mitteleuropa gegenüberstellt (51-55). Über die Völkerwanderungszeit bis in die beginnende Karolingerzeit, wobei zwischen kontinentalen Denkmälern und solchen im Frankenreich, auf der Iberischen Halbinsel und auf dem Boden Italiens in eigenen Unterkapiteln unterschieden wird (55-101), wird der Leser in eigenen Kapiteln in die karolingische Zeit samt ihren Ausläufern um die Jahrtausendwende (101-134) und weiter in die Romanik des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts geführt (148-181), wobei dem "iberische(n) Sonderweg" des späten 8. bis 11. Jahrhunderts ein eigenes Kapitel gewidmet wird (134-148). Der darstellende Teil endet mit Ausführungen zum 12. und 13. Jahrhundert (181-216). Souverän entwickelt Koch auf diesen Seiten Gestalt, Aufkommen und Entwicklung, Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des jeweiligen Gegenstandes, wobei die Ausführungen auf so gut wie allen Seiten von repräsentativen Abbildungen oder Nachzeichnungen begleitet werden, die sich sämtlich auf einer CD-Rom dem Band beigegeben finden und so zu einer vertiefenden Lektüre, aber auch für die akademische Lehre besser genutzt werden können.

Den Band beschließt ein Anhang, der zu Recht als drittes Kapitel erscheint, bietet er doch ebenfalls weit mehr, als man von anderen Darstellungen gewohnt ist. Die Titel der nicht weniger als acht Unterkapitel des Anhangs sprechen für sich: "Editionsrichtlinien in Zusammenfassung" (217-222), "Musterbeispiele mit Edition und Übersetzung" (223-225), "Grundalphabete zur älteren Zeit" (226-228); besonders willkommen sind die "Karten der Bearbeitungsgebiete in Deutschland, Österreich, Frankreich und Polen" (229-232), die den Stand der jeweiligen nationalen Editionscorpora in den besagten Ländern plastisch vor Augen führen. Die Bibliographie, die den Abbildungsnachweisen (262-263) vorangeht, ist thematisch und typologisch in 17 (!) Unterkapitel gegliedert (233-261). Kurzum: Dieses Buch wird schnell und mit vollem Recht kanonischen Rang erlangen.


Anmerkungen:

[1] Georg Scheibelreiter: Heraldik (= Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften), München 2006.

[2] Vgl. die Bibliographie 244-247.

Francesco Roberg