Rezension über:

Eva Berger: "Viel herrlich und schöne Gärten". 600 Jahre Wiener Gartenkunst (= Österreichische Gartengeschichte; Bd. 2), Wien: Böhlau 2016, 388 S., 199 Abb., ISBN 978-3-205-20332-2, EUR 39,99
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Rezension von:
Stefan Schweizer
Institut für Kunstgeschichte, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Kristina Deutsch
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Schweizer: Rezension von: Eva Berger: "Viel herrlich und schöne Gärten". 600 Jahre Wiener Gartenkunst, Wien: Böhlau 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 2 [15.02.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/02/30844.html


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Eva Berger: "Viel herrlich und schöne Gärten"

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Die seit Langem intensiv mit der österreichischen Gartengeschichte befasste Eva Berger widmet sich in dem vorliegenden Band der Wiener Gartengeschichte zwischen dem Beginn der Frühen Neuzeit und dem frühen 20. Jahrhundert. Das Buch ist aufwändig bebildert, wobei den Lesern und Leserinnen neben Fotografien von Christian Hlavac und zahlreichen historischen Ansichten besonders das vielfältige kartografische Material eine gute Orientierung und wichtige Informationen bietet.

An den Anfang stellt Berger eine knappe Einleitung, in der sie die Beweggründe zum Verfassen des Bandes und seinen Aufbau vorstellt. Es gehe ihr demnach um die Aufdeckung von "Leitlinien und historischen Faktoren der Wiener Gartenkunst" (14) sowie darum, die Aufmerksamkeit auf historische Gärten zu lenken, die sie völlig zu Recht zum bewahrens- und schützenswerten historischen Erbe rechnet. Den Band versteht sie einerseits als wissenschaftlichen Beitrag - wofür über 400 Anmerkungen, ein umfassendes Literaturverzeichnis sowie zwei Namensregister stehen -, zugleich aber auch als "allgemein verständliche Überschau" (12). Dass es mitunter schwer ist, diese beiden Ansprüche in einer Abhandlung einzulösen, belegt das Buch leider auch.

Warum Berger ihre Chronologie der Wiener Gartenkunst um 1930 abbricht, wird mit keinem Wort begründet und ist nicht nachvollziehbar. Dieses Unverständnis ergibt sich bereits vor dem Hintergrund, dass Gartenanlagen der 1950er- und 1960er-Jahre heute längst historischen Wert besitzen und gelegentlich bereits unter Denkmalschutz stehen. Zudem stehen Entwerfer und Entwerferinnen heute vor ganz ähnlichen Problemen wie Gartenkünstler der Frühen Neuzeit und beziehen sich regelmäßig auf historische Vorbilder. Dies auszublenden ist symptomatisch für die kunsthistoriografische Ignoranz gegenüber moderner Landschaftsarchitektur.

In einem 15-seitigen Überblick über den Forschungsstand macht Eva Berger die Leser und Leserinnen mit der Forschungsliteratur zur Wiener Gartenkunst vertraut, wobei sie auch auf interessante schriftstellerische und journalistische Texte verweist. Geradezu beklagenswert ist der deskriptive Charakter dieses Überblicks, der sich leider durch das gesamte Buch zieht. So werden etwa alle Beiträge in Sammelbänden jeweils mit Namen und Titel aufgeführt. Wäre das Buch professionell lektoriert worden, dann hätte man solche Aufzählungen in die Anmerkungen verschoben, ganz davon abgesehen, dass Inhaltsverzeichnisse heute online in jedem Bibliothekskatalog nachgeschlagen werden können.

Der Hauptteil ist als chronologische Abfolge nach Epochen gegliedert. Für den Beginn der Frühen Neuzeit kann sich Berger lediglich auf Texte und Bilder stützen, um auf die Existenz von Gärten in der Stadt, zumeist aber extra muros oder am Stadtrand zu verweisen. Die bastionäre Befestigung Wiens nach 1530 sowie die Verlegung der kaiserlichen Hofhaltung von Ferdinand I. in die Donaustadt veränderten die politisch-administrative Situation, sodass in der Folge auch erste repräsentative Gärten angelegt wurden. Mit dem 1567 unter Kaiser Maximilian II. in Angriff genommenen Neugebäude entstand eine erste, fragmentarisch erhaltene und auch bildlich gut dokumentierte Anlage, die kaiserliche Ambitionen erkennen lässt.

Auch für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg sowie bis zur sogenannten Türkenbelagerung von 1683 kann die Autorin mehrere Anlagen nachweisen bzw. gartenhistorische Entwicklungen nachzeichnen, etwa die erste Ordnung der Bruderschaft der Lust- und Ziergärtner aus dem Jahr 1628. Angesichts der großen Verluste an Gärten und ihrer oft nur mangelhaften Dokumentation können bis 1683 nur die in Stichwerken dargestellten Anlagen umfassender diskutiert werden.

Die Zeit zwischen 1683 und 1750 bildete eine erste Kulminationsphase. Zunächst war es der Adel, und nicht das Kaiserhaus, der sich mit neuen Gartenpalais und Gärten in den Vorstädten und im Umland ausstattete. Wien wurde damit - die Autorin würdigt die Brisanz dieses Befundes leider nicht - zu einem Gegenmodell von Paris und Versailles, aber auch anderer Hauptstädte beziehungsweise Residenzen. "Die im Vergleich zu anderen europäischen Herrscherhäusern verhaltene Bautätigkeit in der Zeit um 1700" (103) wird mit dem dürftigen Argument erläutert, dass der Kaiser ja ohnehin schon den ersten Rang für sich beanspruchen konnte, sich daher repräsentative Anstrengungen nicht lohnten. Unter den mehr als dreißig dokumentierten und teilweise erhaltenen Anlagen dieser Zeit werden eingehender der Lustgarten in Schönbrunn, die Belvedere-Anlage sowie der Garten des Palais Hockge beschrieben.

Nach dem Schema dieses Kapitels erschließt Berger alle folgenden Epochenabschnitte: Auf eine kurze Einführung folgt eine Aufzählung nennenswerter Gärten, die jeweils Informationen zu den Bauzeiten, zum Besitzer, Architekten und Gärtner umfasst, an die sich eingehende Beschreibungen einzelner herausragender oder besonders charakteristischer Garten- und Parkanlagen anschließen. Dabei fällt auf, dass in Wien bis zum frühen 19. Jahrhundert so gut wie keine nennenswerten bürgerlichen Gärten existierten. Eine Ausnahme bildet das ab 1688 für den Ratsherren Zacharias Leeb errichtete Sommerpalais samt Garten. Der Autorin entgeht die Relevanz dieser Konstellation, obschon sie mehrfach auf sozialgeschichtliche Kontexte verweist.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war sehr stark von der Entfestigung der Stadt bestimmt, die in der Ringstraßenplanung mündete. Detailliert werden die Vorgänge dargestellt, doch beschränkt sich das Erkenntnisinteresse Bergers auf stilistische und formale Fragen. Dieser enge Fokus verhindert, dass die städtebauliche Transformation Wiens als eine Adaption gartenkünstlerischer Raummodelle durch den Städtebau anerkannt wird. Belege für diesen Erfolg gartenkünstlerischer Raummodelle in der Stadtplanung liefert die Autorin in den abschließenden Kapiteln selbst, indem sie zahlreiche Stadtplätze vorstellt, die auf Grundrissen frühneuzeitlicher Bosketts beziehungsweise Parterres fußen.

Wiens Gartenkunst erlebte um 1900 eine neue Blüte, die sich namhaften Architekten wie Otto Wagner und Josef Hoffmann verdankte. Verglichen mit Deutschland scheint sich der gesellschaftliche Bruch 1918 hinsichtlich der Gartengestaltung nicht so drastisch darzustellen, denn nahtlos knüpfte man nach 1918 an die reformorientierten Vorkriegsmodelle an, die in Gestalt herausragender Siedlungsarchitektur weiterentwickelt wurden.

Wer immer sich grundlegend mit den Gärten und Parks in Wien beschäftigen will, kommt an Eva Bergers Buch nicht vorbei. Detailliert beschreibt sie die maßgeblichen Anlagen und verweist auf zahlreiche eher unbekannte Beispiele. Während die Autorin die deskriptive Ebene beherrscht, erkennt sie manchmal die historische Brisanz ihrer Befunde nicht. Der enge Fokus auf Wien blendet Vergleiche weitgehend aus. Gerade die Entwicklung im 19. Jahrhundert schreit danach, mit Paris oder Berlin verglichen zu werden. Der begrenzte Blick auf die Wiener Gartengeschichte zeitigt ein paradoxes Resultat: Der internationale Stellenwert einzelner Gartenanlagen beziehungsweise der lokalen Gartengeschichte lässt sich ohne europäischen Kontext leider kaum ermessen, womit der wissenschaftliche Impuls, den das Buch geben könnte, verringert wird.

Stefan Schweizer