Rezension über:

Manfred Knedlik: Aufklärung in München. Schlaglichter einer Aufbruchszeit (= Kleine Münchner Geschichten), Regensburg: Friedrich Pustet 2015, 148 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-7917-2650-2, EUR 12,95
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Rezension von:
Laura Ulrich
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Laura Ulrich: Rezension von: Manfred Knedlik: Aufklärung in München. Schlaglichter einer Aufbruchszeit, Regensburg: Friedrich Pustet 2015, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 9 [15.09.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/09/27416.html


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Manfred Knedlik: Aufklärung in München

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"'Platz machen dem Licht in Verstand und Herz': Aufklärung in München - ein verkanntes Phänomen". Diese Überschrift zum Einleitungsteil von Manfred Knedliks "Schlaglichtern" zur Aufklärung in München formuliert bereits das zentrale Anliegen seiner Überblicksdarstellung: Aufklärung in München beziehungsweise im Kurfürstentum Bayern war keineswegs rückständig, sondern sie stellt "eine vielschichtige, farbige und spannungsreiche Erscheinung dar, der innerhalb des europäischen Gesamtphänomens 'Aufklärung' ein besonderes Eigengewicht zukommt" (12).

Die Bayerische Landesgeschichtsschreibung hat durch zahlreiche Studien zum 18. Jahrhundert schon seit Längerem den süddeutschen Raum vom Rückständigkeitsmythos befreit und dargelegt, dass die Katholische Aufklärung einen eigenen, wichtigen Beitrag zur Epoche geleistet hat. In letzter Zeit wurde in der Aufklärungsforschung vermehrt eine europäische Perspektive eingenommen, aus der die Aufklärung nicht mehr nur national verortet, sondern als gesamteuropäisches Phänomen begriffen wird, das von Wechselwirkungen und Austauschprozessen zwischen den verschiedenen Regionen stark beeinflusst war. In diese Tendenz ordnet Knedlik auch seine Überblicksdarstellung zur Aufklärung in München ein (12). Seine Studie konzentriert sich dabei weniger auf eine Ideengeschichte der Münchner Aufklärung als vielmehr auf die "unmittelbaren Auswirkungen des neuen Denkens auf die komplexe(n) Lebenswirklichkeit(en)" (12).

Entsprechend dieser Zielsetzung gliedert sich das Buch in vier Hauptkapitel, beginnend mit der Frühaufklärung. Die drei weiteren Kapitel richten sich nach den Regierungszeiten der Kurfürsten, was sicherlich der leichteren Orientierung für das Lesepublikum dient, dadurch allerdings zwangsläufig eher die Umbrüche als Kontinuitäten betont. Das Buch ist in der Reihe "Kleine Münchner Geschichten" erschienen, die sich vorwiegend an interessierte Laien richtet, und ist daher in der formalen Gestaltung populärwissenschaftlich aufbereitet. Inhaltlich nimmt es jedoch immer wieder Bezug auf aktuelle Thesen und Ergebnisse der Forschung.

Eine knappe Einleitung diskutiert zeitgenössische Fremd- und Selbstbilder der Aufklärung in München beziehungsweise fragt, inwieweit München an den "geistigen Strömungen des (Aufklärungs-)Zeitalters teilhabe" (7). Dazu werden Zitate aus Reiseberichten (nord)deutscher Schriftsteller und Publizisten herangezogen, aber auch Einschätzungen bayerischer Aufklärer wie Lorenz Westenrieder. Auf diese Weise präsentiert sich das Buch dem interessierten Leser von Beginn an quellennah und thematisiert beiläufig wichtige Quellen der Epoche und deren Probleme, ohne dafür einen für nicht wissenschaftliche Leser zermürbenden Quellen- und Methodenteil einbauen zu müssen. Knedlik greift dazu auf Reiseberichte, Romane und Tagebuchaufzeichnungen zurück. Aufgrund der fehlenden Fußnoten und des nur in Auswahl wiedergegebenen Quellen- und Literaturverzeichnisses wird jedoch die Chance verpasst, dem Leser diese Quellen auch leicht zugänglich zu machen. So fehlen bei den meisten Zitaten Literatur- oder Seitenangaben.

Das erste Kapitel zur Frühaufklärung in München konzentriert sich überzeugend auf die Akademiebewegung. Da die Katholische Aufklärung von einigen Überblicksdarstellungen immer noch gerne übergangen wird, versucht Knedlik, zum Teil etwas überbetonend, dieser Ignorierung entgegenzuwirken. So weist er gleich mehrfach daraufhin, dass in der 1722 gegründeten Zeitschrift "Parnassus Boicus" in Bayern schon lange vor Gottsched, "dem 'Kulturpapst' aus dem Norden", die "Grundlagen für eine bewusste Pflege von Sprache und (nationaler) Literatur" zu schaffen versucht wurden (20).

Im zweiten Kapitel werden kurz und übersichtlich die Reformbemühungen im Kurfürstentum Bayern in den Bereichen Schuldenabbau, Merkantilpolitik, Rechtswesen und Staatskirchenpolitik dargestellt, die die Grundlagen für die Entstehung des "modernen" Bayern legten (28). Ergänzt wird Knedliks Darstellung durch knappe biografische Skizzen zu den wesentlichen "Aufklärern", die in München und Bayern wirksam wurden. Diese Exkurse sind über das Buch verteilt und geben an geeigneten Stellen Informationen zu den wichtigsten Akteuren und ihrem Hintergrund. Ein eigenes Unterkapitel wird unter anderem der Entstehung der Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften gewidmet. Darin hebt Knedlik besonders die Bedeutung der Münchner Aufklärung für die Förderung der Volkssprache hervor (42-45).

In Anlehnung an die neueren Forschungsergebnisse zur Karl-Theodor-Zeit in München bemüht sich Knedlik im dritten Kapitel auch um eine Rehabilitation der Regierungstätigkeit Karl Theodors, der oft vor allem für seinen Plan bekannt ist, Bayern gegen die österreichischen Niederlande zu tauschen. So werden in diesem Kapitel unter anderem städtebauliche Pläne und die Wohnverhältnisse der Zeit angesprochen, womit auch sozial- und kulturgeschichtliche Themen eine knappe Erwähnung finden. Wenig Beachtung findet jedoch die Frage, inwieweit die Aufklärung die Münchner Bevölkerung erreichte, und ob es sich also tatsächlich um eine Volksaufklärung und nicht nur um einen "elitären Zeitvertreib" (Andreas Kraus) handelte. In der (landes)geschichtlichen Forschung bestehen dazu durchaus unterschiedliche Meinungen. Knedlik streift dieses Problem allenfalls in Bezug auf die Verbreitung von Zeitschriften (94) und die Lesefähigkeit der Bevölkerung (110).

Das Buch schließt mit den Reformen zu Beginn der Regierungstätigkeit Max IV./I. Joseph und dem Übergang zum "modernen" Bayern. Damit wird ein Bogen zum zweiten Kapitel geschlagen, in dem die Grundlagen für diese Reformanstrengungen dargestellt wurden. Im Mittelpunkt des letzten Kapitels stehen vor allem die Säkularisation der Klöster und die Toleranzgesetzgebung. Insgesamt wird die Montgelas-Zeit nur sehr knapp und verkürzt berücksichtigt.

Manfred Knedliks "Aufklärung in München" ist ein angenehm lesbares Überblickswerk auf Basis der neuesten Forschung, deren Thesen immer wieder allgemeinverständlich in die Darstellung einfließen, sodass die wesentlichen Forschungsfelder zur (süddeutschen) Aufklärung abgedeckt und auch dem nicht-wissenschaftlichen Leser zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig wird geschickt an die wesentlichen Quellen zum Thema herangeführt. Insgesamt handelt es sich also um eine sehr gelungene populärwissenschaftliche Darstellung mit den damit verbundenen (vielleicht unvermeidlichen) kleineren Schwächen. Das Buch kann durchaus auch als Einstiegslektüre für Wissenschaftler und Studenten dienen, die sich höchstens an den sehr eingeschränkten Quellen- und Literaturhinweisen stören werden.

Laura Ulrich