Rezension über:

Stephen Long: The CIA and the Soviet Bloc. Political Warfare, the Origins of the CIA, and Countering Communism in Europe, London / New York: I.B.Tauris 2014, XIV + 362 S., ISBN 978-1-78076-393-4, GBP 68,00
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Rezension von:
Bernhard Sassmann
Universität Mannheim
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Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Sassmann: Rezension von: Stephen Long: The CIA and the Soviet Bloc. Political Warfare, the Origins of the CIA, and Countering Communism in Europe, London / New York: I.B.Tauris 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 9 [15.09.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/09/27130.html


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Stephen Long: The CIA and the Soviet Bloc

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In The CIA and the Soviet Bloc spürt der Amerika-Historiker Stephen Long den verdeckten anti-kommunistischen Operationen der USA in Osteuropa zwischen 1945 und der Niederschlagung der Ungarischen Revolution 1956 nach. Das Zeugnis, das der Autor dieser von bürokratischen Grabenkämpfen begleiteten und ohne jegliche strategische Langzeitagenda initiierten Kampagne ausstellt, ist ein verheerendes. Durch die kategorische Ablehnung konventioneller militärischer Mittel sei der innerhalb der Truman-Administration zunächst populäre Anspruch, die osteuropäischen Klientelstaaten mithilfe von "Political Warfare" von der Sowjetunion zu lösen, von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen. Das Fehlen einer pan-europäischen Strategie durchsetzte den amerikanischen Umgang mit dem sowjetischen Block bis in die 1950er Jahre mit Widersprüchen. Folgerichtig deutet der Autor den Rückgriff auf Methoden der politischen Kriegführung als Ausdruck der amerikanischen Impotenz in diesem Bereich der Welt: "The story of political warfare is not really about the projection of American power, it is about the limitations of American power." (8)

Stephen Long reiht sich mit dieser Studie in eine jüngere Historiographie zum frühen Kalten Krieg ein, die einige vormals kaum untersuchte Aspekte auf die historische Tagesordnung gesetzt hat. Dazu zählt auch die Rolle der Geheimdienste. [1] Frühere Studien zum Thema waren häufig durch eine Grand Strategy-Perspektive limitiert. Sie betonten einerseits die politische und militärische Gefahr, die von der Sowjetunion für Westeuropa ausging. Andererseits minimierten oder ignorierten sie gar die Versuche Washingtons, die kommunistische Macht hinter dem Eisernen Vorhang selbst herauszufordern. [2] Die vorliegende Studie hat sich von dieser westlich-orthodoxen Sicht auf die Ursachen des Kalten Krieges gelöst. Sie trägt der historiographischen Notwendigkeit, die aktive amerikanische Konfrontation sowjetischer Hegemonie in Osteuropa stärker in die Bewertung einzubeziehen, unpolemisch Rechnung. [3]

Der Autor arbeitet, orientiert an der Abfolge der Direktiven zur politischen Kriegführung des National Security Council (NSC), die strategischen, organisatorischen und operativen Merkmale des amerikanischen Political Warfare in gleichsam chronologisch geordneten Kapiteln heraus. Ausgangspunkt ist die Zeit von Juli bis Dezember 1947. Durch die geheime Direktive NSC 4-A schien die erst kurz zuvor durch den National Security Act gegründete CIA zu der mächtigen und operativ-orientierten Organisation zu werden, die der frühere OSS-Direktor William Donovan bereits während des Krieges gefordert hatte. Oberflächlich habe NSC 4-A auch die administrativen Kämpfe zwischen den beteiligten Ministerien und der CIA über die Verantwortung für verdeckte politische Kriegführung in Friedenszeiten gelöst. Doch im ebenfalls 1947 gegründeten Policy Planning Staff (PPS) des Außenministeriums erwuchs der CIA gleichzeitig ein potenter Konkurrent. Es war dessen Leiter George Kennan, der eine von nur drei existierenden Kopien der NSC-Direktive erhalten hatte, was darauf hinweist, dass Außenminister Marshall vom PPS erwartete, Einfluss auf die verdeckten Operationen der CIA zu nehmen.

Das im zweiten Kapitel verhandelte erste Halbjahr 1948 zeichnet dann den Übergang von NSC 4-A zu NSC 10/2 nach, welche endgültig eine langanhaltende und polarisierende bürokratische Fehde innerhalb der Truman-Administration nach sich zog. Zwar wurde die Aufsicht über die politische Kriegführung formell unter die Autorität der CIA gestellt. Gleichzeitig wurde mit dem Office of Policy Cooperation (OPC) ein Organ innerhalb der CIA geschaffen, deren gleichberechtigte Direktoren von Außen- und Verteidigungsministerium sowie von der CIA gestellt wurden. Dieses Setup ermöglichte es dem Außenministerium auch weiterhin, starken Einfluss auf die Kapazitäten der politischen Kriegführung innerhalb der CIA auszuüben: "The PPS knew it possessed a Trojan Horse capable of bypassing the defences of its obstinate partner." (94)

In den folgenden beiden Kapiteln rückt Long die anhaltende strategische Konzeptlosigkeit und das operative Chaos, das daraus erwuchs, stärker in den Fokus. Die von Kennans Mitarbeitern konzipierte Idee des "Titoismus" - wonach statt auf den nahtlosen Übergang vom Kommunismus zur liberal-demokratischen Ordnung auf den zersetzenden Einfluss national-kommunistischer Häretiker wie Tito zu setzen sei - wurde nach kurzer Zeit wieder verworfen. Unter der Führung des stetig expandierenden OPC wurden in der Folgezeit stattdessen wieder aggressivere, jedoch nur mangelhaft koordinierte und dilettantisch operationalisierte Versuche unternommen, anti-kommunistische Widerstandsgruppen in Albanien, Jugoslawien, Polen und der Ukraine zu fördern. Dem Autor gelingt es, die tragische Ironie dieser Political Warfare-Kampagne anschaulich herauszuarbeiten. Herausragend unter den unzähligen ins Feld geführten Episoden des Scheiterns war die bis 1952 verfolgte Operation, die polnische Freiheits- und Unabhängigkeitsbewegung durch den Abwurf von Agenten, Waffen und weiterer Ausrüstung zu unterstützen. Die CIA förderte so über Jahre eine Gruppe, die von einem Mann der polnischen Geheimpolizei geführt wurde. Erst als die offiziellen Medien Polens diesen Umstand publik machten, erkannte auch die CIA die Täuschung.

Mit dem Amtsantritt Eisenhowers nahm politische Kriegführung als Mittel amerikanischer Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion ein schleichendes Ende. Nach der Niederschlagung der Ungarischen Revolution zog auch der NSC endgültig die Konsequenzen aus dem Scheitern der amerikanischen Political Warfare-Kampagne in Osteuropa. Die Direktive NSC 5811/1 vom Mai 1958 empfahl schließlich, das Recht der Osteuropäer auf Freiheit weiterhin öffentlich zu bekräftigen. Als operatives Mittel wurde nun allerdings die Förderung von engeren ökonomischen, kulturellen, sozialen und religiösen Beziehungen empfohlen. Political Warfare wurde stillschweigend verworfen.

Leider ist keine von Stephen Longs übergreifenderen Thesen zum Thema neu. Seine "central contention", dass während des gesamten Untersuchungszeitraumes "disorder prevailed over design on the strategic level of US Cold War policy towards the Soviet bloc" (9) ist ein in der Forschung etablierter Allgemeinplatz. [4] Auch mit seiner These, dass die politische Kriegführung innerhalb dieses Kontextes kaum je mehr als die von Kennan bereits frühzeitig prophezeite "enclave strategy" sein konnte und die amerikanische Rollback-Kampagne insgesamt nicht überbewertet werden dürfe, bestätigt er die vorherrschende Lehrmeinung eher, als sie zu modifizieren. Dass das Amalgam aus strategischer Inkohärenz, bürokratischer Desorganisation und institutionellen Grabenkämpfen letztlich auch in operativen Dilettantismus münden musste, hat Amy Zegart bereits Ende der 1990er Jahre betont. [5]

Der Mehrwert dieses Buches liegt zweifellos im äußerst gewissenhaften quellenanalytischen Aufwand, spannenden Details und der nuancierten Aufarbeitung der bürokratischen und strategischen Fallstricke der amerikanischen Political Warfare-Kampagne. Die wertungsfreudige Argumentation des Autors erleichtert dem Leser das Durchdringen der komplexen bürokratischen und strategischen Vorgänge. Grundlegend Neues zum Thema liefert das Buch allerdings nicht.


Anmerkungen:

[1] Vgl. in Auswahl: W. Scott Lucas: Freedom's War: The US Crusade Against the Soviet Union 1945-1956, Manchester 1999; Gregory Metrovich: Undermining the Kremlin: America's Strategy to Subvert the Soviet Bloc 1947-1956, London / Ithaca 2000.

[2] Vgl. etwa das prägende Werk von John Lewis Gaddis: The United States and the Origins of Cold War 1941-1947, London 1972; siehe auch: Melvyn P. Leffler: A Preponderance of Power: National Security, the Truman Administration, and the Cold War, Stanford 1992.

[3] In Deutschland hat sich vor allem Bernd Stöver seit seiner Habilitationsschrift um das Thema verdient gemacht; vgl.: Bernd Stöver: Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikanische Liberation Policy im Kalten Krieg 1947-1991, Köln 2002.

[4] Das grundlegende Unvermögen der Truman-Administration und nachgeordneter Behörden, eine kohärente Strategie für den aufziehenden Kalten Krieg zu formulieren, hat zuletzt Sarah-June Corke betont. Vgl. Gerhard Altmanns Rezension von Sarah-Jane Corke: US Covert Operations and Cold War Strategy: Truman, Secret Warfare and the CIA, London 2008, in: sehepunkte 11 (2011), Nr.1 (http://sehepunkte.de/2011/01/18303.html).

[5] Amy B. Zegart: Flawed by Design: The Evolution of the CIA, JCS and NSC, Stanford 1999.

Bernhard Sassmann