Rezension über:

Fotini Kondyli / Aikaterini Andriopoulou / Eirini Panou u.a. (eds.): Sylvester Syropoulos on Politics and Culture in the Fifteenth-Century Mediterranean. Themes and Problems in the Memoirs, Section IV (= Birmingham Byzantine and Ottoman Studies; Vol. 16), Aldershot: Ashgate 2014, XII + 248 S., ISBN 978-1-4094-3966-0, GBP 70,00
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Rezension von:
Alexander Beihammer
Department of History and Archaeology, University of Cyprus, Nicosia
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Alexander Beihammer: Rezension von: Fotini Kondyli / Aikaterini Andriopoulou / Eirini Panou u.a. (eds.): Sylvester Syropoulos on Politics and Culture in the Fifteenth-Century Mediterranean. Themes and Problems in the Memoirs, Section IV, Aldershot: Ashgate 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/05/25223.html


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Fotini Kondyli / Aikaterini Andriopoulou / Eirini Panou u.a. (eds.): Sylvester Syropoulos on Politics and Culture in the Fifteenth-Century Mediterranean

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Die letzte Phase der byzantinischen Unionspolitik kurz vor der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, das Konzil von Ferrara-Florenz (1438-39) und die Memoiren des Sylvester Syropoulos, einer der griechischen Kronzeugen der Unionsverhandlungen, bilden die Hauptthemen des vorliegenden Bandes. Es handelt sich dabei um das Teilergebnis eines an der Universität Birmingham angesiedelten Projekts, das einer kommentierten englischen online Übersetzung des Syropoulos gewidmet ist. Die hier versammelten Beiträge gingen aus einem Kolloquium zum vierten Abschnitt der Memoiren hervor, in dem die Reise der byzantinischen Delegation nach Italien und die Eröffnung des Konzils in Ferrara beschrieben werden.

Der Autor, ein aus einer wohlhabenden Familie Konstantinopels stammender Kleriker an der Hagia Sophia, der seine Erinnerungen zum Unionskonzil nach einhelliger Forschungsmeinung etwa fünf Jahre nach dessen Abschluss verfasst haben dürfte, nimmt in der byzantinischen Diskussion über die Kirchenunion eine Sonderstellung ein. Sein Werk wird zwar allgemein als eine der Hauptquellen zur Unionsfrage anerkannt, doch steht Syropoulos in Hinblick auf seine persönliche Stellung und sein intellektuell-theologisches Niveau weitab von den namhaften Unionsgegnern und Unionsbefürwortern seiner Zeit. Der apologetische Charakter der Memoiren, der die Ergebnisse des Konzils als Missgeschick präsentieren möchte, und die stark umgangssprachlich gefärbte, mit Anekdoten, Charakterskizzen und göttlichen Zeichen angereicherte Darstellungsweise geben dem Werk ein propagandistisch "volksnahes" Kolorit, wie Mary Cunningham prägnant subsumiert (9-21). Seit der kritischen Edition von Vitalien Laurent (1971) wurden die Memoiren zwar vielfach als Quelle herangezogen, aber nur sehr selten um ihrer selbst willen untersucht. In dieser Hinsicht füllt der vorliegende Band eine wichtige Lücke und weist zugleich Wege einer historischen Auswertung, die über Fragen der Kirchenunion hinausgeht.

Die hier vorliegenden Beiträge diskutieren Aspekte der politisch-diplomatischen, geistig-künstlerischen und pragmatisch-organisatorischen Rahmenbedingungen des Konzils. Durch die Bezugnahme auf den breiteren Kontext werden die jeweiligen Aussagetendenzen des Textes ausgelotet. Vor dem Hintergrund osmanischer Haltungen zur Kirchenunion und den griechisch-orthodoxen Untertanen in der Zeit Sultan Murads II. (Elizabeth A. Zachariadou, 23-32) lassen bestimmte Aussagen des Syropoulos auf eine stabile Finanzlage von unter osmanischer Herrschaft stehenden Bistümern schließen (31). Zeremonielle Aspekte in den offiziellen Begegnungen zwischen Papst Eugen IV., Kaiser Johannes VIII., und Patriarch Joseph II. und der Sitzordnung auf dem Konzil (Richard Price, 33-47) werden bei Syropoulos unter dem Eindruck des schlechten Ausgangs ins Negative verzerrt. Der Autor teilt also die in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung allenthalben anzutreffende Tendenz, "bad rituals" zur Darstellung unerwünschter Sachverhalte zu verwenden. Syropoulos ist eine wichtige Quelle für die Organisation und Zusammensetzung byzantinischer Gesandtschaften, die unter Kaiser Johannes VIII. zu vorbereitenden Verhandlungen in den Westen entsandt wurden (Vera Andriopoulou, 49-67). Von besonderem Interesse sind die Einblicke des Autors in die inneren Zwistigkeiten zwischen dem Konzil von Basel und dem Papst sowie die schrittweise Entscheidung des byzantinischen Kaisers, die päpstliche Partei als einzig legitimen Verhandlungspartner anzuerkennen. Auch hier erscheinen die Erwartungen, die Johannes VIII. an Sigismund von Ungarn geknüpft haben soll, übertrieben betont (65-66). Syropoulos' harsche Kritik an der mangelhaften Verpflegung und Unterbringung der griechischen Delegation in Ferrara erscheint angesichts der allgemeinen Lage im Beziehungsgeflecht zwischen dem Stadtherrn Niccolò d'Este, dem Papst und Venedig ungerechtfertigt (Trevor Dean, 69-77). Die finanziellen Schwierigkeiten des Papstes und der Druck seitens Venedigs belasteten die wirtschaftliche Situation der Stadt in den 1430er Jahren.

Zwei Fallstudien zur Ikonenmalerei rund um den ältesten namhaften griechischen Maler aus Kreta, Angelos Akotantos (Annemarie Weil Carr, 79-106), und zur Sakralarchitektur anhand der Grabkapelle des Pietro Lippomano in der Agia Paraskevi Kirche, eines der bedeutendsten mittelalterlichen Denkmäler Euböas aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Nikos D. Kontogiannis, 107-134), behandeln Fragen der Interaktion zwischen Ost und West im Kunstschaffen des ägäischen Raums im 15. Jahrhundert. In beiden Fällen stehen die wechselseitige Beeinflussung und die zu neuen überraschenden Gestaltungsformen anregende Verbindung westlich-gotischer und byzantinischer Elemente im Vordergrund, die zur Entstehung einer eigengesetzlichen Kunstlandschaft in der Ägäis und dem östlichen Mittelmeer des Spätmittelalters beitrugen. Diese Entwicklungen stehen oft im Gegensatz zu Aussagen des Syropoulos und seiner Gesinnungsgenossen, die eine starke Reserviertheit und Distanznahme gegenüber geistigen und künstlerischen Einflüssen aus dem Westen erkennen lassen. Abwehrhaltungen im kirchlichen Dialog zwischen Ost und West standen keineswegs immer im Einklang mit den Alltagserfahrungen des künstlerischen Gestaltungswillens und des sozialen Zusammenlebens von katholischen und orthodoxen Bevölkerungsgruppen in den fränkisch beherrschten Gebieten des griechischen Raumes.

Ein zentrales Thema des hier zur Diskussion stehenden Abschnitts aus Syropoulos' Memoiren hat mit Reisen, insbesondere mit der Fahrt der griechischen Delegation von Konstantinopel nach Italien, zu tun. Demgemäß widmen sich zwei weitere Beiträge den Reisebedingungen und logistischen Aspekten der Schiffsreise (Fotini Kondyli, 135-153) sowie den politischen Bedingungen in den Haupthäfen der Küste von Dalmatien und Istrien zur Zeit des Konzils (Neven Budak, 155-173). Erneut zeigt sich, dass ein Abwägen der von Syropoulos berichteten Einzelheiten gegen den breiteren Kontext des Schiffsverkehrs und der politisch-ökonomischen Bedingungen in der Adria des 15. Jahrhunderts für eine Einschätzung der persönlichen Wahrnehmung und Intention des Autors von grundlegender Bedeutung ist.

Insgesamt handelt es sich um eine aufschlussreiche und vielseitige Sammlung von Beiträgen zu einem der Kerntexte der spätbyzantinischen Geschichte. Ansprechend ist der multidisziplinäre Zugang, der Einzelaspekte aus unterschiedlichen kulturellen und methodischen Blickwinkeln erschließt. Die im Anhang beigegebene kommentierte englische Übersetzung des Abschnitts 4 (185-238) erläutert weitere Details, die in den Beiträgen nicht zur Sprache kommen. Dennoch kann der vorliegende Band keine systematische Untersuchung der diversen Bedeutungsebenen des Gesamtwerks ersetzen. Oftmals wird Syropoulos in der Argumentation der einzelnen Beiträge nur en passant gestreift oder bleibt Aufhänger für eine breitere, mitunter auch etwas abschweifende, Thematik. Auch Fragen der Intertextualität oder eine genauere Einordnung des Syropoulos ins griechische Schrifttum zum Konzil von Ferrara-Florenz oder die spätbyzantinische Historiographie werden kaum behandelt. Alles in allem bleibt also noch viel zu tun.

Alexander Beihammer