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Stephan Conermann: Islamische Welten. Einführung, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 1 [15.01.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/01/forum/islamische-welten-188/

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Islamische Welten

Einführung

Von Stephan Conermann

Das Jahr 2015 startet mit einem 'normalen' FORUM Islamische Welten. Es gab wieder einmal viele interessante Neuerscheinungen. Ganz wichtig erscheint mir die Biographie des Orientalisten Hellmut Ritter (1892-1971), die einen dazu nötigt, sich zu vergegenwärtigen, wie weit wir eigentlich von der Welt der Universität in den Geisteswissenschaften vor dem Um- und Aufbruch nach 1968 entfernt sind. Zumindest in den sogenannten "Textwissenschaften" sollte man sich auf die philologischen Traditionen besinnen, obgleich sicher auch klar ist, dass es ein Zurück nicht geben wird. Die Zukunft der geisteswissenschaftlichen Disziplinen scheint mir in Deutschland ziemlich offen zu sein. (Conermann über Van Ess). Ansonsten beginnen unsere Besprechungen chronologisch mit der Mamlukenzeit (1250-1517). Ein interessantes und bisher kaum bearbeitetes Feld ist der Sport, wobei hierzu neben der Jagd auch die militärischen Künste zu zählen sind, die von den Männern ab dem Jugendalter an eingeübt und angeeignet werden mussten. (Harwazinski über Guo). In die Epoche der Mamluken fällt auch die Karriere von Timur (st. 1404). Vor allem in Zentralasien, aber auch im indischen Mogulreich stellte dieser Herrscher einen genealogischen Bezugspunkt dar, wenn es um die Legtimation von Herrschaft ging. Wer mit ihm verwandt war, durfte sich als zur Machtausübung berechtigt ansehen. Aus diesem Grund entstand im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von legendenartigen Biographien in persischer und türkischer Sprache. (Schüller über Sela). Die Mamlukenära steht auch für eine recht restriktive Politik gegenüber den Kopten. Dieser Trend scheint in der Osmanenzeit nicht noch einmal verstärkt worden zu sein. Zumindest blieb die Zahl der koptischen Christen in Ägypten seitdem konstant bei etwa 10%. Eine genaue Untersuchung der heterogenen Quellen deutet auf ein durchaus lebendiges kirchliches wie auch öffentliches Leben dieser Minderheit in der Zeit vom 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert hin. (Conermann über Armanios)

Die Eroberung von Syrien durch die osmanischen Truppen bedeutete für die Bevölkerung mit Sicherheit einen Systemwechsel. Interessanterweise entwickelte sich im 18. Jahrhundert in Damaskus eine stark autobiographisch gefärbte Chronistik, deren Verfasser in der Regel nicht zu den Religionsgelehrten gehörten. Wir erfahren aus den Texten sehr viel Interessantes über die Weltsicht von Individuen aus den mittleren gesellschaftlichen Schichten. (Conermann über Sajdi) Mussten sich die Autoren dieser Texte noch traditioneller Genres bedienen, um gehört bzw. gelesen zu werden, war es Mitte des 19. Jahrhunderts durch das Aufkommen von Zeitschriften im Osmanischen Reich zu einer Medienrevolution gekommen. Wer etwas zu sagen hatte, insbesondere etwas Kritisches, gründete eine Zeitung. So diente etwa den Jungosmanen das Journal Ḥürriyet als Sprachrohr ihrer Forderungen nach einer grundlegenden Gesellschaftsreform. (Conermann über Czygan) Womit wir auch schon beim 20. Jahrhundert wären. Dass es bis in die Gegenwart - im Unterscheid zum Christentum - eine ungebrochene Tradition scholastischer muslimischer Gelehrsamkeit gibt, lässt sich sehr schön an der Attributenlehre des spekulativen Theologen Ibn Uthaimin (st. 1991) zeigen. (Würtz über Gharaibeh) In höchstem Masse spannend sind heutzutage nicht nur der Arabische Frühling, der schon jetzt in ganz ordentlichen Übersichtswerken zusammengefasst wird (Schüller über Gelvin), oder die Lage der Muslimbrüder in Ägypten vor ihrem tiefen Sturz (Schüller über Tadros), sondern auch die mannigfaltigen Beziehungen von nicht-arabischen islamischen Ländern untereinander. Malaysia ist ein hervorragendes Exempel für ein weitreichendes Netzwerk jenseits - man ist geneigt zu sagen: im Schatten oder sogar hinter dem Rücken - der üblichen Global Player. (Conermann über Stark)

Ich wünsche den Lesern der Januar-Ausgabe der sehepunkte alles Gute für 2015!

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