Rezension über:

Martin Dreher: Das antike Sizilien (= C.H. Beck Wissen; 2437), München: C.H.Beck 2008, 128 S., ISBN 978-3-406-53637-3, EUR 7,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Stefan Priwitzer-Greiner
Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Priwitzer-Greiner: Rezension von: Martin Dreher: Das antike Sizilien, München: C.H.Beck 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 9 [15.09.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/09/16746.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Martin Dreher: Das antike Sizilien

Textgröße: A A A

Sizilien, die größte Insel des Mittelmeeres, lag in der Antike im Zentrum verschiedener Einflussgebiete: Aus dem Osten fanden griechische Kolonisten den Weg nach Sizilien, Karthago nutzte die Insel als Stützpunkt seiner Handelsbeziehungen und für Rom war Sizilien der erste Schritt zur Vorherrschaft im gesamten Mittelmeer. Entsprechend dieser Gemengelage empfing Sizilien zahlreiche verschiedene kulturelle Einflüsse, geriet aber auch in ebenso zahlreiche Konflikte.

Eine Überblicksdarstellung dieser ereignisreichen Geschichte Siziliens in der Antike haben vor Martin Dreher natürlich schon andere zusammengestellt. Zwei Herausforderungen hat sich Dreher allerdings dabei gestellt: Erstens eine aktuelle Darstellung in deutscher Sprache. Die letzte deutschsprachige und mittlerweile bereits 30 Jahre alte 'Geschichte Siziliens' ist eine Übersetzung des nochmals 10 Jahre älteren Originals von Finley [1] und die aktuelle, vor allem auch archäologische Forschung über Sizilien ist naturgemäß stark in italienischer Hand [2]. Zweitens hat sich Dreher der Aufgabe gestellt, diesen gut 1500 Jahre währenden Zeitraum Siziliens auf knapp 120 Seiten abzuhandeln.

Bei der vorgegeben Kürze sind Auslassungen nicht zu vermeiden. Die Zeit der griechischen Einflussnahme auf Sizilien und darin berechtigterweise die Rolle Syrakus' überwiegt deutlich gegenüber der Periode der römischen Herrschaft, was zu einem Teil sicherlich dem Forschungsschwerpunkt des Autors geschuldet ist, vor allem aber der geschichtlichen Entwicklung entspricht: Nachdem im Laufe der Zeit alle Gebiete um das Mittelmeer und damit um Sizilien herum unter römische Herrschaft geraten sind, stand Sizilien nicht mehr im Schnittpunkt verschiedener Einflusssphären, es wurde eine lange friedliche Zeit für die Insel. Der Christianisierung Siziliens einen eigenen Abschnitt (105-109) zu widmen, ist angesichts der nicht gerade großen Bedeutung etwas übertrieben, während der Ausblick in die byzantinische Zeit einen gelungenen Abschluss bildet.

Bei der Einordnung der weiteren Auslassungen kommt es ganz auf den Betrachtungswinkel des Lesers an. Er erfährt einiges über die griechische Kolonisation (11-20), über die sogenannten 'Tyrannenherrschaften' (21-35) oder kann im Abschnitt 'Die Welt des Statthalters Verres' (96-100) im Zweifelsfall wohlig in Erinnerungen an den Lateinunterricht schwelgen. Durch die Besprechung auch archäologischer Funde dient der Band hervorragend als historischer Hintergrund für den an der Antike interessierten Sizilien-Reisenden.

Den 'gemeinen' B.A.-Studierenden, die solch schnell zu lesenden Büchlein natürlich lieben, führen solche Bändchen hingegen auf die falsche Fährte. Es entsteht der Eindruck, dass sich ein derartiger Zeitabschnitt tatsächlich in der vorgelegten Kürze umfassend behandeln lässt. Ausgelassen wurde z.B. der nicht unbedeutende Herrschaftsbereich der Karthager auf Sizilien, die nur bei Konflikten mit den griechischen Städten in Erscheinung treten. Ebenso knapp und in Bezug auf die Bedeutung für Hieron II. von Syrakus wird speziell der 1. Punische Krieg behandelt. Zumindest der zweite Aspekt wird im Parallelbändchen der Reihe "Kartgaho" von Werner Huß etwas ausführlicher behandelt. [3] Hier zeigt sich eine weitere Problematik der Reihe: Mittlerweile gibt es zu vielen zeitlich oder inhaltlich ähnlich umfassenden Beck-Bändchen 'Ergänzungsbände', die dann einzelne Aspekte zu Recht genauer betrachten. Sollte ein Student tatsächlich auf die Idee kommen, mehrere sich ergänzende Bände zu lesen, ist ihm nicht unbedingt geholfen. Da die Bände nicht minutiös aufeinander abgestimmt sind, kommt es zu thematischen Wiederholungen.

Als Fazit bleibt, dass solch umfangreiche Themen in diesem Rahmen nicht wirklich angemessen dargestellt werden können: Auf antike Zeugnisse kann so gut wie nicht mehr eingegangen werden, die Quellenhinweise am Ende wiegen dies nicht auf. Welche vorzügliche Arbeit Dreher dennoch geleistet hat, wird erst dem offensichtlich, der sich umfassender in das Thema eingearbeitet hat.


Anmerkungen:

[1] M. I. Finley: Das antike Sizilien: von der Vorgeschichte bis zur arabischen Eroberung, München 1979; Original: A history of Sicily: 1. Ancient Sicily to the Arab conquest, London 1968.

[2] Z.B. die Zeitschriften Kokalos und Sicilia antiqva, die fast ausschließlich italienische Beiträge publiziert.

[3] Werner Huß: Karthago, München 42008.

Stefan Priwitzer-Greiner