Rezension über:

Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert (Hgg.): Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein (= Geschichtliche Landeskunde; Bd. 67), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, 320 S., ISBN 978-3-515-09165-7, EUR 46,00
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Rezension von:
Johannes Mötsch
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen
Redaktionelle Betreuung:
Christine Reinle
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Mötsch: Rezension von: Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert (Hgg.): Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 2 [15.02.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/02/17161.html


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Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert (Hgg.): Wege zum Heil

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Der Band enthält die Referate einer Tagung vom Juli 2007 in Mainz. Deren Ziel war ein Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher Fachperspektiven, gleichzeitig eine Darstellung der Fortschritte seit der Ausstellung "Wallfahrt kennt keine Grenzen" (1984).

Bernhard Schneider, Wallfahrten und Wallfahrts-Prozessionen im frühneuzeitlichen Erzbistum Trier, stützt sich vor allem auf die Auswertung der Visitationsakten und Generalvikariatsprotokolle. Ein Verzeichnis der einschlägigen Orte bietet Angaben zum Typ der Wallfahrt, zum Alter und zu weiteren Informationen. Deutlich wird ein Übergewicht der Marienwallfahrten. In Fallstudien werden Trier / St. Matthias, Luxemburg, Klausen und Auw / Kyll vorgestellt. Aus der Sicht des Rezensenten wäre es sinnvoll, jeweils auch die territoriale Zugehörigkeit mit anzugeben. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen, dass gerade die Inhaber kleinerer Territorien Wert darauf legten, einen Wallfahrtsort im Lande zu haben, um die Leute (und deren Spenden) im eigenen Territorium zu halten.

Wolfgang Schmid, Bildpublizistik und katholische Reform. Die Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt von 1655 als Medienereignis, stellt Kupferstiche vor, die von Kölner Verlegern zu der 1655 stattfindenden Weisung des Heiligen Rockes gedruckt worden sind. Sie zeigen ein "Reliquienregal", gleichsam eine virtuelle Domschatzführung, darunter auch Stücke, die 1792 eingeschmolzen wurden. Diese und weitere, ebenfalls aus Köln stammende Drucke gehören zur Selbstdarstellung der Kirche im Zeitalter der katholischen Reform.

Thomas Wetzstein, "Ad informationem apostolicae sedis". Die Verehrung des Werner von Oberwesel und die Kultuntersuchung von 1426, beschreibt Informationen, die man sammelte, um befürchtete Eingriffe abzuwehren, nachdem sich Papst Martin V. 1422 gegen aus Ritualmordvorwürfen entstandene Kulte gewandt hatte. Die Verehrung des 1287 angeblich von Juden ermordeten Werner in Bacharach hatte einen schnellen Aufschwung genommen, bis 1338 die Baukasse beschlagnahmt worden war. 1426 begann eine erneute Förderung durch den Landesherrn; danach gewann die Wallfahrt schnell an Reichweite.

Hartmut Kühne und Jörg Poettgen, Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der Diözese Trier: Kurzkatalog und Befunde, stellen zunächst die Pilgerzeichen als Forschungsgegenstand vor. Vermutlich sind mehrere Millionen produziert worden, höchstens 10.000 sind erhalten geblieben. Vorgestellt werden Stücke aus der Diözese Trier, einsetzend mit dem 13. Jahrhundert im Kloster St. Eucharius / St. Matthias, gefolgt von den 1513 einsetzenden Heilig-Rock-Medaillen. Durch die Verteilung dieser Stücke wird der Einzugsbereich der Trierer Wallfahrten deutlich. Neben den genannten Pilgerzeichen werden einzelne Stücke aus Eberhardsklausen, Bacharach (Werner), Hausenborn, St. Goar und Hadamar vorgestellt.

Sabine Reichert, Miracula Sancti Ludgeri. Eine Neubewertung der hochmittelalterlichen Ludgerusverehrung im Bistum Münster, untersucht den Kult des Bistumsgründers in seiner Bischofsstadt. Einem in der dortigen Ludgerikirche aufbewahrten Reliquienkreuz werden in einem aus dem 12. Jahrhundert stammenden Text 16 Mirakel, meist Krankenheilungen, zugeschrieben. Die Leidtragenden, zu deren Gunsten der Heilige tätig wurde, stammen meist aus der Region oder dem nördlich angrenzenden Raum. Der wohl im bischöflichen Auftrag erstellte Text erweist sich als Instrument stadt- und landesherrlicher Absichten.

Matthias Müller, Similitudo Mariae. Die bildhafte Ausgestaltung der Marburger Elisabethkirche zum locus sanctus der Marien- und Elisabethverehrung, schildert den Hintergrund der Eingliederung eines locus sanctus aus der Lebenszeit der Heiligen in den neuen locus sanctus Elisabethkirche. Der Unterstreichung der similitudo Mariae dieser Heiligen dienen auch das so genannte Elisabethfenster (um 1240), der Schrein (1249 vollendet) und ein wohl 1357 gestiftetes Relief.

Michel Pauly, Pilgerverkehr und Hospize, untersucht die Standorte der zunächst bei Abteien, Prioraten und Klöstern entstandenen Hospitäler, die auch in den Städten meist bei den suburbanen Klöstern liegen und der Unterbringung von Pilgern dienen. Beispielhaft wird - auch mit einer Karte - die Lage der Pilgerherbergen auf dem Weg nach Aachen diskutiert. Abschließend werden kurz das Entstehen neuer Wallfahrtorte mit entsprechenden Unterkunftsmöglichkeiten am Ende des Mittelalters und Hospitäler für Santiago-Pilger vorgestellt.

Peter Rückert, Der spätmittelalterliche Pilgerverkehr am und auf dem Oberrhein - Wege und Zeichen, beschreibt den Fluss als Verkehrsweg für die Pilger und die sich daraus ergebenden Auswirkungen. Die Fahrt per Schiff war die bequemste Möglichkeit des Reisens. Anhand der Beispiele des Dominikaners Felix Fabri, Verfasser eines gedruckten Wallfahrtsführers, und des Markgrafen Bernhard von Baden (gest. 1431) werden "imaginäre Pilgerfahrten" vorgestellt.

Gritje Harmann, Gelehrte Kleriker auf Fernreise: die Jerusalempilger Wilhelm Tzewers und Pietro Casola, untersucht zwei aus den Jahren 1477/78 bzw. 1494 stammende Reiseberichte. Diese sind unterschiedlich strukturiert, der Anteil eigener Erfahrungen ist verschieden. Die aus der Bibel und aus anderen Texten gewonnenen Erwartungen entsprechen nicht der vorgefundenen Realität. Aus welchen Quellen diese Erwartungen entstanden sind, bleibt noch zu erforschen.

Maria Pia Alberzoni, Norditalienische Pilgerhospize im 12. und 13. Jahrhundert, ermittelt, dass in der Poebene, einem Durchreisegebiet, zunächst die Klöster als Stützpunkte der Reisenden dienten, bis dann eine "Revolution der Barmherzigkeit" zur Gründung von Hospizen führte - anfangs vielfach auf Initiative von Laien. Erläutert wird diese Entwicklung an zwei Beispielen, die zeigen, dass in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der kirchlichen Obrigkeit für derartige Neugründungen erheblich zugenommen hat.

Mario Marrocchi, Pilger, heilige Orte und Pilgerwege in der mittelalterlichen Toskana. Mit besonderer Berücksichtigung des Monte Amiata, weist bei der Darstellung der Forschungslage zunächst kurz auf das Projekt "Censimento dei santuari cristiani in Italia ..." hin. Die Entstehung von Wallfahrtsorten ist oft von Konflikten zwischen der Volkskultur und der Amtskirche als reglementierender Institution geprägt. Dabei spielten auch Momente der Kommerzialisierung (Ablässe, Heiligsprechungen) eine Rolle. Durch das untersuchte Gebiet führte die Via Francigena, an der sich in fast regelmäßigen Abständen (etwa alle 30 km) Klöster oder Herbergen befanden. Anhand des Beispiels Monte Amiata wird die Entstehung einer - möglicherweise auf vorchristliche Traditionen beruhenden - Wallfahrtslandschaft geschildert.

Zusammenfassend ist festzustellen: Der Nachweis, dass die Beschäftigung mit dem Thema "Wallfahrt" auch Antworten zu einer Fülle von historischen und kunsthistorischen Fragestellungen bietet, ist eindrucksvoll erbracht.

Johannes Mötsch