Rezension über:

Sven Günther: "Vectigalia nervos esse rei publicae". Die indirekten Steuern in der Römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian (= Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen; 26), Wiesbaden: Harrassowitz 2008, IX + 197 S., ISBN 978-3-447-05845-2, EUR 48,00
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Rezension von:
Peter Herz
Institut für Geschichte, Universität Regensburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Peter Herz: Rezension von: Sven Günther: "Vectigalia nervos esse rei publicae". Die indirekten Steuern in der Römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian, Wiesbaden: Harrassowitz 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 10 [15.10.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/10/15294.html


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Sven Günther: "Vectigalia nervos esse rei publicae"

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Das Zahlen von Steuern, egal ob es direkte oder indirekte waren, war zu allen Zeiten eine Frage, die nicht nur den Wissenschaftler, sondern auch das breite Publikum interessierte.

In seiner gediegenen Einleitung (1-21) liefert Günther nicht nur eine solide Einführung in die bisherige Diskussion zur Erhebung indirekter Steuern während der römischen Kaiserzeit, sondern auch zur Art und vor allem den Informationsmöglichkeiten der unterschiedlichen Quellengattungen (literarische und juristische Quellen, Inschriften, Papyri, numismatische Quellen, mit einer gewissen Abstufung auch archäologische Zeugnisse), aus denen er seine Ergebnisse schöpfte.

Den größten Teil des Buches nehmen die Untersuchungen zur 5-% Erbschaftssteuer (vicesima hereditatium) (23-94) ein, die unter Augustus vor allem zur Finanzierung der neuen Militärkasse (aerarium militare) eingeführt worden war. Dies dürfte nicht nur der Menge des uns noch vorliegenden Quellenmaterials entsprechen, sondern auch dem finanziellen Beitrag, den diese Steuer zum römischen Staatshaushalt und vor allem zur Abdeckung der Folgelasten des römischen Militärs leistete.

Günther bietet hierzu eine sehr abgewogene und eng an den Quellen gearbeitete Untersuchung, die vor allem durch die gewissenhafte Auswertung der juristischen Quellen beeindruckt. Dabei kann er ein in seinen Grundzügen sicherlich stimmiges Bild einer Steuerverwaltung erstellen, die parallel zur 'normalen' Fiskalverwaltung existierte und sich mit unterschiedlicher Intensität über das gesamte Imperium Romanum ausdehnte. Gut gelungen ist auch die Einbindung dieser Steuer in die Gesamtgeschichte des römischen Finanzwesens.

Ein Gedanke am Rande. Der Rezensent stimmt zwar dem Autor grundsätzlich zu, wenn er für die Angehörigen des ordo senatorius Rom als Erstwohnsitz vermutet, wo demnach auch die Erbschaftssteuer anfiel. Allein die Methode, den steuerpflichtigen Besitz, der sich ja prinzipiell über das gesamte Imperium verteilen und auch aus recht unterschiedlichen Dingen (Sklaven, Immobilien, Bargeld, geldwerte Rechte [hier könnte man an die operae libertorum denken]) bestehen konnte, genau zu erfassen, bleibt immer noch recht undurchsichtig. Auf jeden Fall setzt dies einen Grad der Schriftlichkeit voraus, der durchaus mit modernen Zeiten vergleichbar ist. Vielleicht entschließt sich der Autor einmal dazu, über diese sicherlich spannende Sache etwas nachzudenken.

Während die Erbschaftssteuer eindeutig ein Kind des Augustus war, entstand die Freilassungssteuer (vicesima libertatis) (95-126) bereits in den Tagen der frühen Republik. Gründe und Umstände ihrer Einführung müssen allerdings bei der wenig befriedigenden Quellensituation als nicht besonders gesichert eingestuft werden. Ebenso vage muss bleiben, welche konkreten Erträge man aus dieser Steuer gewinnen konnte. Handfestere Nachrichten haben wir für die kaiserzeitliche Erhebung, die zunächst durch Privatleute (publicani) vorgenommen wurde. In welchem Umfang und vor allem seit wann die kaiserliche Fiskalverwaltung hier einbezogen war, bleibt noch ungeklärt, wenn man sich nicht mit der globalen Feststellung 'im Verlauf des 2. Jh.' zufriedengeben möchte.

Im Vergleich zu den beiden anderen Steuern gehören die Verkaufssteuer (centesima rerum venalium) (127-147) und die Sklavenverkaufssteuer (quinta et vicesima venalium mancipiorum) (149-154) zu den schwächer dokumentierten Abgaben. Auch sie sind ein Resultat der prekären Finanzsituation, in der sich Augustus in der letzten Phase seiner Herrschaft befand. Die Einführung der Verkaufssteuer wegen Tac. ann. 1,78,2 (post bella civilia) in die Zeit unmittelbar nach 27 v. Chr. zu datieren (so G. 127), erscheint nicht gerechtfertigt. Der Verweis auf die Bürgerkriege erfolgt wohl eher, weil diese Abgabe in den Augen des Tacitus mit den unbeliebten Sonderabgaben dieser Periode vergleichbar war. Auf was sie konkret erhoben wurde, bleibt letztendlich unklar (so G. 140).

Unter dem Sammelbegriff der kleineren Steuern (155-161) findet sich schließlich vor allem eine Diskussion der laut Suet. Cal. 40f. und Dio 59,28,2 von Caligula eingeführten vectigalia nova atque inaudita. Die Charakteristik inaudita betrifft allerdings vor allem die Sicht der in Italien lebenden Römer, die ja lange Zeit in einem Steuerparadies leben durften, denn außerhalb Italiens lassen sich ausreichend Nachweise für die Erhebung vergleichbarer Abgaben finden. Bei Cassius Dio und auch Sueton sollte man vielleicht etwas mehr die polemische Grundhaltung dieser Autoren gegenüber Caligula berücksichtigen (Tyrannen-Topik).

Die Bibliographie (169-183) ist ausführlich und sauber erstellt, obwohl nicht alle in den Fußnoten erwähnten Arbeiten hier aufgenommen wurden. Das Stellenregister (185-197) ist übersichtlich, ein Sach- oder Personenregister fehlt leider.

Der besondere handwerkliche Wert der Arbeit liegt in der sehr sorgfältigen und zurückhaltenden Interpretation der einschlägigen Quellen. Günther ist gut über den Diskussionsstand der Forschung informiert und unterscheidet auch stets sehr genau, was gesichertes Wissen und was möglicherweise nur Spekulation ist. Dies ist eine im Prinzip begrüßenswerte Einstellung, obwohl man manchmal durchaus im Sinne von Karl Popper zu Modellen greifen sollte, die einen Ansatzpunkt für eine sich anschließende und dann hoffentlich weiterführende Diskussion liefern können.

Alles in allem eine erfreuliche Arbeit.

Peter Herz