Rezension über:

Maciej Łagiewski / Piotr Oszczanowski / Jan J. Trzynadlowski (eds.): Der Breslauer Schatz aus Bremen. Städtisches Museum Breslau, Wrocław: Muzeum Miejskie Wrocławia 2008, 378 S., ISBN 978-83-89551-51-1
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Rezension von:
Corinna Rönnau
München
Redaktionelle Betreuung:
Michaela Braesel
Empfohlene Zitierweise:
Corinna Rönnau: Rezension von: Maciej Łagiewski / Piotr Oszczanowski / Jan J. Trzynadlowski (eds.): Der Breslauer Schatz aus Bremen. Städtisches Museum Breslau, Wrocław: Muzeum Miejskie Wrocławia 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 9 [15.09.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/09/16872.html


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Maciej Łagiewski / Piotr Oszczanowski / Jan J. Trzynadlowski (eds.): Der Breslauer Schatz aus Bremen

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Der 2007 erschienene Museumskatalog "Wrocławski skarb z Bremy" des Städtischen Museums Breslau liegt ein Jahr später in deutscher Übersetzung und erweiterter Fassung unter dem Titel "Der Breslauer Schatz aus Bremen" vor. Die Publikation präsentiert sich als Abschluss einer erfolgreichen länderübergreifenden Zusammenarbeit von Kunsthandel, Museum, Medien und Öffentlichkeit. Seit den 1980er-Jahren begannen die Inhaber der Galerie Neuse mit dem Aufbau einer Sammlung historischen kirchlichen und weltlichen Silbergerätes der schlesischen Kunstlandschaft, vorrangig Breslauer Werke des 16. bis 19. Jahrhunderts, die entsprechend der historischen Bedeutung der Stadt im Wirtschaftsgeflecht zwischen Ost und West einen besonderen Stellenwert einnehmen. Ein Erstkaufsangebot der Galerie für diese auf rund 50 Werke angewachsene Sammlung an das Städtische Museum Breslau stieß auf großes Interesse. Während des Zweiten Weltkrieges sind sehr viele bedeutende Kunstschätze der Region trotz Auslagerung mancher Museumsbestände durch Zerstörung, Raub oder Plünderung verlorengegangen. Somit kam die Sammeltätigkeit der polnischen Museen in Breslau nach 1945 einem Neubeginn gleich.

Die vom Städtischen Museum Breslau seit 1966 zusammengetragenen Goldschmiedeobjekte datieren vom Ende des 15. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, sind jedoch in ihrer künstlerischen Bedeutung nicht homogen. Zudem haben sich Werke zur profanen Verwendung in weit geringerer Anzahl erhalten als vasa sacra. Möglicherweise entsprach das der Auftragsstatistik. Heute finden sich nur wenige Arbeiten weltlichen Charakters aus Breslauer Goldschmiedewerkstätten in den Sammlungsbeständen der polnischen Museen - so etwa im Nationalmuseum Warschau. Somit bildete das Angebot der Galerie Neuse aufgrund des hohen Anteils an Kunstwerken zur profanen Verwendung für das Städtische Museum Breslau eine reizvolle Möglichkeit der Sammlungserweiterung.

Auf die mehrteilige Einführung des Museumskatalogs folgt das Kapitel "Breslauer Goldschmiedekunst - Sammlungen und Künstler". Hierin skizziert Maciej Łagiewski die ungewöhnliche Erwerbungsgeschichte des Breslauer Schatzes durch das Städtische Museum. Informationen zur Entwicklung der Goldschmiedekunst-Sammlungen in Breslau gibt der Überblick Jan J. Trzynadlowskis. Mit dem Beitrag Piotr Oszczanowskis "Die Breslauer Goldschmiede - eine Elite in der Stadt der Frühen Neuzeit" erhält der Leser nach aktuellem Forschungsstand einen reich bebilderten und umfassenden Einblick in die Geschichte des Breslauer Goldschmiedehandwerks von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Bedeutenden Goldschmieden der Zunft werden biografische Daten und herausragende Werke beigefügt. Zudem wird auf die notwendige Bearbeitung von Forschungslücken - wie z.B. zur Geschichte des Breslauer Goldschmiedehandwerks im Barock und Rokoko und die in polnischen und ausländischen Sammlungen erhaltenen Werke - hingewiesen.

Den größten Umfang der Publikation nimmt der eigentliche Katalogteil ein. Präsentiert werden 33 Objekte Breslauer Goldschmiedekunst sowie ein in Liegnitz und ein in Ohlau gefertigtes Werk. Piotr Oszczanowski zeichnet hierbei für den Abschnitt "Die Goldschmiedekunst des Manierismus und des Frühbarock (ca. 1580-1660)" verantwortlich. "Die Goldschmiedekunst des Barock und des Rokoko (ca. 1680-1790)" sowie "Die Goldschmiedekunst des Klassizismus und des Historismus (1790-1850)" hat Jan J. Trzynadlowski bearbeitet - unter der redaktionellen Mitarbeit an den Katalogtexten von Izabela Towarnicka. Bei den gemäß Objektdatierung chronologisch geordneten Einträgen folgen nach Angabe von Katalognummer und Objektbestimmung Autor, Ort und Zeit der Entstehung, Herstellungs- und Ziertechnik, Maße, Form und Platzierung der Marken, Geschichte des Objekts, Inventarnummer sowie Literatur. Nach einem dem Eintrag vorangestellten Farbfoto des Kunstwerks schließen sich der ausführlichen Objektbeschreibung Detailaufnahmen an. Auch das Bildmaterial zu Vergleichsstücken und Vorlagen im Rahmen der Besprechung des Objekts ist reichhaltig.

In dem ebenso gegliederten, wiederum von Trzynadlowski und Towarnicka verfassten Anhang, der die Katalogzählung fortführt, finden sich zwei Angebote der Galerie Neuse - bestehend aus weiteren bedeutenden Arbeiten Breslauer und schlesischer Goldschmiedekunst der Jahre um 1675 bis 1750. Mit deren Erwerbung könnte das Städtische Museum seine Sammlung im oben genannten Sinne erneut erweitern. Das erste, nach Ankauf des Bremer Schatzes unterbreitete Angebot aus dem Jahr 2006 umfasst fünf Positionen. Im Jahr 2007 kamen sechs weitere hinzu. Bei allen Objekten handelt es sich bei Drucklegung des Katalogs um Leihgaben der Galerie Neuse an das Städtische Museum Breslau.

Der Katalog verfügt über keinerlei Register, wie z.B. zu den in den Aufsätzen genannten Personen und Orten. Ein zusammenfassendes Verzeichnis der verwendeten Literatur ist nicht vorhanden, diese muss den Anmerkungen der jeweiligen Artikel entnommen werden.

Das nach Katalognummern geordnete Abbildungsverzeichnis der "Meisterzeichen, Beschaumarken und Stempelmeisterbuchstaben", unter Angabe der Jahreszahlen für Meisterwerdung und Tod, sowie ein Abbildungsnachweis beschließen die Publikation. Bei den Markenabbildungen fehlt neben fototechnischen Angaben der Hinweis auf den verwendeten Maßstab für einen objektiven Vergleich (vgl. Marken der von dem Goldschmied Johann Klinge unter den Katalognummern XIV bis XVI verzeichneten Objekte). In der polnischen Originalausgabe sind lediglich die Meisterzeichen wiedergegeben, Beschauzeichen sowie Stempelmeisterbuchstaben fehlen.

Wie wichtig im Rahmen der Markenforschung die perfekte Abbildung der Marken ist, zeigen die Vergleiche der zeitgenössischen Aufnahmen mit früheren Umzeichnungen der Punzen zweier Objekte in dem von Bernhard Heitmann erstellten Silber-Katalog der Galerie Neuse von 1994 - so beispielsweise bei dem von Christian Winkler (Meister 1690-1706) ca. 1700 gefertigten Deckelbecher mit Medaillen auf die Siege in den Türkenkriegen (Kat.-Nr. XI; Neuse 1994, 27-28).

Neben der hohen künstlerischen Qualität und der Erweiterung des Bestandes profaner Werke konnte mit den Neuerwerbungen gerade der Anteil an "älteren" Objekten vergrößert werden. Galt vor dem Ankauf eine von Hans Hartig im Stil des Manierismus gefertigte und auf etwa 1650 datierte Schale als ältestes mit einem Meisterzeichen versehenes Werk, ist dies jetzt ein frühmanieristischer Becherpokal. Der Kaiserpokal von Hans Strich d.Ä. (Meister 1582-1616, Kat.-Nr. I) war 1586 als Geschenk Kaiser Rudolfs II. von Habsburg durch den kaiserlichen Gesandten und Reichshofrat Joachim von Berge an das Brautpaar Georg von Dyhrrns und Barbara Braun von Schönau überreicht worden.

Singulären Charakter verdankt die Erwerbungsgeschichte des Breslauer Schatzes unter anderem dem Umstand, dass die Hälfte der erforderlichen Summe - insgesamt 1,35 Millionen - von den Einwohnern der Stadt aufgebracht wurde, da der Preis der Objekte die finanziellen Mittel des Museums bei weitem überstieg. Seit dem 20. Mai 2006 wird der sogenannte Breslauer Schatz aus Bremen in der ehemaligen Schatzkammer des Breslauer Rathauses als Dauerausstellung öffentlich gezeigt.

Corinna Rönnau