Rezension über:

Elke Stein-Hölkeskamp: Das Römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München: C.H.Beck 2005, 364 S., 18 Abb., 4 Karten, ISBN 978-3-406-52890-3, EUR 29,90
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Stefan Priwitzer-Greiner
Seminar für Alte Geschichte, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Priwitzer-Greiner: Rezension von: Elke Stein-Hölkeskamp: Das Römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München: C.H.Beck 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/9445.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Elke Stein-Hölkeskamp: Das Römische Gastmahl

Textgröße: A A A

Der Beck-Verlag ist für seine ansprechenden populärwissenschaftlichen Bücher zur Antike bekannt. Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass dort auch ein Band zur Alltags- bzw. Geselligkeitskultur von Essen und Trinken im antiken Rom erscheint. Dem Anspruch des Verlages entsprechend gibt es ein Glossar (350-352) und ein kommentiertes Personenregister (353-364). Aber der reine Quellenangaben übersteigende Anmerkungsteil (279-327) und das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis (328-348) lassen schon vermuten, dass es sich nicht um ein "Auftragswerk" handelt. Im Vorwort verrät Stein-Hölkeskamp denn auch, dass der Ursprung des Manuskripts bis in die 80er Jahre zurückreicht und dass es in Essen als Habilitationsschrift angenommen wurde.

Dem Thema des Buches entsprechend kann man die Kapiteleinteilung als großes Menü verstehen: 6 Gänge und zuletzt ein café, eingerahmt von einem Blick in die Speisekarte und der Rechnung.

Der Blick in die Speisekarte ('Um- und Vorschau: Medien und Methoden: Die Texte und ihre Interpretation', 11-21) klärt über die Quellenlage und
-problematik auf. Zeitlich beschränkt sich Stein-Hölkeskamp von der Phase der späten Republik, speziell vertreten durch Cicero, bis zu Traian, wobei für die Kaiserzeit neben den literarischen Quellen das Augenmerk vor allem auf den Dichtern liegt.

Es folgen die ersten zwei Gänge des Menüs, die nicht mehr als Appetithäppchen darstellen: 'Alltag und Festtag: Die Allgegenwart des Gastmahls' (25-28) und 'Die Einladungen: Spontaneität und Reziprozität' (29-33).

Bei den folgenden vier Gängen sind die Teller üppiger gefüllt. Zunächst werden 'Die Teilnehmer: Homogenität und Hierarchie' (34-111) gereicht. Nach kurzen Ausführungen über die Teilnehmerzahl werden Cicero und die römischen Kaiser von Augustus bis Traian im Zusammenhang mit Gastmählern vorgestellt, wobei gerade bei den Kaisern dieser Zeit aufgrund der schwierigen Beurteilung einiger Kaiser wie Tiberius, Caligula, Nero und Domitian nicht alle Interpretationen berücksichtigt werden konnten. Auch bei Traian greift die Deutung einer Episode von Cassius Dio etwas kurz: Dio berichtet, dass, wenn es Gerüchte um die Treue des L. Licinius Sura gegenüber dem Kaiser gegeben habe, Traian unangemeldet bei diesem zum Essen erschienen sei. Nicht zu bestreiten ist sicherlich die Schlussfolgerung Stein-Hölkeskamps: "Durch diesen demonstrativen Verweis auf die Tischgemeinschaft mit Sura zeigte Trajan nicht nur seine persönliche Wertschätzung, sondern er macht darüber hinaus unmissverständlich klar, welchen Rang jener einnahm und auch in Zukunft einnehmen sollte" (54). Allerdings zielt Dio eher auf etwas anderes ab. Traian lässt sich auch vom Barbier Suras rasieren und erklärt dann den Verleumdern des Sura: "Wenn Sura den Wunsch hätte, mich umzubringen, gestern hätte er mich umbringen können." [1] Und in Bezug auf Claudius klingt es zu positiv, wenn Stein-Hölkeskamp behauptet: "Er setzte als selbstverständlich voraus, daß die Senatoren bei solchen Anlässen nicht allein erschienen, und fragte gegebenenfalls sogar nach, warum die Gemahlin denn verhindert sei." (77) Tacitus will mit dieser Episode die Unwissenheit des Claudius um die Vorgänge am Hof hinter seinem Rücken demonstrieren und lässt daher Claudius den Gatten einer Frau, die Messalina in den Selbstmord getrieben hatte, fragen, warum er denn ohne seine Frau gekommen sei.

Als weitere Teilnehmer eines Gastmahls werden explizit die Dichter Catull, Horaz, Petronius und Martial, des Weiteren allgemein Frauen vorgestellt, sowie der Unterschied zwischen jung und alt bzw. arm und reich untersucht.

Die beiden folgenden Kapitel erscheinen im Vergleich dazu etwas fad. Wird in der Einleitung von der Autorin beklagt, dass die Forschung "über eine antiquarische Erfassung der einschlägigen Informationen in den literarischen Zeugnissen bislang kaum hinausgekommen" (13) sei, bietet sie selbst in Bezug auf Speiseräume, deren Ausstattung und Geschirr ('Das Gastmahl in Raum und Zeit', 112-162) und den 'kulinarischen Kosmos' (163-219) überwiegend nicht viel anderes. Vor allem letzteres verkommt etwas zum - Appetit anregenden - Rezeptbuch, dem nur noch die Mengenangaben zum Nachkochen fehlen, und zu einer Lebensmittel-Warenkunde. In beiden Kapiteln wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Kritik der antiken Autoren an übertriebenem Luxus gelegt.

Zum Dessert schließt sich zum Teil der Kreis wieder, wenn nun im Rahmen der Unterhaltung bei Tisch (220-252) auch die Werke der Dichter erscheinen, aus denen wir heute Informationen über die Gastmähler selbst herausfiltern können. Kurz wie ein Espresso ist dann das Kapitel zum zeitlichen Ende des Gastmahls: 'Heimkehr beim ersten Hahnenschrei' (253-258). Die Rechnung des Mahls bekommen wir dann in der 'Rück- und Umschau' (261-271) präsentiert.

Stein-Hölkeskamp bietet einen wunderbaren Überblick zum Thema Gastmahl, der auf der Zunge zergeht und bei dem die antiken Autoren erfreulicherweise häufig selbst zu Wort kommen. Das Buch bekommt immer dann die richtige Würze, wenn Stein-Hölkeskamp der Frage nachgeht, wie die Überlieferungen, speziell die der Dichter, zu interpretieren sind, wenn sie Regeln beim Gastmahl und deren Ausnahmen, Kritik antiker Autoren sowie Entwicklungen zwischen Republik und Kaiserzeit untersucht. [2] Dem stehen die Passagen gegenüber, in denen aus vielen Zutaten ein schmackhafter und sättigender Eintopf bereitet wurde. Den Gaumen des Rezensenten hätten hier weniger, dafür ausgewählte Zutaten, die zu einem raffinierten Gericht verarbeiten werden, mehr erfreut.


Anmerkungen:

[1] Cass. Dio 68, 15, 6 [Xiph.] (Übers. Veh). Möglich wäre auch noch eine Anspielung auf eine durchführbar gewesene Vergiftung des Kaisers beim Essen.

[2] Vgl. allerdings die Einschränkungen, die W. Tietz, Gymnasium 113 (2006), 565-566, in seiner Rezension anmerkt.

Stefan Priwitzer-Greiner