Rezension über:

Rachel Carson: Der stumme Frühling. Der Öko-Klassiker mit einem Vorwort von Joachim Radkau. Aus dem Amerikanischen von Margaret Auer (= Beck'sche Reihe; 144), München: C.H.Beck 2007, 348 S., ISBN 978-3-406-54760-7, EUR 12,90
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Rezension von:
Patrick Kupper
Institut für Geschichte, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Patrick Kupper: Rezension von: Rachel Carson: Der stumme Frühling. Der Öko-Klassiker mit einem Vorwort von Joachim Radkau. Aus dem Amerikanischen von Margaret Auer, München: C.H.Beck 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/12449.html


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Rachel Carson: Der stumme Frühling

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Rechtzeitig zum 100. Geburtstag von Rachel Carson hat der C. H. Beck Verlag ihr 1962 erschienenes Buch "Der stumme Frühling" neu aufgelegt. "Silent Spring", wie der Titel im Original heißt, machte die amerikanische Biologin, die 1964, nur zwei Jahre nach der Publikation, an Krebs starb, zur Pionierin der amerikanischen Umweltbewegung und damit auch zu einer wichtigen Referenz auf globaler Ebene. Das Buch, das in den USA auf Anhieb ein Bestseller wurde, ist eine raffiniert aufgebaute Anklage gegen den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien. Indem Carson ihr Buch in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt, dem heilen amerikanischen Heartland, starten lässt, in der die Stimmen des Frühlings, die Vögel, aber auch die Insekten und andere Lebewesen, verstummt sind, erzeugt sie Betroffenheit. In den folgenden Kapiteln verwebt Carson gekonnt statistische Angaben, Fallbeispiele und Aussagen von Experten und Betroffenen zu einem eindringlichen Narrativ. Sie knüpft an die Diskussion um die radioaktiven Risiken durch die Atomwaffenversuche an, verbindet Umwelt- und Gesundheitsfragen und wechselt immer wieder den räumlichen Maßstab, pendelt zwischen der globalen Ebene und lokalen Ausprägungen. Dabei übt Carson deutliche Kritik an Industrie, Staat und Wissenschaft und plädiert für einen vorsichtigeren, rücksichtsvolleren und besser informierten Umgang mit Chemikalien, ohne deren Einsatz grundsätzlich abzulehnen.

Carsons Buch ist in den USA bis heute umstritten und findet weiterhin eine enorme Beachtung. Eine kurze Stichprobe bei Google unterstreicht dies: Die Abfrage "Silent Spring" bringt es auf 817.000 Treffer, die Abfrage "Rachel Carson" generiert über eine Million Hits, die Kombination beider Begriffspaare immer noch 480.000. "Dennis Meadows" bringt es im Vergleich gerade mal auf 73.000 Treffer, "Limits to Growth", der Titel von Meadows' Club of Rome Bestseller von 1972, landet 454.000 Treffer (Abfragen vom 12.06.2007 jeweils mit der genauen Wortgruppe). In den USA schlägt sich das "Rachel Carson Centennial" in einer ganzen Reihe von Neuerscheinungen und Festivitäten nieder. Im Rachel Carson Online Book Club werden über das Jahr hinweg die Bücher der Autorin in einem Blog diskutiert. [1]

"Silent Spring" ist zweifellos bis zu einem gewissen Grade eine amerikanische Angelegenheit. Außerhalb der USA stieß Rachel Carson auf keine vergleichbare Rezeption. Obgleich bereits im Folgejahr eine deutsche Übersetzung erschien, wurde "Der Stumme Frühling" in Deutschland erst nach 1970 von breiteren Kreisen wahrgenommen. [2] Und auch heute dürfte der Titel im Gegensatz zu den USA nur wenigen Leuten ein Begriff sein. Beim Googlen bleibt "Der stumme Frühling" mit 12.900 Treffern jedenfalls weit hinter den "Grenzen des Wachstums" (140.000 Treffer) zurück.

Da es hier nicht darum gehen kann, eine Wirkungsgeschichte von "Silent Spring" zu entfalten, möchte ich mich auf einen Hinweis beschränken, in welchen Zusammenhängen eine solche Untersuchung von besonderem historischen Interesse sein könnte. Eine Verknüpfung mit der allgemeinen amerikanischen Geschichte auf der einen und der Geschichte der amerikanischen und weltweiten Umweltbewegung auf der anderen Seite liegen auf der Hand. Darüber hinaus dürften die Diskurse um Rachel Carson und ihre Thesen aber auch für die Wissenschafts- bzw. Wissensgeschichte sowie die Geschlechtergeschichte einen lohnenden Stoff abgeben.

Wer sich mit dem Buch befassen möchte, muss sich entscheiden, zu welcher Ausgabe er oder sie greifen will. Das amerikanische Original liegt in einer Neuauflage von 2002 vor, eingeführt durch die Carson-Biografin Linda Lear und mit einem Nachwort des Biologen Edward O. Wilson versehen. [3] Für die hier anzuzeigende Neuauflage auf Deutsch hat Joachim Radkau ein kurzes lesenswertes Vorwort beigesteuert. Ansonsten handelt es sich um die Übertragung, die Margaret Auer für die erste Auflage von 1963 besorgt hat.


Anmerkungen:

[1] S. hierzu URL: http://rcbookclub.blogspot.com/. Die Diskussion zu "Silent Spring" fand im April 2007 statt und wurde von Thomas Dunlap und Mark Madison moderiert. Ein Überblick über die Festivitäten sowie viele weiterführende Informationen und Links bietet die Centennial-Site des U. S. Fish and Wildlife Service, URL: http://www.fws.gov/rachelcarson/ (Rachel Carson war von 1936-1952 beim Service angestellt.).

[2] Die erste Auflage erschien 1963 bei Biederstein, München. Zur deutschen Rezeption siehe Kai F. Hünemörder: Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), Stuttgart 2004, 115; s. hierzu die Rezension von Patrick Kupper, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 9, URL: http://www.sehepunkte.de/2004/09/5704.html .

[3] Rachel Carson: Silent spring, Boston 2002.

Patrick Kupper