Rezension über:

Susanne Grötz / Ursula Quecke (Hgg.): Balnea. Architekturgeschichte des Bades, Marburg: Jonas Verlag 2006, 208 S., ISBN 978-3-89445-363-3, EUR 29,00
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Rezension von:
Vera Herzog
München
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Vera Herzog: Rezension von: Susanne Grötz / Ursula Quecke (Hgg.): Balnea. Architekturgeschichte des Bades, Marburg: Jonas Verlag 2006, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 10 [15.10.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/10/11394.html


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Susanne Grötz / Ursula Quecke (Hgg.): Balnea

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Ein eigener Gebäudetypus, wie man ihn bei Theater- und Opernhäuser findet, ist beim Bad nicht entstanden. "Die Bauaufgabe Bad musste verschiedensten gesellschaftlichen und therapeutischen Anforderungen genügen" (7). Eine "Architekturgeschichte des Bades" zu schreiben, ist daher ein umfassendes Vorhaben, besonders wenn man sich, wie der vorliegende Ausstellungskatalog, auf die Zeit vom Ende des 17. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts konzentriert. Für diesen Zeitraum ist eine signifikante Veränderung in den Hygienevorstellungen und eine zunehmende Beschäftigung mit der Bauaufgabe Bad aufzuzeigen. Das 18. Jahrhundert ist gekennzeichnet von der positiven Neubewertung des Elements Wasser und dessen vermehrter Anwendung in Form von Trinkkuren und Wannenbädern. Im 19. Jahrhundert wird durch Industrialisierung und Anwachsen der Städte eine Neuregelung der hygienischen Verhältnisse im städtischen Raum unabdingbar.

Die Autoren des Ausstellungskataloges "Balnea. Architekturgeschichte des Bades" verdeutlichen bereits im Vorwort, dass ihre Darstellung nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Ziel des kleinformatigen, reich illustrierten, zehn kurze Aufsätze umfassenden Buches ist es, die verschiedenen Facetten des Themas Bad aufzuschlagen. Der Begriff Bad wird dabei umgangssprachlich verstanden: als Bautyp in Form des öffentlichen Bads, Badepalastes oder Badpavillons; nach seiner Funktion als Wannen-, Brause oder Schwimmbad; innenarchitektonisch als Teil des barocken Appartements, aber auch als städtische Erscheinung, als Kur- und Seebad. Die Konzentration auf den deutschsprachigen Raum dient der Bündelung des Vorhabens, das sich an ein interessiertes Ausstellungspublikum wendet und nicht den Anspruch eines Forschungsbandes erhebt. Die Texte oszillieren zwischen kultur- und architekturhistorischen Betrachtungen, wobei letztere der Rezension als Anhaltspunkt dienen.

Für die Aufsätze zum 18. Jahrhundert ist eine lebendige Auseinandersetzung mit der vorliegenden Forschungsliteratur festzuhalten. In der bisherigen kunsthistorischen Literatur werden das barocke Badappartement sowie der Badpavillon gemeinsam behandelt. Ulrika Kiby [1] beschreibt unter architektonischen, technischen und ideellen Gesichtspunkten Badanlagen der Frühen Neuzeit, die sich im 17. Jahrhundert von einem Funktionsraum verändern zu einem Raum, "dessen Daseinsbereichtigung sein Luxus ist, mit dem man gerne prunkt wie mit der Galerie, der Bibliothek [...]" (234). Cordula Bischoffs Katalogaufsatz versucht diesen Aspekt inhaltlich zu füllen. Gegenstand ihrer Untersuchung sind Bäder und Badappartements um 1700. In der Tradition ihrer bisherigen, gender-orientierten Forschung verbindet Bischoff die zunehmend aufwändige Ausstattung der Badappartements mit deren Aufgabe, die Tugenden der Fürstin zu repräsentieren. Neben Porzellankabinett und Küche erscheint das Bad als dritte Konstante. Es ist dabei mit der thematische Trias Körperpflege und Schönheit, Geburt und Wochenbett und Erotik assoziiert.

Der Text von Susanne Grötz und Klaus Jan Philipp entkoppelt den Badpavillon aus seiner Verbindung mit dem Badappartement. Die Autoren zeichnen anhand von Badentwürfen und ausgeführten Badhäusern eine negative Genese des frei stehenden Badpavillons nach. Negativ deshalb, da ihre in der kunsthistorischen Forschung bisher fehlende chronologische Reihung verdeutlicht, dass es keinen verbindlichen Typus des frei stehenden Badpavillons gibt. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts ist der Badpavillon Gegenstand der höfischen Architektur. Die architektonisch sehr differierenden Badpavillons wie die Badenburg, das Marmorbad oder das Schwetzinger Badhaus verbindet neben ihrem höfischen Entstehungszusammenhang ihre Orientierung an Lustschloss- und Villenarchitektur. Erst im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts kommt es im Zuge der Literatur zum englischen Landschaftsgarten zu einer Normierung der Grundrisse und Größe der Badhausentwürfe. Jedoch verändern sich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das Badhaus wird geprüft auf seine Möglichkeiten, den bisher mobilen öffentlichen Badeeinrichtungen in Form von Badschiffen ein architektonisches Gewand zu geben, wobei neben Projekten in höfischer Tradition [2] neue Formen für das Bad gefunden werden.

Auch Stefan Borchardts Aufsatz bereichert die bisherige Literatur durch einen neuen Blickwinkel. Sein Text stellt den Versuch dar, das Interesse an antiken Thermen in der Frühen Neuzeit architektonisch zu orten. Borchardt weist durch Studium der Schriften der Architekturtheoretiker Sebastiano Serlio und Andrea Palladio nach, dass die Beschäftigung mit den Thermen bei den neuzeitlichen Architekten von ihrer Faszination an den von ihnen als gute und funktionale Architektur bewerteten Thermenanlagen ausgeht. Ihre Thermenstudien führen Serlio und Palladio jedoch nicht zum Bau von Thermen, sondern zu Entwürfen für den Louvre oder Villenanlagen.

Der inhaltliche Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Thema Kurbadarchitektur.

Im 18. Jahrhundert werden viele Stadtanlagen mit der aufkeimenden Trinkkurmode neu gestaltet bzw. neu gegründet. Die zunächst von dem Kurritual beeinflusste Architektur aus Brunnenhaus und überdachtem Spaziergang dehnt sich im 18. Jahrhundert zunehmend auf angrenzende Bauaufgaben aus, die dem Divertissement dienen und der neuen Funktion der Kurorte als Sommerresidenzen folgen. Susanne Grötz beschreibt in ihrem einleitenden Aufsatz anschaulich diese Entwicklung. Besonders für die von Fürsten gebauten Kuranlagen, wie Bad Kissingen oder Bad Pyrmont, stellt die Autorin - den Gepflogenheiten der Architekturgeschichte zum Kurbad [3] folgend - eine Orientierung an der barocken Schloss- und Lustschlossarchitektur fest.

Ursula Quecke stellt in ihrem Aufsatz die Architektur des ersten deutschen Seebades, Heiligendamm bei Doberan, verbunden mit dem aufgeklärten Medizinaldiskurs des 18. Jahrhunderts und der aus England auf den Kontinent schwappenden Seebadekultur dar. Sie beschreibt die vor allem den Vergnügungen gewidmete Architektur, der die mobilen Badanlagen in Form von Badekarren und Schaluppen gegenüber stehen, die erst Ende des 19. Jahrhunderts als hölzerne Seebrücken eine eigene Architektur herausbilden. Eine Verbindung zur Entwicklung des Tourismus an der Ostsee, der damit einhergehenden Kultivierung der Landschaft und der sozialen Veränderung, die sich in den Stranddörfern abzeichnet und die sich auch auf die architektonische Gestaltung der Seebäder auswirkt, kann aufgrund der Kürze der Darstellung im besprochenem Katalog jedoch nicht hergestellt werden. [4]

Für das 19. Jahrhundert beschäftigt sich allein der Aufsatz von Christiane Keim mit der Entwicklung der Kurstadt am Beispiel Baden-Badens. Keim charakterisiert die Besucher der Modebäder des 19. Jahrhunderts als spezifisch adelig-bürgerliche Gesellschaft, die einen eigenen Raum ausbildet, in dem sich der Fürst als Primus inter pares repräsentiert. Auf die eigentliche Verschiebung von fürstlichen zu bürgerlichen Investoren, die für Baden-Baden besonders signifikant ist und die in einem detailreichen Aufsatz von Monika Steinhauser, mit Augenmerk auf das Konversationshaus und den Gegensatz zwischen einer für "le beau monde" entworfenen Innenarchitektur des Spielbankbesitzers Bénazets und der Architektur von Weinbrenner und Hübsch, beschrieben wurde [5], geht Keim in der Kürze des Aufsatzes, der zwar einen Exkurs über die Architekten Weinbrenner und Hübsch und einen Ausblick zum Badpalast Ende des 19. Jahrhunderts umfasst, nicht ein. Der interessierte Leser sollte hier den weiterführenden Verweisen der Fußnoten folgen.

Nachdem mit dem behandelten Katalog nun ein lesenswerter Einstieg für jeden, der sich mit der Badarchitektur auseinandersetzen möchte, vorliegt, kann man sich der Meinung der Autoren nur anschließen und mit Spannung die bereits ankündigten Dissertationen zum Thema Bad erwarten: "Die Architekturgeschichte des Bades, [...], ist lange nicht erschöpfend behandelt worden und lässt viele Überraschungen erwarten." (7).


Anmerkungen:

[1] Ulrika Kiby: Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock, Köln, 1995.

[2] Hier zeichnet sich der Aufsatz dadurch aus, dass er die in der Architekturgeschichte zum Bad wenig bekannten Badentwürfe der Mitglieder der "Privatgesellschaft junger Architekten" vorstellt, die sich noch in einer erkennbaren Tradition zum höfischen Bauen bewegen. Diese Entwürfe wurden bisher im Zusammenhang mit "Revolutionsarchitektur" besprochen. Auch der Einfluss der französischen Architektur auf die Literatur zum englischen Garten und die Architektur der jungen deutschen Architekten wird an dieser Stelle weiter ausgeführt; vgl. Winfried Nerdinger / Klaus JanPhilipp / Hans-Peter Schwarz (Hg.): Revolutionsarchitektur. Ein Aspekt der europäischen Architektur um 1800, Frankfurt, 1990, 71 f., 88 f., 175 f.

[3] Rolf Bothe (Hg.): Kurstätte in Deutschland. Zur Geschichte einer Baugattung, Berlin, 1984.

[4] Vgl. dazu Christian Tilitzkis / Bärbel Glodzey: Die Deutschen Ostseebäder im 19. Jahrhundert, in: Rolf Bothe (Hg.): Kurstätte in Deutschland. Zur Geschichte einer Baugattung, Berlin, 1984.

[5] Monika Steinhauser: Das europäische Modebad des 19. Jahrhunderts. Baden-Baden. Eine Residenz des Glücks, in: Ludwig Grote (Hg.): Die Deutsche Stadt im 19. Jahrhundert, München, 1974, 95-128.

Vera Herzog