Rezension über:

Gerald Kreucher: Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit (= Historia. Einzelschriften; Heft 174), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003, 298 S., ISBN 978-3-515-08382-9, EUR 48,00
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Rezension von:
Meret Strothmann
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Meret Strothmann: Rezension von: Gerald Kreucher: Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 10 [15.10.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/10/6001.html


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Gerald Kreucher: Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit

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Die aktuelle Reihe der Biografien römischer Kaiser wird mit dem Band über Probus um einen verdienstvollen Beitrag erweitert.

In fünf Kapiteln - das letzte beinhaltet eine knapp 3-seitige Zusammenfassung - nimmt Kreucher den Zeitraum von 275-282 in den Blick, im Mittelpunkt stehen die Regierungszeiten der Kaiser Tacitus, Florianus und die knapp siebenjährige Regierungszeit des Probus von 276-282. In durchgehender methodischer Einheitlichkeit werden in einem Abschnitt zunächst die Quellen befragt und darauf die Forschung in ihren unterschiedlichen Ansätzen und Ergebnissen mit kritischer Wertung geschildert.

Überwiegend wurde bisher meist von einer Krise im 3. Jahrhundert n. Chr. gesprochen [1], die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Im Anschluss an die Arbeit von Christian Witschel [2], der deutliche Schwankungen der Krise unter regionalem und chronologischem Blickwinkel herausgearbeitet hat, konzentriert sich Kreucher auf einen zeitlichen Abschnitt und stellt hier ebenfalls fest, dass der Krisenbegriff nicht unhinterfragt angewandt werden darf, sondern dass gerade die Regierungszeit des Probus von einem beginnenden Aufschwung geprägt war.

Die Arbeit findet ihre Grundlage in der seit den letzten einschlägigen Untersuchungen zum Thema [3] stark erweiterten Quellenbasis; vor allem neue Papyrusfunde erlauben intensivere Einblicke in die politischen Verhältnisse. [4] Inschriften geben über die genaue Datierung von Ämtern und Siegestitulaturen Aufschluss und korrigieren historische Überlieferungen. Die deutlich vermehrten Münzzeugnisse geben einen Überblick über die Reisestationen der Kaiser. [5] Sehr skeptisch betrachtet Kreucher die Überlieferung der Vita in der 'Historia Augusta', deren sachliche Irrtümer er an zahlreichen Beispielen demonstriert. [6]

Das erste Kapitel mit knapp 40 Seiten ist der Darlegung und kritischen Würdigung der literarischen, epigrafischen, papyrologischen und numismatischen Quellen gewidmet, alle die drei Kaiser betreffenden Inschriften und Papyri werden sorgfältig aufgelistet. Auf den folgenden 40 Seiten geht es im zweiten Kapitel um allgemeine Fragen der Datierung; im Zentrum stehen die zeitliche Eingrenzung der exakten Regierungsdaten der Kaiser, der dies imperii und die jährliche Erneuerung der tribunicia potestas, Datum und Anzahl der Konsulate sowie die Form und zeitliche Zuordnung der Siegerbeinamen und -titulaturen. Dabei dürfen die Konsulate des Probus in den Jahren 278, 279, 281 und 282 als gesichert gelten. Für die Reihung der Siegerbeinamen vermutete Kettenhofen eine innere Logik, eine These, die auch in der Übertragung auf andere Kaiser interessant erscheint. [7]

Das dritte Kapitel, mit knapp 100 Seiten das umfangreichste, hat die Biografien der Kaiser Tacitus, Florianus und Probus zum Inhalt. Nach dem Tod Aurelians im Jahr 275 sollte der Nachfolger vom Senat gewählt und bestätigt werden, doch entschied letztlich das Militär: Kaiser wurde für nicht einmal ein Jahr Tacitus (entgegen Historia Augusta, Tacitus 10,1 nicht mit dem Historiker verwandt), der keine ausgewiesen senatsfreundliche Linie vertrat, auch wenn die Vita dies suggeriert. Nach dessen Tod kam der 65-jährige Florianus an die Macht. Seine Person dient in der 'Historia Augusta' fast ausschließlich als Negativfolie zum positiv bewerteten Probus. Bei Tarsus lagen sich die Heere des Florianus und des Probus gegenüber (Zosimos 1,64,1-4). Nach dem Sieg über Florianus bestätigte der Senat den neuen Machthaber, dessen Karriere vor seiner Regierungsübernahme fast im Dunkeln liegt. 277-278 n. Chr. stellte er sich erfolgreich den Franken- und Alamanneneinfällen in Gallien entgegen. Als er zur Donaugrenze aufbrach, kam es zu Auseinandersetzungen in Raetien, danach zu Kämpfen an der Rheingrenze. Nach der Befriedung Illyriens in den Jahren 278-279 zog Probus weiter nach Thrakien und zu seiner Heimatstadt Siscia. Sein Weg führte ihn dann - vielleicht über Rom - nach Isaurien, wo er Räuberbanden aus Lycia-Pamphylia in die Grenzen wies. Erste Erfolge konnte er im anschließenden Kampf gegen die Blemmyer (1. Hälfte 279) verzeichnen, endgültig gesichert wurden diese Grenzen aber erst durch Diokletian, der auch Mesopotamien dauerhaft unter römische Herrschaft brachte. Verhandlungen führte Probus mit dem Sasanidenkönig Vahram II.; im Jahr 280 oder 281 unterdrückte er die Usurpationsversuche in Britannien erfolgreich und gebot dem Seeräuberwesen Einhalt. In diesen Jahren galt es auch die Aufstände des Proculus und Bonosus in Köln niederzuschlagen. Da inschriftliche Belege für den Aufstand völlig fehlen und die Münzen sämtlich Postumus zuzuordnen sind, hält Kreucher den Aufstand für unerheblich. Schwerer wog der Usurpationsversuch des Saturninus, der in Syria, nicht Alexandria, zum Kaiser erhoben wurde (173). Seine Siege gegen die Blemmyer und Bastarner feierte Probus 281 mit einem Triumphzug durch Rom. Im Jahr darauf wurde er nach der Erhebung des Carus von den eigenen Soldaten in Sirmium getötet.

Die Verwaltung und die innenpolitischen Maßnahmen werden im vierten Kapitel, das gut 50 Seiten umfasst, dargelegt. Insgesamt sind unter Probus nur recht spärlich Neuerungen zu finden, er vertrat eher eine Politik der Stabilität und Kontinuität, begünstigte allerdings tendenziell die Ritter gegenüber den Senatoren. Am nachhaltigsten wirkten seine militärischen Erfolge, am häufigsten dargestellt wird er mit Helm und Panzer. Sein Gott war Hercules, aber auch Sol gewann gegenüber seinem Schattendasein unter Tacitus und Florianus wieder an Bedeutung. Probus verfolgte eine rein pragmatische Personalpolitik, auch seine Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur waren auf aktuelle und konkrete Ziele, die vor allem dem Militär zugute kamen, gerichtet. Auch in der Finanzpolitik stoßen wir kaum auf Reformen. Insgesamt bilanziert Kreucher zur Herrschaftszeit des Probus, dass "es nicht nur Großes bedeute, Neues zu schaffen, sondern auch einen vorgegebenen Weg mit politischem Augenmaß durchzuhalten, der alternativlos war" (245).

Den Band beschließt ein umfangreicher Anhang, der eine Zeittafel, eine Liste mit Horten der Schlussmünzen der drei Kaiser, ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis mit gut 20 Seiten und Indizes (Personen und Orte) enthält.

Die Stärke der Arbeit und ihr erklärter Anspruch liegen darin, dass "sich zumindest für die Jahre der Regierung des Probus durch Auswertung aller relevanten Zeugnisse ein gewisses Gerüst an Fakten und Hintergründen gewinnen läßt" (243). Durch die Themenwahl und den methodischen Ansatz wird deutlich, dass überraschende Resultate nicht in Aussicht gestellt werden. Vielleicht hätte es sich gelohnt, den Zeithorizont an manchen Stellen etwas zu erweitern und die Kaiser noch stärker in das Gesamtumfeld und die politischen Spannungen des turbulenten 3. Jahrhunderts einzubinden, wodurch die Konturen der einzelnen Machthaber noch schärfer hätten gezeichnet werden können.

Als Nachschlagewerk für alle Quellen, ihre kritische ausgewogene Analyse und für die Klärung von Detailfragen sollte das Buch in jeder Bibliothek zu finden sein.


Anmerkungen:

[1] A. Alföldi: Studien zur Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus, Darmstadt 1967; G. Alföldy: Die Krise des römischen Reiches. Geschichte, Geschichtsschreibung und Geschichtsbetrachtung, Stuttgart 1989; M. Christol: L'Empire romain du IIIe siècle. Histoire politique 192-325 après J.-C., Paris 1997; F. Hartmann: Herrscherwechsel und Reichskrise: Untersuchungen zu den Ursachen und Konsequenzen der Herrscherwechsel im Imperium Romanum der Soldatenkaiserzeit, Frankfurt 1982; R. MacMullen: Roman Government's Response to Crisis A.D. 235-337, New Haven / London 1976; G. Walser / Th. Pekáry: Die Krise des römischen Reiches. Bericht über die Forschungen zur Geschichte des 3. Jahrhunderts (193-284) von 1939-1959, Berlin 1962.

[2] Chr. Witschel: Krise - Rezession - Stagnation. Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr., Frankfurt a. M. 1999.

[3] E. Dannhäuser: Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Probus (276-282), Jena 1909.

[4] Etwa P. W. Pestman: The New Papyrological Primer, Leiden 1990; D. W. Rathbone: The Dates of Recognition in Egypt of the Emperors from Caracalla to Diocletian, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 62 (1986), 101-131; auch Ostraka geben Aufschluss: W. H. M. Liesker / K. A. Worp: Datings in Third Century Michigan Ostraka, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 88 (1991), 177-183.

[5] Kreucher vermisst die Grundlage dieser Quellengattungen in den Arbeiten von G. C. Brauer: The Age of Soldier Emperors. Imperial Rome A.D. 244-284, Park Ridge 1975; M. L. Kennedy: The Reign of Emperor Probus 276-282 A.D., Minnesota 1952; G. Vitucci: L'Imperatore Probo, Rom 1952.

[6] So sind die Erzählungen über die Regierungsantritte der Kaiser zuweilen austauschbar und beliebig. Die Akklamationen des Probus als "Francicus, Sarmaticus, Parthicus, omnia" (Historia Augusta, Probus 11,9) sind unhistorisch.

[7] E. Kettenhofen: Zur Siegestitulatur des Kaisers Probus, in: Ziva Antika 36 (1986), 39-43.

Meret Strothmann