Rezension über:

Hans-Peter Hasenfratz: Die antike Welt und das Christentum. Menschen, Mächte, Gottheiten im Römischen Weltreich, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, 120 S., ISBN 978-3-534-17256-6, EUR 24,90
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Rezension von:
Klaus Scherberich
Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Scherberich: Rezension von: Hans-Peter Hasenfratz: Die antike Welt und das Christentum. Menschen, Mächte, Gottheiten im Römischen Weltreich, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/6843.html


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Hans-Peter Hasenfratz: Die antike Welt und das Christentum

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In seinem Buch möchte Hasenfratz die "sozio-religiösen Gegebenheiten" im Römischen Reich während der Ausbreitung des Christentums darlegen sowie der Frage nachgehen, warum das Christentum innerhalb dieser Rahmenbedingungen zur "'number one'" der "Sinnlieferanten" wurde (9).

Im ersten Kapitel ("Der 'unbehauste Mensch'", 11-26) skizziert Hasenfratz den Aufstieg Roms zur Weltmacht sowie unter den Stichworten "Sklaven und Freie" sowie "Landflucht und Proletarisierung" die gesellschaftlichen Verhältnisse im Römischen Reich. Resümierend konstatiert er dabei eine "Unbehaustheit" des antiken Menschen. Nicht jeder wird sich freilich einer solchen Charakterisierung in dieser Verallgemeinerung, ohne Differenzierungen etwa nach Raum, Zeit und Schicht, ohne weiteres anschließen wollen. Manche Passagen wirken doch zu verallgemeinernd und simplifizierend (z. B. 14 f. über die Folgen der römischen Expansion), auch wird man etwa kaum unter Ausblendung des römischen Sieges über Karthago 241 v. Chr. von Roms Erfolg im 2. Punischen Krieg sagen können, damals habe Rom "zum ersten Mal eine Weltmacht besiegt" (13). Die in dem gesamten Buch (s. u.) unzutreffenden Vereinfachungen und Zuspitzungen erklären sich zum Teil vielleicht daher, dass das Buch aus einer Vorlesung hervorgegangen ist (109, Anm. 1), wirken in einer Publikation jedoch recht problematisch.

Im zweiten Kapitel ("Religiöse Fluchtwege aus der Unbehaustheit", 27-106) beschreibt Hasenfratz dann in vier Unterkapiteln ("Die Nostalgie - die Sehnsucht nach dem Gewesenen", "Der Kaiserkult - ein Integrationsversuch", "Die erzwungene Sicherheit - Magie und Zauber" sowie "Die rituelle Teilhabe am Wesen und Geschick der Gottheit - die Mysterien") verschiedene religiöse Phänomene der griechisch-römischen Kultur, die seiner Ansicht nach dazu dienen sollten, die eingangs konstatierte "Unbehaustheit" der Menschen aufzufangen. Auch in diesem Hauptteil des Buches wirkt wiederum manches doch sehr vereinfacht beziehungsweise generalisiert (z. B. 77), unausgesprochen werden die Verhältnisse in Rom bisweilen für das gesamte Imperium verallgemeinert (z. B. 38 f.), anderes ist zumindest strittig. Hier seien nur einige wenige Stellen kurz genannt: So erscheint es z. B. doch mehr als fraglich, ob, wie Hasenfratz 28-30 meint, Ovids Beschreibung des Goldenen Zeitalters im 1. Buch der 'Metamorphosen' tatsächlich der umstrittene Grund für die Verbannung des Dichters gewesen ist. Jedenfalls passt dies kaum zu den - zugegebenermaßen dunklen - Andeutungen, die Ovid selbst über die Ursache seines Exils gemacht hat, und hat auch davon abgesehen meines Erachtens wenig Wahrscheinlichkeit für sich. In dem Abschnitt über den römischen Triumph, in dem u. a. der des Titus im Jahre 71 n. Chr. erwähnt wird (50), sollte zumindest auf die ausführliche Beschreibung dieses Triumphzuges bei Flavius Josephus (bellum Iudaicum 7,119-157) verwiesen werden. Einen Beleg (und vielleicht doch auch einige erläuternde Sätze) hätte man sich etwa auch bei der pauschalen Behauptung gewünscht, am römischen Kaiserhof habe man nicht vor Ritualmord zu okkulten Zwecken zurückgeschreckt (54).

Eine Stärke des Buches liegt in der Präsentation zahlreicher Quellen (in deutscher Übersetzung), die allerdings häufig indirekt nur aus Quellensammlungen zitiert werden, ohne die antiken Autoren direkt zu nennen. Dies erklärt vielleicht auch, wieso das Buch nur über ein Bibelstellenregister verfügt (119 f.).

In dem sehr knappen abschließenden dritten Kapitel ("'Die neue Heimat' - das Christentum?", 107 f.) greift Hasenfratz dann nicht die im Vorwort (s. o.) aufgeworfene Frage auf, was denn nun das Besondere am Christentum gewesen ist, sodass es sich gegen die anderen Sinnangebote durchsetzen konnte, sondern geht in wenigen Sätzen darauf ein, was das Christentum aus seiner paganen Umwelt übernommen und aufgegriffen hat. Dadurch bleibt er leider dem Leser die Antwort auf diese interessante und wichtige Frage schuldig.

Klaus Scherberich