Rezension über:

Roger Rees: Diocletian and the Tetrarchy (= Debates and Documents in Ancient History), Edinburgh: Edinburgh University Press 2004, XV + 219 S., 3 maps, ISBN 978-0-7486-1661-9, GBP 16,99
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Rezension von:
Heinrich Schlange-Schöningen
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Schlange-Schöningen: Rezension von: Roger Rees: Diocletian and the Tetrarchy, Edinburgh: Edinburgh University Press 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/03/6433.html


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Roger Rees: Diocletian and the Tetrarchy

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Die von Robert Rees, Lecturer in Classics an der Universität Edinburgh, vorgelegte Einführung in die Epoche des spätantiken Kaisers Diokletian stellt den ersten Band der neuen, von Hugh Bowden und Shaun Tougher herausgegebenen Reihe "Debates and Documents in Ancient History" dar. In dieser für ein breiteres Publikum konzipierten Reihe sollen "central topics in Greek and Roman history" vorgestellt werden. Dabei sieht die Konzeption eine Zweiteilung der Bände in eine historische Einführung einerseits und eine Sammlung wichtiger Quellenauszüge andererseits vor. So ist etwa die Hälfte des Bandes zu Diokletian einer zusammenfassenden Darstellung der Jahre von 284 bis 305 nach Christus gewidmet (3-90), die zweite Hälfte dann einer Zusammenstellung ausgewählter und in englischer Übersetzung dargebotener Quellen (93-196). Unter ihnen finden sich auch numismatische und archäologische Zeugnisse, die in Abbildungen präsentiert werden. Die der neuen Reihe gestellte Aufgabe, die kontroverse Diskussion einzelner Aspekte in die historische Einführung zu integrieren, hat Rees, der schon zuvor mit einigen Beiträgen zur Diokletiansforschung hervorgetreten ist, gut gelöst. Entstanden ist ein Kompendium, das nicht nur dem interessierten Laien und dem Studenten, sondern auch dem Althistoriker von Nutzen sein wird.

Rees beginnt seine Darstellung mit einer kurzen Vorstellung der lückenhaften und teilweise polemischen Quellenlage zu Diokletian, der sich gemeinsam mit Galerius durch die Christenverfolgung bei den christlichen Autoren der Spätantike ein denkbar schlechtes Image eingehandelt hat. Der größere Teil der Einleitung ist Diokletians Machtgewinn, der Etablierung einer Mehrherrschaft von zunächst zwei und dann vier Herrschern sowie dem Rücktritt von Diokletian und Maximian im Jahr 305 gewidmet, wodurch die Eigenart dieser auf die Wirren der Soldatenkaiserzeit folgenden und die Spätantike einleitenden Epoche deutlich gemacht wird (5-12). Rees diskutiert bereits hier das Problem einer nicht dynastischen Legitimation der Herrschaft, auf das er später noch mehrfach ausführlich zurückkommt (54 f., 72-81), und er muss sich bereits im Zusammenhang mit Diokletians Rücktritt der Bewertung einer maßgeblichen, zugleich aber höchst problematischen Quelle zuwenden: In seiner Schrift "Über die Todesarten der Verfolger" zeichnet Laktanz das Bild eines schwächlichen Diokletian, der sich von Galerius zum Rücktritt zwingen lässt. Ist die Tetrarchie also gar nicht als ein durchdachtes System der Herrschaftsteilung und Herrschaftsweitergabe zu interpretieren? Zu Recht weist Rees auf die vielen Ungereimtheiten bei Laktanz hin, die diesen Kirchenvater, bei dem sich die ausführlichste Darstellung der tetrarchischen Epoche findet, nicht gerade zu einem vertrauenswürdigen Kronzeugen für die Politik Diokletians machen. Auch im weiteren Verlauf der Darstellung wird die Glaubwürdigkeit von Laktanz (sowie anderer Quellen) immer wieder problematisiert (vergleiche 29 f., 43, 61 f., 79).

Im Anschluss an die Einleitung folgen sechs thematisch ausgerichtete Kapitel, in denen das Militär, die Verwaltung, die Wirtschaft, die Kaiser-Verehrung, die Religion und zuletzt wieder das Problemfeld der Herrschaftsteilung, der kaiserlichen Legitimation und der Nachfolge behandelt werden. Dass hierbei das Militär an erster Stelle steht, ergibt sich aus der Herkunft und der Machtgrundlage der Tetrarchen: Sie waren allesamt erfolgreiche Generäle, und sie konnten nur deshalb, weil sie sich die Herrschaft teilten, die Abfolge von Usurpationen und Bürgerkriegen, die das 3. Jahrhundert bestimmt hatte, beenden. Rees listet die militärischen Taten der Herrscher auf und betont die insgesamt defensive Ausrichtung der Außenpolitik (15 f.).

Die Bedeutung von Laktanz als der grundlegenden Quelle für die Geschichte der Tetrarchie zeigt sich ein weiteres Mal bereits im 2. Kapitel, das der Verwaltung des Reiches gewidmet ist. Rees verbindet und bestätigt die Aussage von Laktanz, Diokletian habe die Zahl der Provinzen erheblich vergrößert, mit der Liste von Verona, einem Provinzverzeichnis, das in den Jahren nach der Abdankung Diokletians angefertigt wurde und eine neue Einteilung in Diözesen und Provinzen bezeugt (24f., 171-173). Zur Verwaltung des Reiches gehörte eine fortwährende Reisetätigkeit der Tetrarchen, die zusammengenommen mit der Etablierung verschiedener Residenzen die Präsenz der Kaiser erheblich erhöhte. Zugleich bezeugen die Rechtstexte eine rege Gesetzgebungstätigkeit (30-33); die Bevölkerung von Rom aber musste die Gründung neuer Residenzen, die seltenen Besuche der Kaiser in ihrer Stadt und den Verlust der Steuerfreiheit als Vernachlässigung und Degradierung empfinden, was den Rückhalt erklärt, den Maxentius bei seiner Usurpation in Rom fand (28 f.).

Kapitel 3 schlägt den Bogen von der tetrarchischen Militärpolitik, das heißt der Vergrößerung des Heeres, zu Steuern und Wirtschaft. Es ist evident und von Zeitgenossen wie etwa wieder Laktanz auch beklagt worden, dass die Stärkung des Militärs zu einer starken Belastung der Bevölkerung geführt hat. Auf Diokletian gehen etliche Neuerungen im Steuerwesen zurück; er führte die so genannten Indiktionen, die "Steuerankündigungen", ein und veränderte die Bemessungsgrundlagen für den Zensus. Die aus den Quellen abzulesende Uneinheitlichkeit in der Steuerpolitik scheint der Annahme reichsweit gültiger und gleichzeitiger Maßnahmen zu widersprechen, resultierte aber wohl eher aus regionalen Besonderheiten und Konflikten. Ein sicherer Schluss auf eine eher kollegiale oder eher individuelle Regierungspraxis der Tetrarchen lässt sich kaum ziehen (39). Die Steuerpolitik stellte nur einen Teil einer umfangreichen Wirtschaftspolitik dar; diese umfasste auch eine Münz- und Währungsreform (40 f.) sowie das so genannte Höchstpreisedikt, mit dem der maximale Preis für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen festgelegt wurde (42-45). Als Maßnahme der Preisbeschränkung folgte das Höchstpreisedikt ähnlichen Versuchen früherer Kaiser; in seinem Ausmaß war es jedoch singulär und in seiner Wirkung letztlich vergeblich. Unsicher ist der innere Zusammenhang zwischen der Währungsreform und dem Höchstpreisedikt, die zeitlich zwar nahe beieinander liegen, von ihren Urhebern aber nicht aufeinander bezogen werden. Auch die regionale Konzentration der epigrafischen Zeugnisse für das Höchstpreisedikt wirft Fragen auf: War die Maßnahme auf den Osten des Reiches beschränkt oder wurde sie, der Propaganda tetrarchischer Einmütigkeit zum Trotz, von den Westherrschern absichtlich nicht umgesetzt?

Schon die spätantiken Quellen verbinden mit Diokletian die Einführung eines prächtigen Hofzeremoniells mitsamt neuartiger Formen der Kaiserverehrung, wie zum Beispiel der Proskynese, die auf eine gottähnliche Überhöhung der Herrscher abzielten. Rees stellt die bereits von Theophanes im 8. Jahrhundert formulierte Ansicht, Diokletian habe sich dabei von dem persischen Vorbild leiten lassen, durch den Hinweis auf die nur indirekt überlieferten Zeichnungen aus der Kaiserkammer in Luxor infrage, die noch vor dem Krieg gegen Narses entstanden sein sollen (46 f.). Unabhängig von dieser chronologischen Argumentation, die nicht recht überzeugen kann, steht außer Frage, dass das Zeremoniell unter Diokletian neu geformt und in seiner Intensität verstärkt wurde. Die Unnahbarkeit der Tetrarchen wurde durch die zahlreichen öffentlichen und festlichen Präsentationen ihrer Majestät anlässlich ihrer Ankunft in den Städten eher unterstrichen als ausgeglichen, während zugleich das Programm der tetrarchischen Einmütigkeit durch ein prägnantes Bildprogramm verbreitet wurde, dessen bekanntestes Beispiel die Tetrarchengruppe in Venedig ist. Den Bildschmuck nutzten die Kaiser, wie etwa der Galerius-Bogen in Thessaloniki zeigt, auch dazu, ihre Herrschaft als von den Göttern gewollt und geschützt darzustellen.

Das Bedürfnis, die Herrschaft durch eine göttliche Legitimation abzusichern, ist auch für die Religionspolitik der Tetrarchen in Rechnung zu stellen. Zahlreiche Zeugnisse, darunter zum Beispiel Abbildungen auf den Münzen, bezeugen den Wunsch der Herrscher, ihre Frömmigkeit zu propagieren. Wenn also für das Verbot des Manichäer-Glaubens, der persischen Ursprungs war, auch politische Gründe eine wichtige Rolle gespielt haben dürften (59), so war die Verfolgung der Christen in der Nachfolge entsprechender Maßnahmen der Kaiser Decius und Valerian doch sicher eine Reaktion auf das Anwachsen der Anhängerschaft dieses neuen Glaubens, das in einer Zeit äußerer und innerer Bedrohungen als zusätzliche Gefährdung der staatlichen, nur von den Göttern garantierten Stabilität erscheinen konnte. In seiner Darstellung der diokletianischen Christenverfolgung folgt Rees dem auf Euseb beruhenden Schema einer Abfolge von vier Edikten in den Jahren 303 und 304; er interpretiert diese Abfolge als ein Anzeichen dafür, dass das erste Verbot noch keine ausreichende Wirkung gezeitigt habe, weshalb es schrittweise zu einer Verschärfung gekommen sei. Die von Frank Kolb und Karl-Heinz Schwarte formulierte alternative Deutung, es habe sich bei der Verfolgung nur um ein einziges Edikt gehandelt, dem dann Ausführungsbestimmungen gefolgt seien, wird von Rees bedauerlicherweise nicht thematisiert.

Die antiken Quellen berichten, dass die Christenverfolgung im Westen des Reiches sehr viel geringere Ausmaße angenommen hätte als im Osten. Ob dies an der stärkeren Verbreitung des Christentums im Osten oder aber an einer Uneinigkeit zwischen den Tetrarchen lag, lässt Rees offen (66). Nach außen hin gehörte es zu den wichtigsten Zielen der kaiserlichen Propaganda, die Einigkeit der Tetrarchen herauszustellen. Dies führte so weit, dass neue Siegesbeinamen von allen Tetrarchen angenommen wurden (73). Bedeutsam war auch das gegenseitige Prägen von Kaiserporträts auf den Münzen, das den Bewohnern der Provinzen die in den anderen Reichsteilen herrschenden Tetrarchen und damit zugleich die gegenseitige Akzeptanz vor Augen führte. Ob indes die Absicht, Einmütigkeit zu demonstrieren, zu dem künstlerischen Konzept einer starken äußeren Ähnlichkeit in der Skulpturendarstellung der Tetrarchen führte, muss mit Rees angesichts einiger kaum in dieses Konzept passender Beispiele bezweifelt werden (74 f.). Hinter den Kulissen dürfte es zahlreiche Spannungen und Bruchlinien zwischen den Tetrarchen gegeben haben. Dass zum Beispiel Maximian mit dem Konzept einer außerfamiliären Herrschaftsübertragung kaum einverstanden sein konnte, wird schon durch entsprechende Hinweise in einem Panegyricus des Jahres 289 deutlich, in dem die Qualitäten seines jungen Sohnes Maxentius gelobt werden. Die Ehen, die Galerius und Constantius mit den Töchtern von Diokletian und Maximian eingingen, zeigen zudem, dass verwandtschaftliche Bindungen nach wie vor eine wichtige Rolle in der Regelung der Nachfolgefrage spielten. Rees deutet an, dass die Unsicherheiten der Chronologie keine sichere Entscheidung darüber zulassen, ob nicht möglicherweise die genannten Eheverbindungen der Beförderung von Galerius und Constantius zu Caesaren vorausgingen (77), was allerdings die Tragweite des nicht-dynastischen Konzepts der diokletianischen Tetrarchie erheblich einschränken würde.

Es verdient Anerkennung, wie Rees auf verhältnismäßig wenigen Seiten eine große Stoffmenge mit den Quellen und der jüngeren Forschungsgeschichte verbindet und eine in sich schlüssige ablaufende Darstellung entwickelt. Die grundsätzliche Frage, ob Diokletian, Laktanz zum Trotz, als ein Staatsmann zu betrachten ist, der mit einem umfassenden, alle Bereiche des Staates neu organisierenden Reformprogramm planmäßig die Schwächen des Römischen Reiches zu beheben suchte, oder ob man es eher mit einem Flickwerk von politischen Tagesentscheidungen zu tun hat, wird in der Darstellung immer wieder und ein letztes Mal in den Schlussbemerkungen (86-90) aufgeworfen, sie bleibt jedoch unbeantwortet. Diokletian ist für Rees eine rätselhafte Figur (86), was angesichts der problematischen Quellenlage und der zahlreichen Kontroversen um die Tetrarchie und das Reformprogramm nachvollziehbar ist. Für die Bewertung des Kaisers hängt viel davon ab, ob man die vorausgehende Zeit der Soldatenkaiser als Krise auffasst, die dann von Diokletian durch innovative Maßnahmen beendet worden wäre, oder ob man in seinen Maßnahmen vielmehr die Fortsetzung einer vorgegebenen und - wie vor allem der Umgang mit den Christen illustriert - letztlich unproduktiven Politik sehen will (88 f.). Auch diese Frage lässt Rees offen, ebenso wie jene nach dem Wohlergehen der Bevölkerung des Römischen Reiches, die unter einem starken Reformdruck, staatlichen Zwangsmaßnahmen und einer zunehmenden Bürokratisierung lebte, andererseits aber auch vor äußeren Angriffen und inneren Bürgerkriegen besser als zuvor geschützt war: "Wheter or not it was for their own good, or even if they liked it, are questions that cannot be considered here" (90). Ein Kompendium, das den Leser zur Reflexion und zur eigenen Quellenlektüre führen möchte, darf durchaus mit derart offenen Bemerkungen schließen.

Anzumerken ist allerdings noch, dass die Lektüre der sich anschließenden Quellensammlung für den ungeübten Leser nicht ganz einfach sein dürfte, da sie ohne Erläuterungen auskommt. Zwar finden sich, wie bereits ausgeführt, grundsätzliche Bemerkungen zur Art und Glaubwürdigkeit der Quellen im Text von Rees, doch eine Vielzahl von Details, die in den Quellen erwähnt werden, bleiben bei dem Verzicht auf Anmerkungen notwendigerweise unkommentiert. Im Vergleich dazu sind zum Beispiel die Studienbücher zur "Geschichte und Kultur der Alten Welt", die seit einigen Jahren im Akademie Verlag erscheinen, sehr viel benutzerfreundlicher. Davon abgesehen ist das Buch jedoch didaktisch gut angelegt: Es enthält nicht nur ein Abkürzungsverzeichnis, mehrere Karten, eine Zeittafel sowie in der Sammlung der Quellen etliche brauchbare Abbildungen etwa der Tetrarchen-Skulpturen, sondern auch Empfehlungen für die weitere Lektüre sowie "essay questions and exercise topics", die den Leser zur Anwendung des erworbenen Wissens auffordern, sowie weiterhin ein Glossar der wichtigsten lateinischen Begriffe und eine kurze Zusammenstellung von Internetseiten, die sich (mehr oder weniger explizit) auf Diokletian beziehen.

Heinrich Schlange-Schöningen