Rezension über:

Annette Nünnerich-Asmus (Hg.): Traian - ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchzeit? (= Zaberns Bildbände zur Archäologie), Mainz: Philipp von Zabern 2002, 184 S., 192 Abb., ISBN 978-3-8053-2780-0, EUR 41,00
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Rezension von:
Gunnar Seelentag
Institut für Altertumskunde, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Gunnar Seelentag: Rezension von: Annette Nünnerich-Asmus (Hg.): Traian - ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchzeit?, Mainz: Philipp von Zabern 2002, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 10 [15.10.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/10/5221.html


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Annette Nünnerich-Asmus (Hg.): Traian - ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchzeit?

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Die letzten Jahre sahen eine ganze Reihe von Publikationen zur Regierungszeit Traians. Neben Detailstudien und biografische Versuche traten auch Sammelbände, deren Tugend weniger in einer übergeordneten Fragestellung als vielmehr in der thematischen Vielfalt ihrer Beiträge und deren Einzelergebnissen liegt. Dies betrifft auch den anzuzeigenden Band, der neben Rekonstruktionen der Ereignisgeschichte und Betrachtungen der Politik Traians in Rom, Italien und dem Reich die spezifisch traianischen Aussagen wesentlicher Quellengattungen - etwa Münzen und Monumente - enthält.

Im ersten Beitrag des Bandes ("Traian - Der Weg zum Kaisertum") erörtert W. Eck den familiären Hintergrund Traians, schildert dessen Ausbildung als junger Angehöriger der römischen Oberschicht und beschreibt seine Jahre als Statthalter in Spanien und Germanien bis zur Adoption durch Nerva. Der Beitrag endet mit der Rückkehr des neuen Kaisers nach Rom im Jahr 99. In seiner Darstellung bettet Eck die Biografie des Ulpius Traianus in die gesellschaftlichen Strukturen der Kaiserzeit ein und berichtet ganz Grundsätzliches über den Principat, etwa zum Verhältnis von Kaiser und Senat und zur sozialen Mobilität im ersten Jahrhundert. Auf diese Weise wird unter anderem deutlich, welch ungeheure Relevanz für den späteren Aufstieg Traians die Karriere seines Vaters hatte, des Consulars, Patriziers und vir triumphalis. Zu Recht relativiert Eck die oft zitierte, markante Charakterisierung Traians als des ersten Kaisers aus der Provinz. Doch geboren sei der spätere Kaiser wahrscheinlich in Rom; überhaupt sei ein Aufenthalt in der Baetica nicht nachzuweisen. Seine Sozialisation habe Traian jedenfalls in der Hauptstadt erhalten. Der Kern des Beitrags analysiert ein personales Netzwerk, dessen Mitglieder dafür sorgten, dass Traian von Nerva adoptiert und somit zum Nachfolger designiert wurde. Eck rekonstruiert eine Gruppe von Unterstützern, die gleichermaßen aus 'elder statesmen' und Altersgenossen des Ulpiers bestand. Letztere bekleideten im Jahre 97 wichtige militärische Posten nicht allein in den beiden germanischen Provinzen, während erstere in Rom beratend auf Nerva einwirkten. Für diese Tätigkeit erhielten sie von Traian im Jahre 100 die große Ehre eines dritten Consulats.

Gleichwohl lässt sich auch trotz dieser Ergebnisse eine wesentliche Frage nicht beantworten: Warum war es gerade Traian, der solchermaßen unterstützt wurde?

Ein biografisches Manko des Ulpiers, das seine spätere Kaiserrolle eigentlich hätte verhindern müssen, führt der Beitrag von M. Speidel vor ("Bellicosissimus Princeps"), der sich ausführlich den kriegerischen Taten Traians widmet. Die Untersuchung legt dar, dass Traian bis zu seiner Adoption durch Nerva keine militärischen Erfolge erzielt hatte. Solche seien aber eigentlich nötig gewesen, um von den Soldaten als 'guter Princeps' anerkannt zu werden. In Auseinandersetzung mit dem Panegyricus des jüngeren Plinius betont Speidel, dass zwar beinahe alle in dieser Quelle beschriebenen Militärtaten Traians summarisch und wenig konkret dargestellt seien; trotzdem sei diesen Schilderungen breiter Raum gewährt worden, um den Soldaten ihren neuen Kaiser als militärisch fähigen Anführer vorzuführen. Mit dieser Feststellung vermeidet Speidel allerdings eine Antwort auf die Frage, warum dieses Thema derart prominent in einem Rahmen verhandelt wurde, welcher exklusiv der Kommunikation zwischen Kaiser und Senat vorbehalten war. Im Zentrum der weiteren Betrachtungen des Autors stehen die Feldzüge Traians, die vor dem Hintergrund einer 'grand strategy' des römischen Reiches erörtert werden. Hierbei konstatiert Speidel für den Optimus Princeps keineswegs ein planvolles Vorgehen, um etwa aus bloßem Ehrgeiz oder kompensatorischem Bedürfnis militärische Erfolge zu suchen. Stattdessen sei Traian situativ und eher reagierend in Kriege hineingezogen worden, nachdem Daker, Nabatäer und Parther eine Änderung bestehender Verhältnisse versucht und somit die maiestas populi Romani verletzt hätten.

Im Beitrag "Traian und die Militärgrenzen des Römischen Reiches" geht es M. Becker und E. Schallmayer um die strukturelle Entwicklung der an ihren Grenzen befestigten Provinzen des Reiches. Besondere Prominenz genießen dabei jene Regionen, die unter Traian zu Aufmarschgebieten für die Legionen wurden. Besprochen werden Modalitäten der Ansiedlung, Bewegungen von Einheiten und Etablierung sowie Ausbau von Verwaltungsstrukturen.

Unmittelbar hieran schließt der Beitrag "Urbanitas gleich romanitas - Die Städtepolitik des Kaisers Traian" von M. Zahrnt an, der die Rolle des Kaisers als Städtegründer in den verschiedenen Regionen des Reiches behandelt und dies in den Kontext einer allgemeinen Einführung in das Wesen römischer Kolonien und Municipien stellt.

Thematisch eng damit verbunden ist der Beitrag "Private Freigebigkeit und die Verschönerung von Stadtbildern - Die Städte Kleinasiens in traianischer Zeit" von L. Vandeput und C. Berns, in dem das Phänomen von Stiftungen als einer Ausdrucksform der Konkurrenz zwischen Städten erörtert wird. Viel Raum wird der Beschreibung von Bauten und Festen gewidmet. Die Autoren zeigen hierbei, dass die jeweiligen Stifter ein enges Verhältnis ihrer selbst zu Göttern und Kaiserhaus zu inszenieren vermochten. Dass solche Stiftungen keineswegs auf die unmittelbare Anregung des Herrschers zurückgingen, wird deutlich.

"Die Bautätigkeit Traians in Italien" behandelt H. v. Hesberg. Der Beitrag betrachtet den Bau von Straßen und Häfen, die infrastrukturelle Aufwertung italischer Städte und die Nutzung des Landes selbst. Hierbei wird deutlich, dass die traianische Herrschaftsdarstellung den Ausbau Italiens als Teil und Vorbild der Pax Romana im gesamten Reichsgebiet schilderte. Der Autor sieht dies als eine deutliche Abkehr von der Betonung domitianischer Virtus und Victoria hin zu traianischer Indulgentia und Providentia. Insgesamt konstatiert der Beitrag jedoch, dass jenseits eines Ausbaus der italischen Grundversorgung für die traianische Zeit nur wenige Innovationen festzustellen seien, und zwar weder in Quantität noch Qualität der Bauprojekte.

Der Beitrag von A. Nünnerich-Asmus ("Er baute für das Volk?! - Die stadtrömischen Bauten des Traian") betrachtet, wie diese Maßnahmen in die durch zeitgenössische Literatur und Inschriften attestierte 'Regierungsprogrammatik' des Optimus Princeps passten. Zu Recht betont die Autorin den von den bisherigen Kaiserforen grundlegend verschiedenen Charakter des Forum Traiani: Dieses habe keine Familien- oder persönliche Schutzgottheit in den Mittelpunkt gestellt, und Militär und Senat seien als Stützen der kaiserlichen Herrschaft präsentiert worden. Dass aber erst bei genauerem Hinsehen deutlich geworden sei, dass die Person des Kaisers über allem throne (98), darf angesichts der ungeheuren Prominenz der traianischen Standbilder auf dem Forum bezweifelt werden. Weiterhin weist die Autorin auf die enge Vernetzung der einzelnen Großbauten traianischer Zeit in Rom hin: Die Traiansmärkte gehörten untrennbar zum Forum, und auch im Umbau des Circus Maximus kämen Tugenden zum Ausdruck, die schon der Panegyricus gelobt habe, etwa die Civilitas des Princeps.

Der Beitrag von T. Hölscher ("Bilder der Macht und Herrschaft") analysiert die traianischen Staatsreliefs in Rom vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Frage nach der Verbindung von Politik und Kunst - die notwendig sei, da Politik visuelle Formen benötige, seien dies nun Bildwerke, Inszenierungen oder Symbole. Der Autor betont, die römischen Staatsdenkmäler bezögen sich zwar auf die historische Realität von Staat und Herrschaft, gäben diese aber nicht unvermittelt wieder. Vielmehr seien die dargestellten Szenen derart selektiert und miteinander kombiniert, dass sie - als System wahrgenommen - auf die ideologischen Grundlagen der Kaiserherrschaft verwiesen. Als Spezifika der traianischen Reliefs gegenüber den Vorgängern konstatiert Hölscher die stärkere Betonung konkreter administrativer Leistungen gegenüber der sakralen Aura von Staatsakten und die Aufnahme neuer Gruppen als Bildmotive: Militär, Italiker und Provinzialen.

Der Beitrag von W. Weiser ("Kaiserliche Publizistik im Kleinformat. Die Münzen der Epoche des Kaisers Traian") bettet die traianische Münzprägung und ihre Aussagen in generelle Bemerkungen zu den Charakteristika des Geldes in der römischen Antike ein, der Organisation der Münzstätten und der gängigen Rückseitentypen. Chronologisch fortschreitend, werden die einzelnen Emissionen dargelegt. Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen zur schwierigen Chronologie der traianischen Münzprägung während des langen fünften Consulats. Hier verweist der Autor auf die mit der Reichsprägung korrespondierenden Bilder der parallelen, eindeutig datierten Prägung von Alexandria. Er kann so etwa feststellen, dass die Siegesbilder der dakischen Kriege und des parthischen Krieges tatsächlich erst nach dem tatsächlichen Erringen dieser Siege emittiert wurden.

Im letzten Beitrag betont D. Boschung die Allgegenwart des kaiserlichen Porträts, sei es nun als Statuen im öffentlichen Raum, auf Münzen oder militärischen Standarten und in gewisser Weise sogar in der Nachahmung seiner Formen durch Privatbildnisse ("Ein Kaiser in vielen Rollen - Bildnisse des Traian"). Besonderes Interesse gilt den unterschiedlichen Arten der Darstellung Traians; etwa als Feldherr und nackter Heros, als Magistrat und als Priester sowie deren Kombination zu Mischtypen.

Die Frage, ob Traian denn nun tatsächlich ein "Kaiser der Superlative" und eine "Symbolfigur für den guten Menschen" gewesen sei, wie der Klappentext konstatiert, mussten die Autoren wohl nicht beantworten. Festzuhalten ist aber, dass die Fülle guter Abbildungen, Pläne, Rekonstruktionen und Grundrisse ein lebendiges Bild der traianischen Regierungszeit zeichnet. Da die Artikel darüber hinaus durch Endnoten gut dokumentiert sind und ihre spezifischen Ergebnisse zu Traian in den historischen Kontext des Principats überhaupt einbetten, dürfte der Sammelband Fachhistoriker und allgemein an der Geschichte Interessierte gleichermaßen ansprechen.

Gunnar Seelentag