Geschenktipps zu Weihnachten

Frank Rexroth, Göttingen



Michael Borgolte: Europa entdeckt seine Vielfalt 1050-1250 (Handbuch der Geschichte Europas Bd. 3), Stuttgart: Ulmer 2002

Eine Geschichte des hochmittelalterlichen Europa, wie es noch keine gegeben hat: Der weite Vergleich zwischen weit voneinander entfernten Regionen ist nicht nur der heuristische Ausgangspunkt des Autors, sondern zugleich Strukturprinzip der Darstellung. Die Tendenzen des historischen Wandels lassen sich bei Borgolte niemals zu Mainstreams vereinigen, sie werden in ihrer Widersprüchlichkeit eingefangen. Hätte man beim Verlag gemerkt, mit welchem Juwel man es zu tun hat, dann hätte man den Band sicher etwas besser ausgestattet. Nichtsdestotrotz - wer sich für neue Wege der Historiographie interessiert, wird auf seine Kosten kommen.


Clifford Geertz: After the Fact. Two Countries, four Decades, one Anthropologist. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1995

Die genialischen Züge von Geertz' kultursemiotischen Studien erschließen sich ihrem Leser leicht. Die Pointe dieses Werkes, das schon acht Jahre alt ist (aber wie lange haben die Historiker gebraucht, bis sie Geertz überhaupt entdeckt haben!), besteht darin, daß es Geertz hier gelingt, sich, seine Fachwissenschaft, deren intellektuelles Umfeld und die von ihm erforschten Kulturen zugleich zu historisieren - dies mit einer gehörigen Portion Humor, finde ich.


Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hg. v. Stefan Jordan. Stuttgart: Reclam 2002

Wörterbücher zur Geschichte gibt es bereits, doch diese Konzeption ist neu. Bei den 100 Lemmata, die auf durchschnittlich drei bis vier Seiten von ausgewiesenen Experten vorgestellt werden, handelt es sich um Konzeptbegriffe der heutigen Geschichtswissenschaft - um eben jene Wörter, die Dozenten ständig verwenden und die die Studenten in die Verzweiflung treiben: Was, bitteschön, ist eigentlich "Alltagsgeschichte", wieso ist allenthalben von "Diskursen", "Historismus" oder gar "Tropen" die Rede? Rede und Antwort stehen Alf Lüdtke, Willibald Steinmetz, Stefan Jordan, Hayden White und viele andere Aufklärer ihres Formats.


Man darf auch historische Romane empfehlen? Nun denn, hier mein liebster:
Eckhard Henscheid: Die Vollidioten. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1972. Mit Zeichnungen der Originalschauplätze von F. K. Waechter. Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 1978 und noch viel öfter.

Während der enervierend humorlosen Arbeit an modularisierten Studienordnungen kam er mir wieder in den Sinn - das Dolcefarniente eines in dauerhafter Harmlosigkeit befangenen Kleinstadt-Trinkermilieus in den Siebziger Jahren. Die Figuren wuseln herum, trinken abwechselnd Bommerlunder und hochkonzentrierten Schwarztee, verlieben sich und schmieden Pläne, wie sie reich werden. Nach einer Woche hat sich nichts, aber auch nichts ereignet. Ein Buch über das andere Westdeutschland, Lesern aus den neuen Bundesländern besonders empfohlen!