Rezension über:

Angelica Federici: Convents, Clausura and Cloisters. Religious Women in Late Medieval Rome and Latium (= I libri di Viella. Arte), Roma: viella 2022, 217 S., 57 s/w-Abb., ISBN 979-12-5469-106-9 , EUR 40,00
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Rezension von:
Hedwig Röckelein
Historisches Seminar, Georg-August-Universität, Göttingen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Hedwig Röckelein: Rezension von: Angelica Federici: Convents, Clausura and Cloisters. Religious Women in Late Medieval Rome and Latium, Roma: viella 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 9 [15.09.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/09/37659.html


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Angelica Federici: Convents, Clausura and Cloisters

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Die an der University of Cambridge eingereichte und von dem Kunsthistoriker Donal Cooper betreute Dissertation von Angelica Federici schließt eine empfindliche Lücke in der Frauenkloster-Historiographie Italiens. Sie nimmt die Konvente aus Rom und Latium für den Zeitraum von 1200-1400 - nach italienischer Periodisierung die Frühe Renaissance - in den Blick. Ihre Untersuchung basiert auf der Architektur, der Ausstattung (Wandmalerei, Altarretabel, Grabmäler, Skulptur, Glocken, bemalte Großkreuze) und den Schriftquellen (Urkunden, Archivalien, Epigraphik).

In den systematischen Kapiteln 2-4 beleuchtet sie exemplarisch dreizehn von insgesamt 71 ermittelten Benediktinerinnen- und Mendikantinnen-Konventen aus Rom und Latium unter den Aspekten sozialer Raum ("space"), Geschlecht ("gender": hier "matronage" statt "patronage") und Herrschaft ("politics"). Dabei bestätigt sie die bereits von anderer Seite gemachte Beobachtung, dass die neuen Orden der Dominikanerinnen, Klarissen, Augustinerinnen, Zisterzienserinnen und der Humiliaten in dieser Zeit den Benediktinerinnen den Rang abliefen (10-11). Die Mendikanten waren nach ihrer Ansicht echte "Game-Changer" im religiösen Feld Latiums (Kap. 4.1). Ihr besonderes Augenmerk gilt den hochrangigen Stiftern und den Künstlern, die die ökonomischen und kulturellen Voraussetzungen für den Unterhalt und die Einrichtung dieser Konvente sicherten.

Ihre Ausgangsthese ist, dass Rom und Latium in der Zeit der "Avignonesischen Gefangenschaft" zwar von den Päpsten vernachlässigt worden seien, dass dies jedoch Freiräume für andere soziale und politische Gruppierungen eröffnet habe, insbesondere die Kardinalbischöfe sowie den lokalen und regionalen Adel, darunter so prominente Familien wie die Boccamazza, Caetani, Cenci, Colonna und Orsini. Dies habe sich auf die enorme künstlerische Produktivität der Frauenklöster der Region ausgewirkt und erkläre, weshalb die renommiertesten Künstler der Zeit für die Frauenklöster engagiert worden seien (u.a. Pietro Cavallini, Bartolomeo Pisano, Lello, der Meister von Anagni).

Federici geht auf die Frage der sogenannten "Nonnenkunst" ("Nunnery art") ein (21-22, Epilogue), ein Sujet, das seit der großen Ausstellung "Krone und Schleier" 2005 vor allem in der kunsthistorischen Forschung virulent ist (der Katalog hier zitiert nach der deutschen Ausgabe von 2005 und der englischen Ausgabe von 2008 [1]). Sie konzentriert sich besonders auf die Heterotopien, die die strenge Klausur in den Reformorden des Hochmittelalters hervorbrachte: den (Nonnen-)Chor, die Türen und Gitter sowie die eucharistisch und christologisch motivierten Monumente (14-15).

Im einleitenden Teil (Kap. 1.2, 17-25) gibt Federici einen konzisen Überblick über die internationale Forschung zu Frauenklöstern der letzten Jahrzehnte. In Kap. 1.3 (26-31) fasst sie die wichtigsten kanonischen Dekrete zur Konstitution der römischen Frauenkonvente zusammen. Den Band beschließt ein Repertorium mit Kurzbiographien aller 71 in der Region existierenden Benediktinerinnen- und Klarissenkonvente der Zeit zwischen 1200 und 1400 (Appendix, 177-190). Sowohl die Überlieferungs- wie auch die Forschungslage zu diesen Konventen ist extrem divers. Es werden auch Hinweise auf die teilweise sehr lange, aber von Unterbrechungen begleitete Dauer einiger benediktinischer Institutionen gegeben, die ihren Ausgang bereits im frühen Mittelalter nahmen.

Verdient macht sich die Studie um die Entdeckung der einen oder anderen bislang übersehenen Perle, wie etwa des Konventes S. Pietro in Montefiascone (Kap. 3.5). Umgekehrt desillusioniert sie unsere Vorstellung, alle Klarissenkonvente seien so prächtig und großzügig ausgestattet gewesen wie Santa Chiara in Assisi oder Santa Maria Donnaregina in Neapel. Sie zeigt vielmehr, dass die meisten Konvente des neuen Ordens in der formativen Phase zunächst aus kleinen Kapellen und bestehenden Gebäuden entstanden und nur einen geringen Grad systematischer Uniformierung aufwiesen. Sie erreichten in der Regel nicht die Größe und Struktur der Männerkonvente und auch nicht die der königlich geförderten Frauenklöster, sondern repräsentierten in ihren Baulichkeiten das Ideal der Armut.

Hinsichtlich der "Nonnenkunst" ist Federici in Anbetracht der Befunde eher skeptisch. Jedenfalls lässt die Überlieferung es in der Regel nicht zu, die Beteiligung der Nonnen an der künstlerischen Ausgestaltung nachzuweisen. Sie konnten entweder als Konvent oder über ihre familiären Bindungen die Auswahl der Künstler und der Ikonographie beeinflussen (herausragende Beispiele sind Anagni und Montefiascone), sie selbst wirkten aber nicht aktiv an der Umsetzung mit. Am stärksten ist der Einfluss der Nonnen im spirituellen Herzstück der Konvente, im Nonnenchor und der Klausur zu beobachten. Hier dominierten die christologischen, mariologischen und eucharistischen Motive. Während die Landklöster der Benediktinerinnen eine gewichtige Rolle beim Ausbau der Machtpositionen des baronialen Adels spielten, standen die Klarissenklöster eher unter der Kontrolle der Päpste, insbesondere derjenigen aus dem Franziskanerorden, und hier vor allem Nikolaus' IV. Deren Patronage wirkte sich auch auf die künstlerische Ausgestaltung und Qualität der Frauenkonvente aus.

Die Autorin argumentiert sehr klar und präzise. Sie enthält sich jeder Weitschweifigkeit. Ihre Argumente sind überzeugend und nachprüfbar anhand der Grundrisse, der dreidimensionalen Rekonstruktionen, die sie mit AutoCAD erstellt hat, der Materialsammlung mit Hilfe von GIS sowie einer Reihe von Schwarz-Weiß-Abbildungen. Vermisst hat die Rezensentin eine geographische Karte der behandelten Konvente. Mit ihrer Hilfe ließe sich die Beobachtung der Autorin, dass die Niederlassungen von Frauengemeinschaften der neuen Orden in Rom und Latium keineswegs gleichmäßig verteilt seien, leichter nachvollziehen.


Anmerkung:

[1] Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern, hg. von Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, und dem Ruhrlandmuseum Essen. München 2005; Jeffrey J. Hamburger / Susan Marti (Hgg.): Crown and Veil. Female Monasticism From the Fifth to the Fifteenth Centuries, New York 2008.

Hedwig Röckelein