Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Maike Schmidt (Universität Leipzig)


John Hardman, Marie-Antoinette. The Making of a French Queen, London 2019.

Man kann im Grunde nie genug über Marie Antoinette gelesen (und gesehen) haben. Ihr ambivalentes, oft von Voyeurismus geprägtes Geschichtsbild fasziniert bis an die Grenzen des Ertragbaren. Vor zwei Jahren hat John Hardman, einer der führenden, angelsächsischen Spezialisten für die Spätphase des Ancien Régime, eine lesenswerte und fundierte Biographie geschrieben. Es handelt sich um die vielleicht erste, dezidiert politische Geschichte der Königin und ist deshalb erfrischend. Kenntnisreich und quellennah erzählt Hardman von der agency der Königin, während der Notabelversammlung, in Vorbereitung auf die Eröffnungsrede der États généraux und in der Phase nach der berüchtigten Flucht nach Varennes im Juni 1791. Hardman stützt sich u.a. auf die (bekannte) geheime Korrespondenz der Königin mit Antoine Barnave, zeitweise Präsident der Nationalversammlung. Diese zeigt laut Hardman, wie aktiv Marie Antoinette am Funktionieren des Projekts konstitutionelle Monarchie interessiert war. Auch dieses Buch dreht sich immer wieder um die Frage, ob die in der öffentlichen Meinung Frankreichs tief verankerte Verachtung gegenüber Marie Antoinette gerechtfertigt war. Geschenkt werden kann es denjenigen mit Kontextwissen, Interesse an den Themen "Revolution" und "Königinnen" und Freude an englischer Lektüre. Hardmans nächste Biographie widmet sich übrigens Antoine Barnave und trägt den verheißungsvollen Untertitel "The revolutionary who lost his head for Marie Antoinette".


Steffen Urbansky, Beyond the Steppe Frontier: A History of the Sino-Russian Border. Princeton 2020.

Die Studie zum russisch-chinesischem Grenzraum war Gegenstand einer angeregten Diskussion in unserer Leipzig Border Studies Reading Group. Der Autor liefert eine "beidseitige" longue durée-Perspektive auf eine entlegene Peripherie, die sich unter Einwirkung nationalstaatlicher Interessen zu wandeln begann, gewiss aber schon vorher "Grenzen" kannte. Diese verbanden sich stets mit Interaktionen zwischen nomadischen ethnischen Gruppen, lokalen Herrschaftsträgern, Zugezogenen und politischen Vertretern der Zentralen St. Petersburg/Moskau und Beijing. Das Buch bietet einen verständlichen Zugang zu einem wenig bekannten Geschichtsraum. Er umfasst Teile Ostsibiriens und der Mongolei. Dreh- und Angelpunkt ist zunächst der Fluss Argun als von indigenen Grenzposten überwachter "natural buffer". Mit dem Ausbau der transsibirischen Eisenbahn in den 1890ern und dem "frontier spirit" kamen tiefgreifende Veränderungen. Semi-koloniale railroad towns wie Manzhouli (Manjur) entstanden. Die Studie gibt Aufschluss über die Arten, wie imperialistische Mächte an entlegenen Peripherien agierten und Kontrolle über Raum und Menschen ausübten, aber auch über die Spielräume der Lokalbevölkerung. Gewalt und Krieg, kulturelle Assimilation, Mobilität und Schmuggel sowie Pandemiemanagement sind nur einige von vielen behandelten Aspekten. Für diejenigen, die sich mit dem osmanischen Reich auseinandersetzen, wird das Thema kosakischer Migration aufschlussreich sein. Die Studie ist eine historisch-geographische Herausforderung, gut lesbar und uneingeschränkt empfehlenswert.


Ruben Östlund, The Square, Schweden, Deutschland, Dänemark, Frankreich, 2017, 151 Min.

Man kann nie genug Filme gesehen haben, die in Cannes ausgezeichnet wurden. Der schwedische "absurdist" Ruben Östlund ist dort schon mehrere Male aufgefallen, zuletzt mit dem in jeder Hinsicht merkwürdigen Film "Triangle of Sadness", dessen Gegenstand eine Luxus-Kreuzfahrt ist. Uneingeschränkt empfehlenswert für diejenigen, die ihn durch Zufall noch nicht kennen sollten, ist "The Square" von 2017 mit Elizabeth Moss und Claes Bang, eine einfach ungeheuer witzige, zuweilen dramatische Satire auf die Kunstszene. Das Setting ist ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Stockholm, in dem es zu einer Reihe von grotesken Situationen kommt, die alle irgendwie mit der irrsinnigen Kunstaktion "The Square" - ein weißes Quadrat auf dem Boden des Museums -zusammenhängen. Besonders die kaum zu ertragende, wohl an Oleg Kulik angelehnte Performance-Szene mit einem menschlichen Gorilla ist im Nachhinein legendär geworden. Sie läuft im Film völlig aus dem Ruder. Der Plot ist schlichtweg nicht zusammenfassbar. Sehen Sie selbst. Ein DVD-Geschenk für alle, die Skurriles und Grenzübertritte gut ertragen können (und sich vielleicht nicht zu sehr mit der performance art verbunden fühlen).