Ein erster Rundgang

Von Karin Wabro, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Museen sind wundervolle Orte der Begegnung, wo sich unterschiedliche Perspektiven verknüpfen lassen und ein Austausch zwischen Institution und Publikum stattfinden kann. Dies bietet Chancen für beide Seiten. Im besten Fall ist ein Museum ein Ort in der Mitte der Gesellschaft, an dem Besucherinnen und Besucher offen empfangen und für Themen begeistert werden, ein Ort, der nachhaltige Eindrücke hinterlässt. Dabei müssen Museen nicht neutral sein, sie dürfen durchaus Stellung beziehen und Haltung zeigen. Das Haus der bayerischen Geschichte in Regensburg bemüht sich ganz in diesem Sinne, ein breites Besucherspektrum anzusprechen. Ein Blick aus der praxisnahen Perspektive der museumspädagogischen Vermittlung zeigt den Spagat auf, den die Institution dabei wagen muss. Welche didaktischen Wege wählen die Ausstellungsmacher? Wie suchen sie ihren eigenen Ansprüchen auf niederschwellige Besucherzentrierung und Unterhaltsamkeit einerseits und auf vielschichtige historische Erzählung andererseits gerecht zu werden?

Zumeist ist es der Klick auf die Website oder die Social-Media-Plattform eines Museums, mit dem alles beginnt. Der Besuch nimmt im digitalen Raum seinen Ausgang, führt idealiter zur realen Begegnung mit dem Museum und reicht bis zu nachträglichen Recherchen oder Gesprächen über die gewonnenen Eindrücke. Der Auftritt des HdbG, speziell der digitale, zeigt, dass die Verantwortlichen diesem Aspekt große Bedeutung beimessen. So erweitert die "Bavariathek", das Herzstück der Website, das Museum in den digitalen Raum und ist eng mit dem medienpädagogischen Projektzentrum verbunden, das an das Museumsgebäude grenzt. Hinter der einfach zu bedienenden Website verbergen sich eine umfangreiche Datenbank und Materialsammlung. Zu diversen Themen der Ausstellung stehen Vertiefungsangebote zur Verfügung. In Sprache und Umsetzung richtet sich das Angebot vor allem an Schulen.

Im medienpädagogischen Projektzentrum ermöglichen es gut ausgestattete Vermittlungsräume, im Rahmen von Bildungsprogrammen, Audio- und Videoarbeiten zu realisieren. Das Besondere daran ist, dass die Ergebnisse in die "Bavariathek" zurückfließen. Die so entstandenen Videos, Podcasts und Tabletführungen machen die lebendige Vermittlungsarbeit des HdbG sichtbar und bereichern das Museumsangebot stetig.

Das Foyer, das eine Passage zwischen Donaupromenade und Innenstadt bildet, spiegelt architektonisch die Willkommenskultur der Institution wider und findet seine unmittelbare Fortsetzung im Rundum-Ausstellungsfilm, einer humorvollen und kurzweiligen Reise durch die ältere bayerische Geschichte, deren Informationswert freilich begrenzt ist. Diesen Film kann man sich jederzeit auch ohne Eintrittskarte ansehen, und das trägt sicherlich dazu bei, die Hemmschwelle zu senken, die für viele Menschen leider immer noch mit einem Museumsbesuch verbunden ist. Der hohe Stellenwert von Inklusion und Barrierefreiheit zeigt sich auch im Blindenleitsystem und in Tastmodellen, in inklusiven Vermittlungsangeboten oder in Mediaguide-Führungen für Hörgeschädigte wie Sehbeeinträchtigte und solchen in leichter Sprache. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich für den Ausstellungsbesuch mobile Sitzhocker und Rollstühle auszuleihen.

Die Dauerausstellung "Wie Bayern Freistaat wurde & was ihn so besonders macht" ist im Obergeschoß untergebracht und gibt Besucherinnen und Besuchern einen chronologisch strukturierten Weg vor. Das offene, lichte Foyer weicht asymmetrisch gesetzten Wänden, die eine gedrängte Atmosphäre schaffen. Erst in der zweiten Hälfte der Ausstellung bricht der Raum zugunsten großer, teils ausgedehnter Installationen wieder auf. Ein wiederkehrendes markantes Element der Gestaltung sind die großen Vitrinen; auf diesen "Bühnen" werden zentrale Ereignisse in der Geschichte Bayerns - kurzweilig und niederschwellig - erzählt. Bei komplexen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen stößt diese Form der Erzählung aber mitunter an ihre Grenzen.

Dass sich die Ausstellung in sogenannte Generationen gliedert, entspricht dem konzeptionellen Leitgedanken, dass der Mensch im Mittelpunkt der Erzählung steht. Es ist ein Versuch, Geschichte und Zeit begreifbar zu machen und Komplexes wie Abstraktes authentisch, aber auch vertraut zu gestalten. Das HdbG ist sichtlich darum bemüht, sein Publikum abzuholen und ein möglichst breites Besucherspektrum anzusprechen. Mitunter gehen didaktische Motive dabei vor wissenschaftliche Präzision.

Mit dem Konzept der "Bühnen" bricht die Ausstellung in den Jahren "1925-1950. Diktatur - Katastrophe - Neubeginn". Eine Vielzahl von Objekten auf komprimiertem Raum konfrontieren die Besucherinnen und Besucher mit dem Nationalsozialismus in Bayern. Um in die große Glasvitrine zu sehen, müssen kleine Buchten betreten werden. Orientierung und Einordnung, die Verbindung von Text und Exponat erfordern Aufmerksamkeit und Konzentration. Das geht zu Lasten der Erzählung und der Möglichkeit einer ebenso fokussierten wie kritischen Auseinandersetzung mit ausgewählten Aspekten. Die Gestaltung wird zum Hindernis, zieht die Aufmerksamkeit auf sich, statt sie auf die Objekte zu lenken. Dem Nationalsozialismus keine Bühne bieten zu wollen, ist konzeptionell nachvollziehbar. Die präsentierte Lösung ist aber aus Vermittlungsperspektive unglücklich.

Dasselbe gilt cum grano salis für die "Kulturkabinette", die Räume mit thematischen Vertiefungsangeboten. Sie brechen aus dem Kanon der chronologischen Erzählung aus und greifen kulturelle Besonderheiten auf, die mit bayerischer Identität verbunden werden. Alle acht "Kulturkabinette" sind unterschiedlich gestaltet und passend zum jeweiligen Thema kreativ umgesetzt worden. Sie bieten Abwechslung in der ansonsten durchaus dicht gesetzten Ausstellung. Sympathisch wirkt dabei auch die leichte Selbstironie, die an vielen Stellen für Auflockerung sorgt. Anhand von Feiertagen, Architektur, Sprache, Regionen oder auch Religiosität kann das Publikum bayerische Identität(en) hinterfragen. Dabei fallen vor allem die interaktiven Zugänge auf, von denen es vielleicht fast zu viele gibt, und zwar insbesondere dann, wenn die Interaktion wenig Mehrwert bietet und auf einer oberflächlich-verspielten Ebene verharrt, statt der inhaltlichen Vertiefung oder Vernetzung zu dienen. Das Thema Dialekte wird beispielsweise auf ein unterhaltsames, aber banales Quiz reduziert. Anhand von Wortvorschlägen, aus denen es die eigene Sprachvariante auszuwählen gilt, identifiziert ein Programm den eigenen Dialekt und die Herkunft. In meinem Fall war dies korrekt, schuldig blieb mir die Station aber die Erklärung der vielen interessant klingenden Wortvariationen, die sie mir zur Auswahl stellte. Das ist schade, da die Medienstation auf das Thema neugierig macht und für Sprache sensibilisiert. Doch die Chance, die sich hier bieten würde, um Wissen und Hintergründe jenseits von Klischees zu vermitteln, bleibt ungenutzt.

Ähnlich verhält es sich mit dem "Kulturkabinett" zur Architektur in Bayern. In einem minimalistischen Setting mit an die Decke projizierten Fotografien von Uwe Moosburger werden detaillierte Modelle berühmter Gebäude in Bayern präsentiert. Die Station bietet einen ästhetisch sinnlichen Zugang, sie ist ein Seh- und Tastvergnügen. Im Vergleich werden architektonische Besonderheiten erkennbar, und dank der mittigen Platzierung erhalten die kleinen Modelle angenehm viel Raum, um sie von allen Seiten in Ruhe und ausführlich betrachten zu können. Leider bleibt es aber bei der Schaulust und dem ästhetischen Vergnügen. Ein kritischer Kontext wäre gerade in Hinsicht auf das Modell des Torhauses des Konzentrationslagers Dachau wünschenswert gewesen, das sich unkommentiert zwischen Neuschwanstein und dem Kloster Weltenburg wiederfindet.

Die Zukunft bringt große Herausforderungen für Museen. Irgendwann wird hoffentlich die Antwort auf zwei Fragen wichtiger sein als die Besucherzahl, wenn es darum geht, den Erfolg eines Museums zu bemessen: Was hat die Ausstellung bei einzelnen Besucherinnen oder Besuchern bewirkt, und welchen Beitrag vermag das Museum zur gesellschaftlichen Selbstreflexion zu leisten? Das HdbG macht sehr viel richtig und schafft es, Geschichte niederschwellig, spannend und relevant zu erzählen. Es versucht, sich einer breit gedachten Gesellschaft zu öffnen, es bindet klug partizipative Ansätze ein und setzt in seinem Angebot auf Aktualität und Relevanz. Dies gelingt ihm auf sympathische und glaubwürdige Weise, indem es auf vielen Ebenen Hürden und Hemmschwellen abbaut. Damit präsentiert sich das HdbG als vertrauenswürdige Institution, die ihren gesellschaftlichen Auftrag überzeugend wahrzunehmen versucht.

Dieses Bemühen drückt sich auch darin aus, dem Publikum auf Augenhöhe zu begegnen, Erwartungshaltungen zu erfüllen und ein möglichst positives Image der Marke Bayern zu kommunizieren. Das funktioniert zwar - obwohl die Distanz zum Markenimage Bayern stellenweise fehlt -, ist aber zugleich eine verpasste Chance für Dialog und Diskurs. Denn das Haus baut seine Erzählung auf einer unausgesprochenen Voraussetzung auf: Bayern ist nicht nur erfolgreich, sondern ein Erfolgsmodell. Uneindeutige Positionen fehlen weitestgehend, Kontroversen werden vermieden oder sind gestalterisch an den Rand gesetzt. Ein kritischer Diskurs über bayerische Geschichte und bayerisches Selbstverständnis kann sich so kaum entfalten. Aus Vermittlungsperspektive ist dies ein Wermutstropfen, denn erst durch die kritische Auseinandersetzung entsteht jene Relevanz, die es einem "Museum für alle" erlaubt, sein volles Potenzial zu entfalten.