Rezension über:

Francesco Bianchi (a cura di): Le pergamene dell'Archivio Savardo. Regesto ed edizione di documenti vicentini (1308-1430) (= Fonti e studi di storia veneta - nuova serie; 1), Roma: viella 2018, 199 S., ISBN 978-88-3313-029-3, EUR 29,00
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Rezension von:
Giuseppe Cusa
Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Giuseppe Cusa: Rezension von: Francesco Bianchi (a cura di): Le pergamene dell'Archivio Savardo. Regesto ed edizione di documenti vicentini (1308-1430), Roma: viella 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 7/8 [15.07.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/07/32009.html


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Francesco Bianchi (a cura di): Le pergamene dell'Archivio Savardo

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Wie die italienische Archivlandschaft im Allgemeinen so ist auch die Vicenzas im Besonderen ebenso vielfältig wie einladend; und wie in vielen anderen Städten der Apenninenhalbinsel beherbergt Vicenza mit der Biblioteca civica Bertoliana - die schon im frühen Ottocento ihre Pforten öffnete - ein Stadtarchiv, ein im März 1943 noch unter den Faschisten eröffnetes Archivio di Stato sowie zahlreiche Archive geistlicher Einrichtungen und von Kulturinstituten betreute Wissensbestände. Die Familienarchive Vicentiner Familien sind indes vornehmlich, aber eben nicht ausschließlich, im Staatsarchiv und in der bereits von Johann Wolfgang von Goethe aufgesuchten Bertoliana verwahrt (34 f.). [1] Den ältesten Beständen eines solchen weder im Stadt- noch im Staatsarchiv befindlichen Familienarchivs, nämlich des Archivio Savardo, ist der zu besprechende Band gewidmet.

Mit seinem schmalen Büchlein verfolgt der Herausgeber ein doppeltes Vorhaben: Einerseits sollen Historie, Struktur und Bestände des Archivio Savardo vorgestellt (16-32), andererseits dessen älteste pergamentene Schriftzeugnisse regestiert (47-119) und eine Auswahl davon ediert werden (121-183). Dies geschieht mit der erklärten Absicht, auf den noch weitgehend unberücksichtigt gebliebenen Archivmaterialien beruhende Studien zur Stadtgeschichte anzuregen (22).

Nicht atypisch, aber durchaus bewegt ist das Zustandekommen des heutigen Archivbestandes: Die namensgebende Familie Savardo siedelte erst im späten 17. Jahrhundert aus der Lombardei nach Vicenza über, in der sie dank ihrer florierenden Apotheke mit der städtischen Führungselite nicht nur lukrative Geschäfte machte, sondern auch familiäre Bande knüpfte. Durch die Eheverbindungen fielen zugleich die Familienarchive der Monza, Capra, Gonzati, Mocenigo, Porto Barbaran und Zugliano Trento an die Savardo (16-18). 1969 vermachte der letzte Nachkomme den familiären Nachlass, darunter auch das Archiv, an die Ursulinen von Breganze im Vicentiner Umland. Doch erst 1994 entdeckte man eben jenes Familienarchiv, das sich aus Pergamenten, Drucken, einer musikalischen Sammlung und heute in weiteren Abteilungen angeordneten Objekten zusammensetzt, auf dem Dachboden des einstigen Landhauses der Savardo in Breganze wieder. Die Schwestern übergaben die Archivmaterialien dem 1975 gegründeten Istituto per le Ricerche di Storia Sociale e Religiosa di Vicenza, und noch heute betreut selbiges - seit 2017 unter dem geänderten Stiftungsnamen Fondazione di Storia di Vicenza - das Archivio Savardo. [2] Das Archivmaterial wurde unlängst inventarisiert, teilweise restauriert und soll nunmehr - der vorliegende Band läutet die entsprechende Schriftenreihe ein - sukzessive bekanntgemacht werden.

Die ältesten Unterlagen des Archivio Savardo aus dem beginnenden 14. Jahrhundert stammen aus den einstigen Archivbeständen der Familien Monza und Capra. Diese Archivalien befanden sich indes nicht selten zunächst im Besitz anderer Familien und sind erst nachträglich an eines der beiden genannten Geschlechter gelangt, weswegen die Monza in keinem der regestierten Schriftzeugnisse namentlich vorkommen (23 f., 26 f.). Während die Capra alteingesessene Vicentiner waren, zogen die Monza erst unter den Visconti, denen die Geschicke der Stadt 1387-1404 oblagen, nach Vicenza. Die Sammlungen der Capra und Monza umfassen Notariatsinstrumente, Prozessunterlagen, Rechnungsbücher, Besitzurkunden, Erinnerungen, Briefkorrespondenzen oder auch libri di famiglia. Der Fondo Monza wartet mit 1178 Pergamenten aus den Jahren 1308-1678 auf, der Fondo Capra sogar mit 1468 Pergamenten aus den Jahren 1322-1727 (20 f.).

Der vorliegende Band bietet Regesten zu den ältesten 126 Notariatsinstrumenten aus den Jahren 1308-1430. Die Zäsur liegt in der ab den 1430ern ausufernden Überlieferung begründet (22). Von diesen 126 regestierten Zeugnissen, die sich auf 116 Pergamentblättern verzeichnet finden, wird eine Auswahl von 22 Instrumenten zusätzlich ediert. 106 Pergamente, auf denen 114 verschiedene Textzeugnisse stehen, stammen aus dem Fondo Capra, die restlichen zehn Überlieferungsträger mit zwölf Dokumenten aus dem einstigen Besitz der Monza. Inhaltlich behandelt das Textkorpus Güterabwicklungen wie Kauf, Tausch und Pacht, Finanzgeschäfte in Form von Verträgen oder Quittungen, Vermögensorganisation wie Mitgifte oder Testamente, sowie weitere disparate Angelegenheiten wie Urteile, Vollmachten oder Investituren (24 f.). Man erhält folglich einen Einblick in soziale, rechtliche und wirtschaftliche Gepflogenheiten und vereinzelt auch in die politische Gemengelage. Darüber hinaus findet sich manch anderer, willkommener Fund: So begegnen etwa unter den 66 Notaren, die die Instrumente aufsetzten oder Kopien davon anfertigten, die beiden Vicentiner Geschichtsschreiber Conforto da Costozza und Antonio Godi (22 f., Regesten 50 f., 78).

Die chronologisch nach der Ausstellung des Originals angeordneten und durchnummerierten Regesteneinträge umfassen Datum und Ausstellungsort, den Namen des Notars, eine vornehmlich kurze Darstellung des Sachverhalts, die Archivsignatur sowie eine äußere Beschreibung des Textzeugen (Original/Kopie, Material, Maße, Zustand, Notarssignet, Dorsalnotizen). Für die vom Herausgeber dieses nützlichen Hilfsmittels gehegte Absicht, die Erforschung der Vicentiner Stadtgesellschaft des Spätmittelalters zu befeuern (33-41), eignen sich die Regesten allerdings nur bedingt. Ein Abgleich der regestierten und zugleich edierten Notariatsinstrumente offenbart nämlich, dass nicht alle darin enthaltenen Personen- und Ortsnamen im Regest aufgeführt sind. Beziehungsgeflechte und Personennetzwerke lassen sich folglich nur fragmentarisch anhand der edierten Auswahl oder eben unter Rückgriff auf das originale Schriftstück präzise nachzeichnen. So fehlen beispielsweise durchgängig die Namen der Zeugen, die einem Rechtsakt beiwohnten: Im Falle eines Pachtvertrags aus dem Jahr 1419 (Edition Nr. 15, Regest Nr. 89) sind dies etwa Bartolomeo di Gerardino aus Chiuppano sowie Antonio di Guidone und Guglielmo di Giovanni, beide aus Zanè (100, 164-166).

Beigegeben sind den sorgfältig regestierten und edierten Instrumenten 16 teils farbige Abbildungen, darunter auch die von acht Pergamentblättern unterschiedlichen Objektmaßes und Erhaltungszustands. Über ein Namen- (185-195) und ein Ortsregister (197-199) lässt sich auf die Regesten und Editionen zugreifen.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser ebenso begrüßenswerte wie gründlich redigierte Band, der in einen wertvollen Bestand einführt und dessen älteste Zeugnisse aufbereitet, wie beabsichtigt um weitere Veröffentlichungen ergänzt wird, um das Archivio Savardo weiter zu erschließen und zugleich Materialien aus dem spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vicenza bereitzustellen.


Anmerkungen:

[1] Während Bianchi hier von 38 in der Biblioteca civica Bertoliana aufbewahrten Familienarchiven spricht, listet selbige 41 verschiedene archivi di famiglia in ihrem Bestand auf, vgl. https://www.bibliotecabertoliana.it/it/settore_antico/archivi/archivi_di_nobili_famiglie_vicentine (02. Juli 2019).

[2] Die Fondazione di Storia di Vicenza, eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisation (Organizzazione non lucrativa di utilità sociale, abgekürzt: ONLUS), beschäftigt sich ferner schwerpunktmäßig mit der Aufarbeitung der Geschichte Venetiens und Italiens, aber auch Osteuropas und Zentralasiens, vgl. https://www.fondazionedistoriaonlus.it (02. Juli 2019).

Giuseppe Cusa