Rezension über:

Alexandra Dimou: La déesse Korè-Perséphone: mythe, culte et magie en Attique (= Recherches sur les rhétoriques religieuses; Vol. 18), Turnhout: Brepols 2016, 551 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-56508-8, EUR 90,00
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Rezension von:
Soi Agelidis
Institut für archäologische Wissenschaften, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Soi Agelidis: Rezension von: Alexandra Dimou: La déesse Korè-Perséphone: mythe, culte et magie en Attique, Turnhout: Brepols 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 9 [15.09.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/09/29781.html


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Alexandra Dimou: La déesse Korè-Perséphone: mythe, culte et magie en Attique

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Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Version der Dissertation von Alexandra Dimou, die sie 2012 an der Universität von Straßburg eingereicht hat. Thema der Arbeit ist die Göttin, die vorrangig als Kore und Persephone bezeichnet wird, wie sie in Attika im Mythos, im Kult und in der Magie fassbar ist. Literarische, epigraphische und archäologische Quellen aus der Zeit von der Archaik bis in die Spätantike wurden dafür herangezogen (8).

Zunächst fasst Dimou die Forschungsgeschichte zusammen, indem sie ein breites Spektrum an Publikationen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert heranzieht (9-21). Als eigenes Ziel nennt sie ein besseres Verständnis der Auffassung von Kore durch die antiken Menschen (21-22). Dimou unterstreicht, dass trotz der Berücksichtigung einer Vielfalt von Quellen der Blick darauf jener einer Philologin, nicht einer Archäologin ist (22).

Der erste Teil der Arbeit widmet sich den Mythen und dem Namen der Göttin (25-104). Als Erstes geht die Autorin auf die Versionen des Mythos ein (29-42). Sodann werden die orphischen Texte ausführlich (33-39), die hellenistischen Autoren (39-40) sowie die Lokalisierung des Raubes der Persephone in Attika (40-42) kursorisch besprochen.

Das zweite Kapitel behandelt den Sprachgebrauch bei den Tragikern (43-55). Neben der Bezeichnung der Göttin als Kore oder Persephone werden hier auch ihre verschiedenen Rollen angesprochen, wie Kourotrophos oder Königin der Toten.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der Darstellung der Kore als Mondgöttin in Zusammenhang mit Ideen etwa der Stoiker oder Pythagoräer (57-61), den Vorstellungen der Kore als Herrin der eidola bei Homer, Philostratos und Plutarch (62-63) sowie den Ansichten der Neoplatoniker und insbesondere der Interpretation des Proklos (63-67).

Es folgen zwei Kapitel zur Etymologie der Namen der Göttin, Persephone und Kore. Modernen Ableitungen stellt Dimou zahlreiche antike und spätantike gegenüber. Sie basieren v. a. auf Wohlstand (70), Ähren (71), Gewalt (71-74) und Licht (74-76), zudem wird sie als das junge Mädchen oder die Pupille des Auges verstanden (83), ferner als Tochter (83-85), hübsche Frau (85-87, 89-90) oder die "Jüngere" (87-89). Mit ihr assoziiert man auch Licht, Sterne und Mond (90-93) sowie den koros, die Sättigung (93-95). Abschließend befasst sich Dimou mit den Namen der Göttin im Kult. In den attischen Inschriften werden dabei "Kore" und "Pherrhephatta" verwendet (97-98). Ausführlich geht Dimou ferner auf die Bezeichnung der Kore zusammen mit Demeter als theai im Kult (98-100) und bei Schwüren (100-102) ein.

Den ersten Teil beschließt ein kurzes Fazit (103-104): Die Göttin wird im Einzelnen durch ihre Bezeichnung als Kore bzw. Persephone charakterisiert und nicht wie sonst üblich durch Epitheta. Dabei verweist der Name Kore auf ihr verwandtschaftliches Verhältnis zu Demeter, das zudem durch die Verwendung des Dual im Sprachgebrauch unterstrichen wird. Im Mythos tritt die Göttin mit Hesiods Theogonie in Erscheinung, wo bereits ihre Entführung durch Aidoneus beschrieben wird. Der homerische Hymnos an Demeter greift das Thema erneut auf und liefert das Aition für die Mysterien von Eleusis. Weitere Varianten werden von späteren Autoren überliefert; Plutarch assoziiert die Göttin mit dem Mond.

Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Göttin im Kontext der öffentlichen Kulte (107-243). Einleitend weist Dimou auf das vermeintliche Problem der Kulte für chthonische Gottheiten: Kulte für chthonische Gottheiten gäbe es - mit einer Ausnahme - keine, doch sei bei der Göttin aufgrund ihrer jährlichen Rückkehr auf die Oberwelt dieses Hindernis aufgehoben (107-108).

Der erste Abschnitt hat die athenischen Thesmophorien zum Gegenstand (109-164). Dimou sieht das Fest als eine Demonstration der Legalität des Bürgerrechtsstatus von jungen Männern an, vergleichbar mit ihrer Einführung in die Phratrien, die nach der perikleischen Bürgerrechtsreform stark an den Status der Mütter gebunden war.

Als Nächstes geht Dimou auf die Thesmophorien in attischen Demen ein (130-164). Die Auswertung der Quellen belegt quantitativ die Ausbreitung des Festes - in Alimos, Piräus, Cholargos, Eleusis, Pithos, Melite, Oe und Phrearrhioi (130-146). Abweichungen vom Vorgehen in der Klassik bezüglich der Teilnehmenden lehnt Dimou ab (146-149). Sie unterstreicht hingegen die Bedeutung der beiden Göttinnen für das religiöse Leben und die Bürgerschaft Athens (149-152). Des Weiteren befasst sie sich eigens mit der außenpolitischen Funktion der Göttinnen (152-164).

Es folgt die Besprechung der Haloa (165-175), der Mysterien von Eleusis (177-191), der Kleinen Mysterien (193-198) und der Skira (199-208). Anschließend geht die Autorin auf lokale Kulte und Feste ein, die vielfach mit thesmophorischen bzw. eleusinischen Kulten zusammenhängen (209-235). Im letzten Abschnitt kehrt Dimou in das Athener Stadtzentrum zurück und befasst sich mit der Agora (237-242).

Zusammenfassend (242-243) wird hervorgehoben, dass vorrangig die Thesmophorien und die Eleusinischen Mysterien der Verehrung der Göttin dienten und sie gemeinsam mit ihrer Mutter für die Bürgerschaft von besonderer Bedeutung war.

Der dritte Teil befasst sich mit Formen der privaten Religiosität (245-301), worunter die Magie (245-277), ein Beispiel für das Heiligtum eines Kultvereins (279-284) und die Traumdeutung (285-301) behandelt werden.

In ihrem Fazit (303-307) hebt Dimou vorrangig die Dualität von Kore-Persephone hervor, die sich neben den beiden Namen der Göttin in unterschiedlicher Weise äußert: Sie agiert in der Unterwelt wie in der Welt der Lebenden, sie wechselt zwischen der Rolle als junges Mädchen und als verheiratete Frau. In der Kaiserzeit kommt zudem der lunare Aspekt hinzu. Des Weiteren ist sie kultisch eng mit ihrer Mutter Demeter verbunden. Schließlich weisen auch ihre Feste zwei Schwerpunkte auf, die eleusinischen mit den Mysterien und die thesmophorischen mit ihrer staatstragenden Bedeutung.

Ein Appendix zum Bild der Göttin bei Porphyrios (309-320), ein Corpus mit 394 Primärquellen in Original und Übersetzung (321-445), vier Karten bzw. Pläne (447-455), Bibliographie (457-514), Abbildungsverzeichnis (515-516) und drei Indices (517-545) schließen das Buch ab.

Die Gliederung des Buches ist klar, die Zusammenfassungen nach jedem Abschnitt sind instruktiv und fördern den Lesefluss. Dimou hat in großem Umfang Quellen - vorrangig literarische und epigraphische - zusammengetragen und diskutiert. Daraus legt sie die Mythen, Kulte und Praktiken der privaten Religion in diachroner Perspektive dar. Ihre Kenntnis des Materials sowie ihr kritischer Blick auf Primärquellen und Forschungsmeinungen führen zur Formulierung von differenzierten Urteilen in zahlreichen Punkten, wobei man sich vielfach etwas dezidierte Stellungnahmen wünschen würde. Insgesamt bleiben jedoch ihre Ausführungen leider vielfach deskriptiv und man vermisst daher eine stärker analytische Herangehensweise sowie eine deutlichere Fokussierung auf Persephone selbst und ihre eigene Signifikanz. Die nachvollziehbar konstatierte Dualität der Göttin führt zu einer Diffusion mit ihrer Kultpartnerin Demeter, so dass das Bild der Persephone selbst nicht klar wird. Des Weiteren wird der zweite Kultpartner der Göttin, Hades (hier meist als Plouton bezeichnet) lediglich vereinzelt erwähnt und nicht wirklich diskutiert. Dennoch, die genannten Verdienste der Arbeit überwiegen und so wird sie Teil der wieder belebten Diskussion zu chthonischen Gottheiten sein.

Soi Agelidis