Rezension über:

Stella Rollig / Georg Lechner (Hgg.): Maria Theresia und die Kunst, München: Hirmer 2017, 232 S., 160 Farbabb., ISBN 978-3-7774-2922-9, EUR 39,90
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Rezension von:
Werner Telesko
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Werner Telesko: Rezension von: Stella Rollig / Georg Lechner (Hgg.): Maria Theresia und die Kunst, München: Hirmer 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 1 [15.01.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/01/31189.html


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Stella Rollig / Georg Lechner (Hgg.): Maria Theresia und die Kunst

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Im Jubiläumsjahr, das aus Anlass des 300. Geburtstags der habsburgischen Regentin (1717-1780) eine ganze Reihe von Aktivitäten hervorbrachte, war Maria Theresia auch ein Thema in Kunstausstellungen. Neben der an mehreren Standorten durchgeführten Jubiläumsschau "300 Jahre Maria Theresia: Strategin - Mutter - Reformerin", die vom Schloss Schönbrunn organisiert wurde, widmete sich das Wiener Belvedere mit "Maria Theresia und die Kunst" den vielfältigen Beziehungen der Herrscherin zur bildenden Kunst. Der Ausstellungstitel ist keineswegs selbstredend, indiziert er doch zugleich einen Überblick über die Kunstproduktion in den habsburgischen Ländern in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.

In der Tat ist es nicht einfach, in allen Bildgattungen sowie in der Architektur ein durchgehend enges Verhältnis der Regentin zur Kunst nachzuweisen, geschweige denn einen bestimmten, von Maria Theresia besonders geförderten Stil auszumachen. Die Ausstellung im Belvedere nähert sich der Fragestellung implizit mit verschiedenen Beiträgen, welche die Kunstgattungen kapitelweise in den Blick nehmen. In dieser Hinsicht widmete sich Maike Hohn der Einrichtung der k. k. Gemäldegalerie im Belvedere, Georg Lechner der Porträtmalerei, Sylvia Schuster-Hofstätter dem Wiener Landschaftsmaler Johann Christian Brand, Andreas Gamerith der Wand- und Deckenmalerei, Maria Pötzl-Malikova den bildhauerischen Aufträgen Maria Theresias und Birgit A. Schmidt dem Skulpturenauftrag Wilhelm Beyers für den Garten in Schloss Schönbrunn sowie dem Porzellan.

In allen Aufsätzen stehen die Auftragsvergaben durch die Herrscherin im Zentrum. Es ist kennzeichnend, dass von einer zentralistischen Kunstpolitik mit hohem Durchsetzungswillen seitens des Kaiserpaares und Hofes nicht durchgehend die Rede sein kann. Ausnahmen stellen hier sicher die höfische Sepulkralplastik (mit ihrer großen Tradition in der Wiener Kapuzinergruft), Statuenzyklen (wie jener Wilhelm Beyers in Schönbrunn) und die Porträtmalerei in großem Format (Martin van Meytens d.J.) dar. Zu diesem Befund trägt sicher einerseits auch der Umstand bei, dass letztlich eine Kunstpersönlichkeit, die als Organisator des Geschehens auftreten hätte können, fehlte. In diesem Sinn ist auch der Konflikt bzw. Antagonismus zwischen dem von Maria Theresia geförderten Hofarchitekten Nicolaus Pacassi und dem von Franz Stephan protegierten, in Wien aber bald angefeindeten lothringischen Architekten Jean Nicolas Jadot charakteristisch. Andererseits ist auch das Faktum bemerkenswert, dass mit Ausnahme der unablässigen Propagierung der Heiratspolitik der Familia Augusta kein tragfähiges politisches Konzept existierte, das man in den Bildgattungen flächendeckend zur Anwendung hätte bringen können.

So bleibt - und darauf weist Ausstellungskurator Georg Lechner bereits in seiner Einleitung hin (10) - ein durchaus facettenreiches, aber letztlich unscharfes Bild Maria Theresias als Förderin, Kennerin und Liebhaberin der Kunst. Diese drei Eigenschaften haben sicher auch die wahrhaft revolutionäre Entscheidung der Regentin im Jahr 1766 befördert, den zuvor in der Stallburg versammelten Bilderbesitz des Erzhauses in das fernab der kaiserlichen Residenz gelegene Belvedere zu transferieren und damit die Grundlagen für ein nach stil- und entwicklungsgeschichtlichen Kriterien geordnetes und allgemein zugängliches Museum zu schaffen.

Einfacher ist die Sachlage im Porträtfach, wo die beachtliche Zunahme der Zahl der Darstellungen Maria Theresias (weniger aber ihres Gemahls) in praktisch allen Formaten auf eine starke Nachfrage für (halb-)öffentliche Zwecke verweist. Georg Lechner wirft hier die interessante Frage auf, ob nicht ein Hauptrepräsentant der Malerei Kaiser Karls VI., Johann Gottfried Auerbach, wesentlich an der Schöpfung der in der Folge von Martin van Meytens d.J. und seiner Werkstatt so facettenreich verbreiteten Porträttypen beteiligt gewesen sein könnte (46f.). In diesem Fall wäre eine wesentlich höhere Kontinuität zur "karolinischen" Hofkunst gegeben, als bisher angenommen. Die Blüte der maria-theresianischen Porträtkunst, die sich vor allem in kleinformatigen Miniaturen entfaltete, ist aber weniger dem "Inkrafttreten" (48) der "Pragmatischen Sanktion" geschuldet als vielmehr der politisch instrumentalisierten "Bildpolitik" ab der ungarischen Krönung Maria Theresias (1741).

Schwieriger ist die Sachlage in der Landschafts- und Vedutenkunst, wo nicht nur die für Laxenburg in Auftrag gegebenen und künstlerisch äußerst innovativen Veduten Johann Christian Brands (1758/59) von Bedeutung sind, sondern ebenso die von Maria Theresia bei Bernardo Bellotto bestellten und von diesem 1759/60 realisierten 13 Ansichten Wiens und der kaiserlichen Schlösser aus der Umgebung. Dieser Zyklus, der erst spät in die kaiserliche Sammlung kam, schien dazu bestimmt gewesen zu sein, in einer Art dynastischer Selbstvergewisserung die vor Kurzem in den kaiserlichen Besitz gekommenen Schlösser Belvedere und Schloss Hof zusammen mit Ansichten Schönbrunns zu präsentieren.

Andreas Gamerith beschreibt in seinem Beitrag Blüte und Niedergang der österreichischen Wandmalerei. Einerseits wirkten hier markante Künstlerpersönlichkeiten wie Joseph Ignaz Mildorfer und Franz Anton Maulbertsch, aber von einer höfischen Indienstnahme ist - mit wenigen, allerdings signifikanten Ausnahmen (Ungarische Botschaft in Wien; kleine und große Galerie in Schönbrunn, "Riesensaal" in der Innsbrucker Hofburg u.a.) - letztlich wenig zu spüren. Trotzdem spielt die Deckenmalerei in dem konzeptuell außerordentlich geschlossenen Ensemble der Maria-Theresien-Gruft (1754) innerhalb der Kapuzinergruft eine wichtige Rolle. Zusammen mit dem von Balthasar Ferdinand Moll fertiggestellten Prunksarkophag des Kaiserpaares ist eines der seltenen Beispiele anzutreffen, wo politische Repräsentation eine überaus enge Ehe mit heilsgeschichtlicher Programmatik einging. Doch auch hier bleibt der eigentliche Konzeptersteller im Dunkeln, sieht man von der von Maria Pötzl-Malikova (153f.) ventilierten Beteiligung Pacassis ab.

Deutlicher kann die Konzeption in jenen Werken nachgezeichnet werden, bei denen man die Handschrift des mächtigen Staatskanzlers Fürst Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg antrifft - in der ambitionierten Reorganisation des Kunstbetriebs von Akademie und Hofbauamt (1772) sowie im Skulpturenprogramm des Schönbrunner Schlossparks. Aber auch bei diesem ehrgeizigen und ab 1773 vom Gothaer Bildhauer Wilhelm Beyer durchgeführten Auftrag ist eine einheitliche Konzeption in der verwirrenden Mischung aus antiker Mythologie und Tugenden, die angeblich auf Maria Theresias Eigenschaften verweisen, sowie römischer Geschichte schwer auszumachen.

Der Katalog zeigt anhand einer schillernden Fülle von Hauptwerken künstlerische Qualität einerseits und das historische Problem der konkreten Fixierung einer "Kunstpolitik" Maria Theresias andererseits. Mit Ausnahme der so gut wie immer unterschätzten Druckgrafik wird ein handlicher Überblick geboten. Die nach dem Jubiläumsjahr abzuschließenden Forschungen werden hoffentlich weitere Erkenntnisse in der komplexen Frage der kulturellen Praxis der maria-theresianischen Epoche liefern.

Werner Telesko