Rezension über:

Richard Duncan-Jones: Power and Privilege in Roman Society, Cambridge: Cambridge University Press 2016, XII + 229 S., ISBN 978-1-107-14979-3, GBP 64,99
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Rezension von:
Andreas Klingenberg
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Klingenberg: Rezension von: Richard Duncan-Jones: Power and Privilege in Roman Society, Cambridge: Cambridge University Press 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 1 [15.01.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/01/29687.html


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Richard Duncan-Jones: Power and Privilege in Roman Society

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Das Thema des anregenden Buches umreißt Richard Duncan-Jones eher zurückhaltend als "the dynamics of the Roman promotion system" (xi) und leistet dabei einen Beitrag zu einer kontrovers geführten Debatte, ohne auf diese näher einzugehen. Es geht ihm um die Frage, inwieweit Beförderungen bzw. die Ernennung zu bestimmten Ämtern oder Verwaltungsposten eher auf Verdienst oder auf anderen Faktoren wie dem sozialen Rang beruhten. Ausgangspunkt für Duncan-Jones' Überlegungen war eine Untersuchung zum römischen Ritterstand. [1] Diese Studie ging in überarbeiteter Form als zweiter Teil in die vorliegende Studie ein (87-128), in der er sein Augenmerk auf die Senatoren (1-86) und auf Sklaven und Freigelassene (129-153) erweitert.

Auf der Basis vollständig oder nahezu vollständig bekannter cursus individueller Senatoren aus der Zeit von Augustus bis Diocletian, deren Zahl sich auf über 550 Personen beläuft (6), unternimmt Duncan-Jones statistische Untersuchungen, um Beförderungsbedingungen und -chancen auszuloten. Dazu benutzt er ein "scoring system", bei dem er zwischen "social score" und "career score" unterscheidet (154-156). Mit ersterem versucht Duncan-Jones den sozialen Rang eines Senators zu Beginn seiner Karriere in Zahlen zu fassen und zu hierarchisieren. Einem Patrizier misst er dabei sieben Punkte zu, ein nach Absolvierung seiner militiae in den Senat aufgestiegener Ritter erhält einen Punkt. Beim "career score" hingegen werden Punkte für die Laufbahn verteilt, die sich jeweils danach richten, welcher der höchste erreichte Posten war.

Dabei ist sich Duncan-Jones der Schwierigkeiten bewusst, die sich aus dem Quellenmaterial ergeben, da in den meisten Fällen über die reine Abfolge der Posten keine biografischen Daten bekannt sind (3, Anm. 1). Die Quellen, in erster Linie epigrafischer Natur, sind zudem nicht gleichmäßig über den gesamten Untersuchungszeitraum verteilt (73-80) und sind in Hinsicht der enthaltenen Details oft selektiv (81-86).

Das prosopografische Material wird nicht in vollem Umfang ausgebreitet, die einzelnen Senatoren werden lediglich in einer Tabelle durchnummeriert und in alphabetischer Abfolge präsentiert (182-199). Abgesehen von statistischen Angaben sind Karrieredetails nicht aufgeführt, stattdessen wird auf die Quelle oder ein prosopografisches Standardwerk wie die Prosopographia Imperii Romani verwiesen. Ein weiterer Anhang (162-179) erklärt allerdings einige ausgewählte Laufbahnen und bettet sie in die zuvor erzielten Erkenntnisse ein.

Diese Ergebnisse sind vielfältig, so kann Duncan-Jones eine Korrelation zwischen einem hohen "social score" und dem "career score" zeigen (8-21). Demnach standen insbesondere für Patrizier sowie für Senatoren aus arrivierten Familien die Chancen auf eine glorreiche Karriere ausgesprochen gut. Allerdings handelte es sich keineswegs um ein starres System, denn es drangen auch Personen ohne eine gute Ausgangslage zu höchsten Posten vor. Umgekehrt gab es Faktoren, die sich negativ auf eine Karriere auswirkten. Insbesondere sind hier die finanziellen Anforderungen an einen Senator während seiner Laufbahn zu nennen (3f., 25f.). Nicht wenige Laufbahnen endeten deswegen vorzeitig, wenn die betreffende Person den Senat nicht sogar ganz verlassen musste. An ihre Stelle traten unter anderem neue Senatoren aus den Provinzen, die aber erst ab den Flaviern in größerer Zahl zu erkennen sind (61-72).

Der Ritterstand war im Vergleich zum ordo senatorius weitaus inhomogener. So standen Rittern, die bedeutende Führungspositionen in Rom und im Reich innehatten, anderen Personen gegenüber, für die nur die Mitgliedschaft im ordo equester nachgewiesen ist (89-104). Angesichts des Untersuchungsgegenstands interessiert Duncan-Jones vor allem die equites der ersten Gruppe. Insbesondere untersucht er die Laufbahnaussichten in Abhängigkeit der (zuvor) bekleideten militiae. Der überwiegende Teil der Ritter ist nur in einer solchen militärischen Funktion nachzuweisen. Wer jedoch vier dieser Posten innegehabt hatte, konnte sich die größten Chancen auf hohe zivile Funktionen und möglicherweise sogar die anschließende Aufnahme in den Senat ausrechnen (112f.). Daneben gab es auch Procuratoren, die offenbar keine militärische Funktion bekleidet hatten. Sie verdienten ihre Beförderung vermutlich sozialen Vorteilen, also die Abkunft aus einer vornehmen Familie und gute Beziehungen. Im Schnitt erreichten sie höhere Posten als ihre langgedienten Standesgenossen (113). Nur kurz streift Duncan-Jones die ökomischen Unternehmungen der Ritter (118-122), um sich schließlich der Frage zuzuwenden, inwiefern eine Abwertung des Ritterranges zu verzeichnen war (123-128). Die Aufnahme von Freigelassenen in den Stand ließe sich ohne Frage in dieser Richtung interpretieren; es wäre aber zu diskutieren, ob die bekannten Fälle nicht eher als Ausnahmen zu verstehen sind. Ähnlich verhält es sich mit standeswidrigen Auftritten von Rittern und ihren Nachkommen in der Arena, auch wenn wir an einigen Stellen davon hören.

Sklaven waren in der römischen Welt kaum wegzudenken und in vielen Kontexten eingesetzt. Duncan-Jones wendet sich dieser Bevölkerungsgruppe in einer etwas befremdlichen Art und Weise zu, indem er die Sklaverei als 'Karriere' untersucht (142-153). Nach römischem Recht gab es die Möglichkeit des Selbstverkaufs in die Sklaverei. Zwar gab es neben Bergwerken und anderen entbehrungsreichen Arbeitsplätzen auch ganz andere Beschäftigungsmöglichkeiten von Sklaven, etwa als Sekretäre oder Vermögensverwalter, nicht zuletzt im kaiserlichen Haushalt. Entgegen den vielfach geäußerten Zweifeln an einer großen Bedeutung dieser Möglichkeit hält Duncan-Jones die freiwillige Sklaverei für einen nennenswerten Faktor. Die Annahme, die große Zahl an Sklaven und Freigelassenen in Rom sei anders nicht erklärbar, darf aber durchaus mit Skepsis betrachtet werden.

Leider fehlt ein Fazit, das die Einzelergebnisse miteinander in Beziehung setzt und zu einem Gesamtergebnis bündelt. Das betrifft sowohl die einzelnen Teile für sich als auch die Arbeit als Ganzes. Viele der erzielten Erkenntnisse sind zudem nicht neu, sondern wurden bereits früher in der Forschung, zumindest für einzelne Perioden, hervorgehoben. Duncan-Jones' Verdienst ist es jedoch, mit einer methodisch anregenden Vorgehensweise bisherige Urteile auf einen größeren Zeitraum zu erweitern, sie teils zu untermauern, teils aber auch abzuschwächen oder zu widerlegen. Zudem finden sich vielfach bemerkenswerte Schlussfolgerungen und anregende Gedanken wie beiläufig im Text, dessen aufmerksame Lektüre nicht nur aus diesem Grund wärmstens all denen empfohlen sei, die sich mit der entsprechenden Materie beschäftigen.


Anmerkung:

[1] Richard Duncan-Jones: Who were the equites?, in: Studies in Latin literature and Roman history XIII (= Collection Latomus; Bd. 301), ed. by Carl Deroux, Brüssel 2006, 183-223.

Andreas Klingenberg