Rezension über:

Umberto Laffi: In greco per i Greci. Ricerche sul lessico greco del processo civili e criminale romano nelle attestazioni di fonti documentarie romane, Pavia: IUSS Press. Instituto Universitario di Studi Superiori di Pavia 2013, X + 132 S., ISBN 978-88-6198-086-0, EUR 29,00
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Rezension von:
Vera Hofmann
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Vera Hofmann: Rezension von: Umberto Laffi: In greco per i Greci. Ricerche sul lessico greco del processo civili e criminale romano nelle attestazioni di fonti documentarie romane, Pavia: IUSS Press. Instituto Universitario di Studi Superiori di Pavia 2013, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 1 [15.01.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/01/24430.html


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Umberto Laffi: In greco per i Greci

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Umberto Laffi hat der Wiedergabe der lateinischen termini technici des Straf- und Zivilprozessrechts in griechischen Texten der römischen Verwaltung eine Spezialuntersuchung mit dem Titel In greco per i Greci gewidmet, in der er Inschriften und Papyri bis in die Zeit der Severer untersucht. Auf eine knappe Einführung in die Thematik (1-5) folgen die Analyse von 28 Einzeltexten (5-88) und abschließende Bemerkungen (88-97). Angestrebt wird ein besseres Verständnis der Texte (nicht der hinter den termini stehenden Institutionen), um letztlich zu klären, inwiefern Änderungen beim Gebrauch von Begriffen, Syntagmata und formelhaften Wendungen auf eine allgemeine Entwicklung der Übersetzungskunst zurückzuführen sind.

Die lexikalische Analyse der Texte ist zweigeteilt: nach dem senatus consultum de Asclepiade aus dem Jahr 78 v.Chr. (Nr. 2.1; RDGE 22), das als einzige für die Thematik relevante Bilingue vorgereiht wurde, werden zunächst Dokumente von allgemeiner Relevanz in chronologischer Reihenfolge untersucht. Die folgenden Nummern 2.14.1-2.14.12 werden der Rubrik Appellationsverfahren zugeordnet. Als 'Addendum ultimum' liefert der Autor noch drei Zeilen eines senatus consultum aus dem Jahr 140 v.Chr. über einen Konflikt zwischen Magnesia am Mäander und Priene (RDGE 7) nach. [1] Diese repräsentative Zusammenstellung von Stichproben umfasst - meist in Ausschnitten - senatus consulta, Gesetze, Edikte, diverse Reskripte, einen Vertrag und ein Prozessprotokoll.

Als Textgrundlage dient jeweils nur eine Edition, wobei nicht klar wird, nach welchen Kriterien diese ausgewählt wurde. Ein kritischer Apparat und Verweise auf weitere Standard-Editionen sucht der Leser vergeblich. Bedauerlicherweise übersetzt der Autor die Texte auch nicht ins Italienische und die lateinischen Rückübersetzungen werden nur dann angeführt, wenn diese von einem der vorherigen Editoren oder Kommentatoren übernommen werden konnten. Diese Rückübersetzungen wurden in Fußnoten gesetzt, die sich bei den Kyrene-Edikten und dem senatus consultum Calvisianum (Nr. 2.6.1-3) folglich über mehrere Seiten erstrecken, wodurch der Lesefluss erheblich gestört wird. Je Text werden immer wieder aufs Neue die wichtigsten lateinischen Entsprechungen zu den griechischen Formulierungen thematisiert. Dies wirkt bei einer Lektüre des gesamten Werkes zwar redundant, die Verweise auf etwaige Parallelen ermöglichen jedoch die Beschäftigung mit einzelnen, ausgewählten Dokumenten. Der Index listet die gebrauchten Prozess-Termini nur gesondert auf, d.h. jeweils in griechischer und lateinischer Sprache, weil der Autor diesen bewusst nicht als Vokabelheft ('caleppino') gestalten wollte. Das Standardwerk von Hugh J. Mason zu den Greek Terms for Roman Institutions. A Lexicon and Analysis führt jedoch deutlich vor Augen, wie praktikabel und wertvoll eine derartige Vorgehensweise für den Benutzer sein kann. [2]

Nach einer Reihe wertvoller Neuinterpretationen bisher verworrener Passagen im Kommentarteil liefert Umberto Laffi abschließend auch eine knappe Synthese zur Übersetzungspraxis aus rechtshistorischer Perspektive: im Bereich des Strafrechts hatten die Übersetzer wenig Schwierigkeiten, passende Entsprechungen zu finden, die zum überwiegenden Teil per comparationem (nach der Terminologie von David Magie) gebildet wurden. [3] Mitunter werden sogar typisch griechische Partizipialkonstrukionen wie beispielsweise ὁ φεύγων für qui accusatur verwendet. Die Bandbreite bei der anspruchsvolleren Wiedergabe des strafprozessrechtlichen Vokabulars ist dagegen merklich größer. Neben wörtlichen Übersetzungen (beispielsweise ϴανατηφόρος für capitalis) werden auch Lehnübersetzungen (beispielsweise κεφαλικός für capitalis) verwendet, die für den griechischen Rezipienten wohl nicht leicht verständlich gewesen sein dürften. Gerade bei der Regelung von zivilprozessrechtlichen Verfahren wirkt die Ausdrucksweise daher mitunter ungelenk und mechanisch (beispielsweise πρόκριμα ἄδικον für praevaricatio).

Erst in der Kaiserzeit lässt sich eine allgemeine Entwicklung hin zum Gebrauch eines stereotypisiert verwendeten Formulars durch die Kanzleien feststellen, das auch dem griechischen Sprachgebrauch entspricht. Derartige Überschneidungen werden allerdings nur selten angeführt, da ein Vergleich mit Dokumenten der griechischen Poleis vom Autor bewusst nicht unternommen wurde, diese Studie vielmehr als Ausgangspunkt für weitere Spezialuntersuchungen dienen soll. Ein Nachteil dieser nachvollziehbaren, auf Arbeitsökonomie beruhenden Vorgangsweise ist jedoch nicht nur, dass die Rolle der Provinzialen bei der Verbreitung von römischen Junkturen in griechischer Sprache unberücksichtigt bleibt, wie der Autor selbst anmerkt. Darüber hinaus muss auch offen bleiben, welchen Einfluss die genuin griechische Ausdrucksweise auf die Art und Weise der Übersetzung hatte und inwiefern die römische Seite auf die Konventionen der erhofften Rezipienten Rücksicht genommen hat.

Zur methodischen Vorgehensweise ist anzumerken, dass die Relevanz soziolinguistischer Konzepte zwar in der Einleitung (5) zugestanden wird, die Beschäftigung mit diesen jedoch ebenfalls bewusst ausgeblendet wird. Das Standardwerk von James N. Adams über Binlingualism and the Latin Language wird daher nur allgemein angeführt. [4] Der Autor teilt die behandelten Texte in zwei Gruppen ein: Übersetzungen aus dem Lateinischen einerseits und auf der Basis einer lateinischen Terminologie oder eines lateinischen Entwurfs verfasste griechische Schreiben andererseits. Bei der Kommentierung der einzelnen Texte wird jedoch oft ein lateinischer Entwurf ('canovaccio' z.B. 76) angenommen, auch wenn es sich wahrscheinlich einfach um einzelne griechische Entsprechungen für römische Termini in einem griechisch verfassten Schreiben handelt. So wird δηλοῦν als Übersetzung von opinionem manifestare bezeichnet, obwohl dieses Verb bereits in der hellenistischen Korrespondenz in der Bedeutung 'darlegen' verwendet wird. [5] Da es sich bei dem Brief Marc Aurels an die Athener (Nr. 2.14.10 = Oliver, Greek Constitutions 184) um keine Übersetzung aus dem Lateinischen handelt, wird es hier einfach in etwa bedeutungsäquivalent verwendet, aber keineswegs übersetzt. [6]

In greco per i Greci von Umberto Laffi ist die erste ausführlichere Studie zur Wiedergabe der lateinischen termini technici des Straf- und Zivilprozessrechts in griechischen Texten der römischen Verwaltung aus rechtshistorischer Sicht; ihr Nutzen als unverzichtbare Grundlage für weitere Untersuchungen hätte durch bessere Erschließung in den Indices (s.o.) allerdings noch höher sein können.


Anmerkungen:

[1] Robert Kenneth Sherk: Roman Documents from the Greek East. Senatus consulta and epistulae to the Age of Augustus, Baltimore 1969, abgekürzt RDGE.

[2] Hugh J. Mason: Greek Terms for Roman Institutions. A Lexicon and Analysis (= American Studies in Papyrology; Bd. 13), Toronto 1974.

[3] David Magie: De Romanorum iuris publici sacrique vocabulis sollemnibus in graecum sermonem conversis, Lipsiae 1905, 1-41.

[4] James N. Adams: Bilingualism and the Latin Language, Cambridge 2003.

[5] Charles Bradford Welles: Royal Correspondence in the Hellenistic World. A Study in Greek Epigraphy, New Haven 1934, Nr. 13, Z. 13.

[6] James Henry Oliver: Greek Constitutions of Early Roman Emperors from Inscriptions and Papyri (= Memoirs of the American Philosophical Society; Bd. 178), Philadelphia, PA 1989.

Vera Hofmann