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Susanne Lachenicht: Atlantische Geschichte. Einführung, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 7/8 [15.07.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/07/forum/atlantische-geschichte-193/

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Atlantische Geschichte

Einführung

Von Susanne Lachenicht

Das diesjährige kleine FORUM zur Atlantischen Geschichte ist das fünfte und hat mit zwei der drei besprochenen Titel das Thema des "German Atlantic" im Fokus.

Gibt es überhaupt so etwas wie einen "German Atlantic"? Was es in jedem Fall gibt, ist seit einigen Jahrzehnten ein steigendes Interesse an der Rolle von Deutschen in der Atlantischen Welt: in der atlantischen Wirtschaft (siehe u.a. Mark Häberlein, Klaus Weber, Margrit Schulte Beerbühl), an deutscher Emigration, d.h. Auswanderern aus Baden, der Pfalz, aus Salzburg, die sich in den britischen Kolonien in Nordamerika ansiedelten, v.a. in Pennsylvania, aber auch im heutigen New York State, in North Carolina und nicht zuletzt auch in Georgia. Hier sind in den letzten beiden Jahrzehnten einschlägige Studien u.a. von Mark Häberlein, Georg Fertig, Aaron S. Fogleman, Philip Otterness, Rosalind J. Beiler, A. Gregg Roeber, Marianne Wokeck, Renate Wilson, Alexander Pyrges und Hermann Wellenreuther entstanden.

Ebenso im Interesse der deutschen und amerikanischen Forschung stehen die atlantischen bzw. oft auch globalen Netzwerke von Protestantismen wie dem Halleschen (Hermann Wellenreuther, Hans-Jürgen Grabbe, Renate Wilson) oder die Herrnhuter Brüdergemeine (u.a. Craig Atwood, Aaron S. Fogleman, Gisela Mettele und Hermann Wellenreuther).

Dazu kommt ein ungebrochenes Interesse an Wissenstransfer bzw. Transkulturationsphänomenen zwischen Deutschland und Amerika, wie die Arbeiten von Volker Depkat, Rainald Becker oder Renate Pieper zeigen.

Hier ordnen sich zwei der drei besprochenen Neuerscheinungen ein.

The Transatlantic World of Heinrich Melchior Mühlenberg in the Eighteenth Century, hrsg. von Hermann Wellenreuther, Thomas Müller-Bahlke und A. Gregg Roeber, zeichnet aus biographiehistorischer Perspektive die Auswanderung von Deutschen nach Britisch-Nordamerika ebenso nach wie die Entwicklung eines transatlantischen protestantischen Netzwerkes, in dessen Mittelpunkt der aus Einbeck stammende Theologe Heinrich Melchior Mühlenberg stand. Mit dessen Person eng verbunden ist das Entstehen lutherischer Kirchen in Nordamerika.

Hermann Wellenreuthers Citizens in a Strange Land ist deutschsprachigen Druckerzeugnissen in Pennsylvania gewidmet, genauer den Einblattdrucken oder Broadsides, die für Kommunikation und Wissenstransfer nicht nur in den deutschsprachigen Gemeinden in Nordamerika eine lange Zeit unterschätzte Rolle spielten und die zunehmend im Interesse der Forschung stehen, wie auch die Arbeiten und Projekte des Mainzer Amerikanisten Oliver Scheiding zeigen.

Nichts mit Deutschen in der Atlantischen Welt zu tun, aber durchaus ähnlich, wie dies bei Hermann Wellenreuther, Thomas Müller-Bahlke und A. Gregg Roeber der Fall ist, das Individuum in den Mittelpunkt stellend erweist sich Kate Chedgzoys Women's Writing in the British Atlantic World als ein Beitrag aus dem Bereich Erinnerungskultur und Genderforschung, der der Frage nachgeht, wie Frauen im Atlantischen Raum mit den Veränderungen umgingen, die Migrationen, Transformationen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mit sich brachten. Individuen und Biographien im Atlantischen Raum sind einer der neuesten Trends in der Atlantischen Geschichte, wie auch der britisch-amerikanische Spezialist und Kenner der internationalen atlantischen Forschung, Philip D. Morgan von der Johns Hopkins University in seinem Nachwort zu Europeans Engaging the Atlantic (hrsg. Susanne Lachenicht) deutlich macht.

Während international das Interesse an der Atlantischen Geschichte weiter wächst und sich, wie nicht zuletzt die Bewerbungen für die vierte Summer Academy of Atlantic History zeigen, die in diesem Jahr zwischen dem 25. und 28. August in Lancaster/GB stattfinden wird (http://redehja.hypotheses.org/288), auch verstärkt in Richtung spanischer und portugiesischer Atlantik orientiert, scheint in der deutschen Forschungslandschaft nicht nur das Interesse an diesem Forschungsfeld insgesamt größer zu werden, sondern auch an transnationalen Verflechtungen zwischen Deutschen bzw. dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und der Atlantischen Welt.

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