Rezension über:

Paul Zanker: Die römische Stadt. Eine kurze Geschichte, München: C.H.Beck 2014, 157 S., 80 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-66248-5, EUR 19,95
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Rezension von:
Eric M. Moormann
Radboud Universiteit, Nijmegen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Eric M. Moormann: Rezension von: Paul Zanker: Die römische Stadt. Eine kurze Geschichte, München: C.H.Beck 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 3 [15.03.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/03/25131.html


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Paul Zanker: Die römische Stadt

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Paul Zanker hat ein großes Prestige als klassischer Archäologe und seine zahlreichen, oft sehr originellen und innovativen Publikation decken eine Vielzahl von Themen ab, vor allem im Bereich der römischen Archäologie. Er arbeitete unter anderem in Göttingen und München als Professor, in Rom als Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts und hatte nach seiner Emeritierung noch eine Professur in Pisa inne.

In dem kleinen und elegant gestalteten, hier vorzustellenden Buch beschreibt und analysiert er die Städte des römischen Imperiums für ein Laienpublikum, weiß aber auch Fachmännern und -frauen Neues zu bieten. Die Urbs, das ewige Rom, stellt den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen dar, weil die meisten urbanistischen Entwicklungen bis in die hohe Kaiserzeit von der Hauptstadt der römischen Welt ausgegangen sind und bis an die Grenzen des riesigen Imperiums ausgestrahlt haben. Vermutlich kann man Roms Dominanz mit einer modernen Metropole wie Paris vergleichen, bei der die anderen Großstädte des Landes ebenfalls verblassen.

Zanker beschreibt im ersten Kapitel seines Buches die Entstehung Roms und anderer früher Städte in Italien in einer Gesellschaft, die allmählich vom städtischen Leben geprägt wurde, obwohl die meisten Einwohner des von Rom beherrschten Gebietes auf dem Land lebten und kaum je eine Großstadt zu sehen bekamen, wenn sie dort nicht kommerziell oder in juristischen oder administrativen Belangen zu tun hatten. Im Gegensatz zu anderen Staaten und Kulturen der gleichen Zeit ist die Stadt ein essentieller Zentrumsort innerhalb der römischen Gesellschaft gewesen.

Hinsichtlich der städtebaulichen Planung war Rom als organisches Gebilde, mit unregelmäßigem Straßennetz und scheinbar beliebig gebauten Strukturen, kein Beispiel für 'Rasterstädte' die meisten neu gestifteten Kolonien Roms, aber Zanker macht deutlich, dass die Komponente solcher New York-artigen Pläne ihre Bauelemente dem Vorbild Rom entliehen haben. Man darf dabei den Einfluss der Militärlager nicht vergessen. Ein besonderes Charakteristikum war, dass eine der zwei sich kreuzenden Hauptstraßen über eine der großen verbindenden Heerstraßen, wie Via Flaminia oder Via Aurelia gelegt wurde, so dass eine Neustadt klar in die Landschaft eingebunden wurde.

Die römische Welt wird vom Verfasser als eine 'Konkurrenzgesellschaft' definiert, was deutlich in der Größe und Ausgestaltung der Häuser und Gräber zu Tage tritt. Leider sind vor allem Wohnungen der Oberschicht aus Beschreibungen und durch archäologische Funde bekannt; die meist miserablen Unterkünfte der ärmeren Bevölkerungsschichten sind hingegen fast vollständig dem Blick des modernen Betrachters entzogen. Wie es in den engen Gassen gestunken haben muss und alles voll Lärm war, kann man sich in vielen modernen westlichen Städten kaum mehr vorstellen.

Zanker sieht die 'Gräberstraßen' mit ihren aufwendigen und bescheideneren Grabbauten an den Ausfallswegen Roms und anderer Städte auch als Bestandteile (und als Visitenkarte) der Städte und bespricht ihr sich änderndes Aussehen deshalb auch kurz in den verschiedenen Kapiteln. Teil der innerstädtischen Konkurrenz war auch die Errichtung monumentaler öffentlicher und religiöser Komplexe.

Während der Kaiserzeit bestimmte der Kaiser fast alles im öffentlichen Bereich, wobei die Städte außerhalb Italiens noch eine gewisse Autonomie beibehielten. Zanker sagt deshalb zutreffend, dass die nachfolgenden Kaiser stets mit den Vorgängern konkurrierten, nicht mit den Zeitgenossen. Augustus war der erste dieser Reihe, und seine Eingriffe in das Stadtbild Roms waren so umfangreich, dass sie teils bis heute sichtbar geblieben sind (z.B. Mausoleum, Forum Romanum und Forum Augustum) und Vorbild für seine Nachfolger geworden sind. Der erste Prinzeps kann deshalb zu Recht als Gründer der neuen Zeiten und der diesen Zeiten entsprechenden Bautendenzen angesehen werden. Wie in früheren Studien zeigt Zanker Augustus' Sonderstellung haargenau auf, indem er die verschiedenen Projekte kurz, aber treffend skizziert.

Einige Kaiser genießen Zankers Sympathie, andere hingegen trifft die Antipathie des Autors: Der traditionell als schlecht angesehene Kaiser Domitian kann wegen der Errichtung seines kolossalen Reiterstandbildes auf dem Forum Romanum grundsätzlich wenig Gutes gemacht haben, obwohl noch größere Monumente - wie etwa der Septimiusbogen - ohne wertenden Kommentar erwähnt werden (66). Zanker bespricht auch die öffentlichen Bauten in anderen Teilen Roms, die der Repräsentation, Religion oder Entspannung und Zerstreuung der hauptstädtischen Bevölkerung gewidmet waren und die Präsenz und Macht der Herrscher und anderer Stifter vermittelten. Immer sollte der Besucher durch diese Monumente in kostbaren Materialien, die mit zahlreichen Kunstwerken ausgestattet waren, von der Größe der Kaiser überzeugt werden.

Wenn es um die anderen Städte des Reiches geht, ist der Autor kürzer, aber nicht weniger informativ. Mehrere Bestandteile der Urbs finden wir hier wieder, z.B. Ehrenbögen, Stadtmauern und -tore mit Schmuckcharakter, Foren usw. Die letzteren verloren ihre praktische Nutzung als Markt und shopping mall, um Ehrendenkmälern Platz zu bieten. Auch wenn hier lokale Honoratioren geehrt wurden, so waren es doch vor allem die Kaiser, die mit Altären, Inschriften und Statuen verewigt wurden. Weitere wichtige Merkmale waren die riesigen Thermen, Theater und Amphitheater, die letzteren meistens nur in dem Westen des Imperiums. Über die Stadthäuser sagt Zanker in diesem Abschnitt wenig.

Er schließt das Buch mit der Besprechung von sechs Städten im Römischen Reich, die einen Gesamtüberblick ermöglichen und von denen jede Eigenheiten aufweist, die Differenzen, die von der Lage, wirtschaftlichen Bedingungen und politischen Verhältnissen abhängig waren. Die getroffene Auswahl - Ostia bei Rom, Tarragona in Spanien, Timgad in Algerien, Dougga in Tunesien, Leptis Magna in Libyen und Trier in Deutschland - wird gerade durch den Hinweis auf die lokalen Bedingungen begründet, klammert leider allerdings große Teile des Reiches, vor allem Kleinasien und den Nahen Osten aus. Vielleicht hat Zanker sich auf römische Gründungen beschränken wollen; aber Ephesos, Aphrodisias und Perge waren zu der Zeit, als die genannten Städte im Westen und Süden des Imperiums ihren Höhepunkt erreicht hatten, ebenso römisch wie diese, das heißt eine Mischung aus lokalen und 'importierten' Bürgern, Fremden und Sklaven. Diese Bemerkungen bedeuten keineswegs, dass die Auswahl Zankers nicht als gelungen anzusehen ist: Landschaft, Informationsfülle zu den verschiedenen Themen und besondere historische Ereignisse geben jeder der besprochenen Städte ihren eigenen Charakter in Kombination mit den strukturellen Merkmalen einer römischen Stadt.

Eine Bibliographie, Bildnachweis und Index komplettieren das ebenso zugängliche wie informationsreiche Buch, das jedem Interessierten der römischen Antike und der Urbanistik empfohlen werden kann.

Eric M. Moormann