Rezension über:

Marina Loer: Die Reformen von Windesheim und Bursfelde im Norden. Einflüsse und Auswirkungen auf die Klöster in Holstein und den Hansestädten Lübeck und Hamburg (= Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte; 35), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2013, 108 S., 3 Abb., ISBN 978-3-631-62344-2, EUR 19,95
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Rezension von:
Otfried Krafft
Institut für Mittelalterliche Geschichte, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Otfried Krafft: Rezension von: Marina Loer: Die Reformen von Windesheim und Bursfelde im Norden. Einflüsse und Auswirkungen auf die Klöster in Holstein und den Hansestädten Lübeck und Hamburg, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2013, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/12/23677.html


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Marina Loer: Die Reformen von Windesheim und Bursfelde im Norden

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Diese kurze Monographie entstand aus einer Kieler Magisterarbeit. Darin untersucht die Autorin die Klosterreformen des 15. Jahrhunderts in einer ausgewählten Region. Betrachtet werden die Männerkonvente Cismar, Bordesholm und Segeberg sowie die Frauenklöster Preetz, Reinbek, Harvestehude und St. Johannis in Lübeck. Loer benennt hierfür zwei Schwerpunkte: Die Initiative zur Reform, gerade im personellen Bereich, und deren Folgen. Ein besonderes Anliegen ist es Loer, mehr als nur eine isolierte Darstellung zu einzelnen Klöstern zu geben.

Bereits für die Zustände vor der Reform konstatiert sie erhebliche Unterschiede, ebenso für die Personenkreise, die die ersten Impulse zur Erneuerung gaben. Oft kamen die damals entstehenden Kongregationen der Benediktiner und Augustinerchorherren erst dann ins Spiel, wenn lokale Ansätze scheiterten. In dem Untersuchungsgebiet ist Eigeninitiative, etwa der Priorin von Preetz, ebenso zu vermerken wie die erfolgreiche Abwehr der Reform, wie bei den Nonnen von Harvestehude (1482). Ebenfalls unter erheblichem Druck wurde Cismar bereits 1449 der Bursfelder Kongregation angeschlossen, in ähnlicher Weise kam Segeberg an die Windesheimer, wobei sich die Reform dort erst nach jahrelangem Streit durchsetzte. In Bordesholm gab es dabei hingegen eine Abfolge kleiner Schritte, was offenbar ein sanfterer Weg war.

Loer beleuchtet dabei die personellen und regionalen Verbindungen innerhalb der Reformverbände gut, wobei die Randlage der untersuchten Klöster sehr hervortritt. Immerhin waren aber bekannte Figuren wie der Augustiner Johannes Busch an der Erneuerung beteiligt. Bedeutend für die Einführung der Reform waren im fraglichen Gebiet weniger die Landesherren oder der Adel, sondern vor allem die Bischöfe. Loer erwähnt hierzu nur beiläufig einen Umstand, der wohl ein wesentlicher Grund war, dass nämlich mit Johannes Scheele und Nikolaus Sachow zwei prominente Teilnehmer des Basler Konzils in Lübeck als Bischöfe aufeinander folgten und dessen Reformimpulse zu verwirklichen suchten. Deutlich wird jedenfalls der Unterschied zum Befund in anderen Regionen, wo die Rolle der Fürsten weitaus stärker war.

Bei der Umsetzung der Reform stellt Loer erhebliche Differenzen zwischen Männer- und Frauenklöstern fest. Bei den Nonnen war die Wirkung nur punktuell und es änderte sich an der Lebensweise wenig, was offenbar an der fehlenden organisatorischen Einbindung in die Reformverbände lag. Doch auch die reformierten Mönche wurden nur dann stärker als Multiplikatoren tätig, wenn bei ihnen engagierte Personen auftraten, so in Cismar, von wo aus sich die Bursfelder Reform nach Dänemark ausbreitete.

Die Einbettung dieses Konvents in ein überregionales Personennetz erweist sich auch durch eine Quelle, die bald nach Einführung der Reform entstand: der Cismarer Nekrolog. Er besitzt zahlreiche Übereinstimmungen mit solchen Texten aus anderen Benediktinerklöstern, und zwar nicht allein aus solchen der Bursfelder Union. Hier scheint wiederum Raum für weitere Forschungen, gerade hinsichtlich des Personenbestandes. Loer jedenfalls geht bei ihren punktuellen Beobachtungen kaum über den Kommentar des Herausgebers Kohlmann [1] von 1875 hinaus. Korrespondierende Cismarer Einträge finden sich gleichermaßen auswärts, wie ältere und neuere Studien zeigen. [2] Ein idealer Weg den recht komplexen Austausch des Totengedenkens im Netz der Bursfelder und der unreformierten Benediktiner adäquat abzubilden, scheint im Übrigen noch nicht gefunden zu sein.

Weiterhin widmet die Autorin den graphisch recht auffällig gestalteten Professurkunden der Reformmönche aus Bordesholm zu Recht einigen Raum. Während die Formeln gleich bleiben, zeigen sich individuelle Merkmale bei den farbigen Initialen und bei einer Art Radkreuz unter dem Text, das teils eigens beschriftet ist. Die Suche nach vergleichbaren Stücken dürfte hier erst beginnen. In diesem urkundlichen Abschnitt finden sich manche Irrtümer, etwa ein doppeltes pater (83), oder die Lesungen "Novete [...] (Mt. 19, 17)", richtig wäre Vovete usw. aus Ps. 75, 12 (84 Anm. 531), und "sattificabo" statt richtig sacrificabo aus Ps. 53, 8 (ebd.). Es handelt sich um sehr leicht zu prüfende Zitate aus der Vulgata und zugleich Stellen, die für die Eigensicht der Reformmönche im Augenblick des Eintritts nicht unerheblich sind. Solche Probleme beim Übergang ins ungedruckte Material sind heute leider nicht selten: Sie zeigen deutlich auf, welche Rolle den historischen Hilfswissenschaften als universitärem Fach eigentlich zukommen sollte und was deren Abbau bewirkt. An Literatur vermisst man bei Loer einiges [3], etwa die Arbeiten von Barbara Frank für die Bursfelder, von Thomas Kock für die Windesheimer oder von Gabriela Signori für die Memoria dieser Kreise. Irritierend ist ferner, dass wörtliche Zitate in den Fußnoten typographisch nicht abgesetzt sind. Das Fehlen eines Registers ist angesichts der für das Personennetz der Reformkongregationen insgesamt so wichtigen Nennungen einzelner Mitglieder oder Förderer sehr zu bedauern.

Im Ganzen handelt es sich um eine lesenswerte Fallstudie, die die Besonderheiten der nördlichen Konvente treffend herausarbeitet und Erwartungen auf vertiefte Forschungen und weitere regionale und regionsübergreifende Vergleiche weckt. Überzeugend sind vor allem Loers Ausführungen über die Begleitumstände der Reform der einzelnen Konvente. Deutlich wird zudem eines: Zur Klosterreform im 15. Jahrhundert ist längst nicht alles gesagt.


Anmerkungen:

[1] Karl Kohlmann (Hg.): Necrologium Cismariense, in: Scriptores minores rerum Slesvico-Holsatensium, 1. Sammlung (Quellensammlung der Gesellschaft für Schleswig-Holst.-Lauenburg. Geschichte; 4), Kiel 1875, 272-395.

[2] So zuletzt Nicole Schmenk: Totengedenken in der Abtei Brauweiler. Untersuchung und Edition des Necrologs von 1476 (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein NF; 2) Köln / Weimar / Wien 2012; mit Einträgen zu Cismarer Äbten (186).

[3] Barbara Frank: Das Erfurter Peterskloster im 15. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Klosterreform und der Bursfelder Union (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 34, Studien zur Germania Sacra; 11), Göttingen 1973; Thomas Kock: "Per totum Almanicum orbem". Reformbeziehungen und Ausbreitung der niederländischen "Devotio moderna", in: Marek Derwich / Martial Staub (Hgg.): Die "Neue Frömmigkeit" in Europa im Spätmittelalter (Veröff. des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 205), Göttingen 2004, 31-56; Gabriela Signori: Hochmittelalterliche Memorialpraktiken in spätmittelalterlichen Reformklöstern, in: Deutsches Archiv 60 (2004), 517-547.

Otfried Krafft