Rezension über:

Dainora Pociūtė: Maištininkų katedros. Ankstyvoji reformacija ir lietuvių-italų evangelikų ryšiai, Vilnius: Versus aureus 2008, 600 S., ISBN 978-9955-34-104-8
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Kęstutis Daugirdas
Institut für Europäische Geschichte, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Johannes Wischmeyer
Empfohlene Zitierweise:
Kęstutis Daugirdas: Rezension von: Dainora Pociūtė: Maištininkų katedros. Ankstyvoji reformacija ir lietuvių-italų evangelikų ryšiai, Vilnius: Versus aureus 2008, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 6 [15.06.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/06/23656.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Reformation und Zeitalter der Konfessionen in Ost-/Südostmitteleuropa: Großfürstentum Litauen

Textgröße: A A A

Eine institutionell bedingte Eigentümlichkeit der modernen litauischsprachigen Forschung auf dem Gebiet der Reformationsgeschichte besteht darin, dass sie im Wesentlichen nicht von Kirchenhistorikern, sondern von Wissenschaftlern geleistet wurde (und wird), die von ihrem Werdegang her keine Theologen sind. Aufgrund der bestenfalls epigonenhaften Existenz der akademischen Theologie an den litauischen Universitäten im 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert fiel die Aufgabe der wissenschaftlichen Erschließung des reformatorischen Zeitalters den Vertretern der benachbarten Disziplinen zu, unter denen die Historiker dominierten. So wandte sich etwa der bedeutende Vilniusser Geschichtsprofessor Alfredas Bumblauskas zu Beginn seiner Laufbahn den reformationsgeschichtlichen Prozessen zu - er wurde 1987 mit der Arbeit Reformacijos genezė Lietuvos Didžiojoje Kunigaikštystėje (Genese der Reformation im Großfürstentum Litauen) promoviert -, und unter seiner Leitung schloss auch der heute in Klaipėda lehrende Vacys Vaivada 1995 seine Dissertation Reformacija Žemaitijoje XVI a. antroje pusėje (Reformation in Schamaiten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) ab, die 2004 in überarbeiteter Fassung unter dem Titel Katalikų Bažnyčia ir Reformacija Žemaitijoje XVI a. (Katholische Kirche und Reformation in Schamaiten im 16. Jahrhundert) erschien. Ebenfalls aus der Feder einer Historikerin stammt die 1999 publizierte große Monographie Reformacija Lietuvos Didžiojoje Kunigaikštystėje ir Mažojoje Lietuvoje (Reformation im Großfürstentum Litauen und in Kleinlitauen), in der Ingė Lukšaitė, eine verdiente Vilniusser Kennerin des reformatorischen Zeitalters, ihre langjährige Forschungsarbeit bündelte und dem Publikum präsentierte.

Angesichts dieser Sachlage überrascht es keineswegs, dass auch die letzte wichtige litauische Veröffentlichung, die sich mit der Reformation befasst und im Folgenden näher besprochen wird, eine Nicht-Theologin zur Autorin hat. Die Rede ist von der 2008 publizierten umfangreichen Studie der in Vilnius lehrenden Literaturwissenschaftlerin Dainora Pociūtė, Maištininkų katedros. Ankstyvoji reformacija ir lietuvių-italų evangelikų ryšiai (Die Katheder der Rebellen. Frühe Reformation und Verbindungen zwischen den litauischen und italienischen Evangelischen), die 2008 mit dem Vincas Krėvė-Mickevičius-Preis der Litauischen Akademie der Wissenschaften und 2011 mit dem Martynas Mažvydas-Preis des litauischen Kulturministeriums ausgezeichnet wurde. Vor der Besprechung dieses Werks seien einige Worte zum wissenschaftlichen Profil der Autorin vorangeschickt, die seit Längerem auf dem Feld der Reformationsforschung präsent ist.

1993 erlangte Pociūtė ihre Doktorwürde mit einer Arbeit zu den protestantischen Gesangbüchern, die 1995 in Vilnius unter dem Titel XVI-XVII a. protestantų bažnytinės giesmės: Lietuvos Didžioji Kunigaikštystė ir Prūsų Lietuva (Die Kirchenlieder der Protestanten im 16. und 17. Jahrhundert: Großfürstentum Litauen und preußisches Litauen) publiziert wurde. In den anschließenden Jahren betätigte sie sich in diesem thematischen Zusammenhang auch editorisch: 1998 gab sie zusammen mit Mikas Vaicekauskas eine Anthologie der litauischen Kirchenlieder aus dem Zeitraum vom 16.-18. Jahrhundert heraus (Giesmės dangaus miestui. XVI-XVIII a. lietuvių bažnytinių giesmių antologija, Vilnius), und 2004 erschien die von ihr eingeleitete Neuausgabe des litauischen reformierten Gesang- und Gebetbuchs von 1653, die Knyga nobažnystės krikščioniškos. Nach der Veröffentlichung von Maištininkų katedros - das Buch war zugleich ihre Habilitationsschrift - blieb Pociūtė weiterhin editorisch aktiv: 2011 legte sie mit Abraomas Kulvietis: Pirmasis Lietuvos Reformacijos Paminklas/ The First Recorded Text of the Lithuanian Reformation - Confessio fidei by Abraomas Kulvietis and Oratio funebris by Johann Hoppe (1547) den ersten Band der von ihr gegründeten Monumenta Reformationis Lithuanicae vor. Seit 2010 als Lehrstuhlinhaberin an der Philologischen Fakultät der Universität Vilnius tätig, unter deren Auspizien derzeit zwei Dissertationen zur Literatur des reformatorischen Zeitalters im Großfürstentum Litauen entstehen, gehört Pociūtė schon jetzt zu jenen Spezialisten, die mit ihren Veröffentlichungen der litauischsprachigen Reformationsforschung ihren Stempel aufgedrückt haben und die diese aller Voraussicht nach auch künftig strukturell prägen werden: Ein detaillierter Blick auf den von ihr in Maištininkų katedros gewählten Zugang zu den Phänomenen des reformatorischen Zeitalters dürfte sich allemal lohnen.

Konzeptionell geht Pociūtės Buch von intensiven Verbindungen zwischen dem frühen reformatorischen Denken im Großfürstentum Litauen und demjenigen in Europa aus, die in ihren konkreten Ausprägungen erschlossen werden sollen (vgl. 19). Das Hauptaugenmerk gilt der Bestimmung der Rolle, welche die in der Forschung bislang unterbelichtete kulturelle Begegnung zwischen den litauischen und italienischen Evangelischen bei der Genese der litauischen Reformation spielte (vgl. 22). Indem die Autorin die religiös-weltanschaulichen Elemente der ersten litauischen Reformatoren zum inhaltlichen Hauptgegenstand der Studie erhebt, will sie mit ihrer Fragestellung die bisherigen, oft sozialgeschichtlich orientierten Studien um einen ideengeschichtlichen Akzent ergänzen (vgl. 22f). Zeitlich konzentriert sich das Buch auf die komplexe Anfangsphase der Reformation im Großfürstentum Litauen von ca. 1540 bis ca. 1565, wobei der Zeitrahmen personenbezogen abgesteckt wird: Die untere Grenze verbindet sich mit dem Auftritt des ersten litauischen Reformators Abraham Culvensis (1510/1512-1546), und der Tod Nikolaus Radziwiłłs, gen. der Schwarze, im Jahr 1565 markiert für die Autorin das "Ende der ersten Generation der litauischen Evangelischen" (vgl. 21f).

Um die Genese der Gedankenwelt der litauischen Reformatoren und ihrer weltlichen Schirmherren abzubilden, unternimmt die Autorin vier grundlegende Schritte. Als Erstes werden der Werdegang und die Tätigkeit des Abraham Culvensis nachgezeichnet (Teil I: Abraham Culvensis: Anatomie der Rebellion und des Gewissens). Es folgt die Analyse der Phase des mitunter nicht eindeutig greifbaren Bekenntnisses des (Hoch-)Adels zu der Reformation zu Beginn der 1550er Jahre (Teil II: Die Identität der Evangelischen im Großfürstentum Litauen: Von der Dissimulation bis zur Konversion). Im dritten thematischen Abschnitt schildert die Autorin die ersten theologischen Auseinandersetzungen zwischen den Evangelischen und den Römisch-Katholischen (Teil III: Das Manifest der Gründung der evangelischen Kirche im Großfürstentum Litauen und seine religiöse Umgebung: Luigi Lippomano und Pietro Paolo Vergerio in Litauen). Im vierten Schritt erfolgt die Darstellung der Radikalisierung der litauischen Reformation in der zweiten Hälfte der 1550er und in den 1560er Jahren (Teil IV: Die Herausforderungen der trinitarischen Polemik für die frühe evangelische Kirche und gescheiterte Versuche, die lutherische Konfession einzuführen). Die Studie endet mit einer Betrachtung zur Bedeutung des aus Siena stammenden ehemaligen Generalvikars der Kapuziner, Bernardino Ochino (1487-1564), für die sich allmählich herausbildende antitrinitarische Kirche (Schluss: Die Visite Ochinos in Litauen und sein antitrinitarischer Ruhm).

Der Umgang der Autorin mit dem Lebenslauf und der Leistung von Abraham Culvensis im ersten Teil zeigt, dass sie mit ihrer Darstellung weit mehr als eine biographische Skizze einer bedeutenden Persönlichkeit und ihres Umfelds erstrebt. Culvensis, der nach seiner Rückkehr aus Siena, wo er 1540 den Grad eines Doktors beider Rechte erlangt hatte, am 19. Mai 1542 von Sigismund I. als religiöser Rebell angeklagt wurde und daraufhin zu Herzog Albrecht nach Preußen floh (vgl. 27-29; 78-80; 99-104), wird vielmehr zu einem Kristallisierungspunkt gemacht, um den herum die vielfältigen intellektuell-kulturellen Strömungen jener Zeit gebündelt und in ihrer Komplexität greifbar gemacht werden. Gestützt auf sorgfältig ausgewertetes, z.T. neu entdecktes Quellenmaterial arbeitet die Autorin erst die personell-geistige Konstellation an der Universität Leuven zu Studienzeiten des Culvensis heraus - an dem berühmten Leuvener Collegium Trilingue erlangte er 1535 den Magistergrad in den Artes (vgl. 58f.; 61-77). Dann umreißt sie das intellektuelle Profil der mit der Reformation sympathisierenden Kräfte in Italien - Juan de Valdés (ca. 1500-1541), Bernardino Ochino und Aonio Paleario (1503-1570) werden verstärkt berücksichtigt -, mit deren Gedankengut Culvensis während seiner Zeit in Siena in Berührung kam (vgl. 32-45; 80-90). Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend herangezogen, um auf das Collegium Trilingue als das Vorbild für die von dem Litauer 1541 in Vilnius gegründete Schule (vgl. 99) und auf die strukturellen Ähnlichkeiten der an die Königin Bona Sforza gerichteten Confessio fidei (1543) des Culvensis mit der Epistola di Bernardino Ochino, li signori di Balá della città di Siena von 1542 hinzuweisen (vgl. 131-141). Einen separaten Abschnitt widmet die Autorin der Beleuchtung des von Culvensis verwendeten Gewissensbegriffs, den sie von dem im mittelalterlichen Großfürstentum Litauen geläufigen, machtbasierten Wahrheitsverständnis, aber auch von der Theorie der doppelten Wahrheit kontrastierend abhebt (vgl. bes. 153f.; 158-160).

Der zweite Teil der Studie wendet sich dem Prozess der Identitätsbildung der litauischen Evangelischen zu, die sich nach dem Tod des pro-katholischen Königs Sigismund I. und der Thronbesteigung seines humanistisch gebildeten Sohnes Sigismund II. August im Jahr 1548 von ihrer dissimulierenden Haltung erst allmählich verabschiedeten. Die Autorin nähert sich dem komplexen Thema aus mehreren Perspektiven. Nach einleitenden Überlegungen zum theoretischen Gebrauch der Begriffe "Dissimulation", "Simulation" und "Nikodemismus" (vgl. 181-186) werden zunächst konkrete Beispiele der "nikodemitischen" Haltung unter den Adligen, aber auch frühe Fälle der eindeutigen Zuwendung zum Protestantismus unter die Lupe genommen, wie etwa die Konversion des 1551 gestorbenen Fürsten Johannes Radziwiłł (vgl. 191-196). Die daraufhin vorgenommene Beschreibung des Herrschaftsbeginns Sigismunds II. als "philoprotestantisch" (vgl. bes. 197-199) leitet zu dem eigentlichen Zentrum des zweiten Teils über, nämlich zur Gründung der reformatorischen Kirche im Großfürstentum Litauen durch Nikolaus Radziwiłł den Schwarzen mit den ersten, von ihm finanzierten evangelischen Druckerzeugnissen der Jahre 1553/54. Besonders aufschlussreich sind die Abschnitte, in denen die Autorin den eklektischen, konfessionell noch nicht eindeutigen Charakter des Kleinen und des Großen Brest-Katechismus (erschienen um 1553/54) aufzeigt: Neben den Anleihen bei der Schrift Medicina animae des Urbanus Rhegius (1489-1541) und den Katechismen des Johannes Brenz (1499-1570) verfügten die Brest-Katechismen beispielsweise über die reformierte Zählung der Zehn Gebote und eine Credo-Einteilung, die derjenigen von Valdès im Diallogo della Dottrina Christiana und von Pietro Martire Vermigli (1499-1562) in dem 1544 in der Schweiz herausgebrachten italienischen Katechismus ähnelte (vgl. 212-234, bes. 225). Die Analyse der terminologischen Besonderheiten der evangelischen Identität im Großfürstentum Litauen, bei der die Autorin auf die Spezifika der Eponyme wie auch der Eigenbezeichnungen eingeht (vgl. 235-265), und die Beleuchtung der ersten Kontakte der im Schweizer Exil lebenden italienischen Evangelischen zum Großfürstentum Litauen beschließen den zweiten Teil.

Die Mission des päpstlichen Nuntius Luigi Lippomano (1496-1559) und die Tätigkeit des zur Reformation übergegangenen ehemaligen Bischofs von Kapodistrien, Pietro Paolo Vergerio (1498-1565), bilden die thematischen Schwerpunkte des dritten Teils. Auf der Basis der Nuntiaturberichte rekonstruiert die Autorin zunächst minutiös die (kirchen-)politischen Implikationen der Nuntiatur Lippomanos in Polen und Litauen (1555 bis 1557), womit sie den geschichtlichen Kontext des folgenreichen Briefs Lippomanos an Radziwiłł den Schwarzen vom 21. Februar 1556 freilegt (vgl. 291-322). Anschließend wird der Vertraute des Christoph von Württemberg (1515-1568), Vergerio, eingeführt, der sich seit dem Sommer 1556 um die Vertiefung der Reformation in Litauen und Polen im lutherischen Sinne bemühte und im Herbst 1556 in Königsberg den Brief Lippomanos zusammen mit dem reformatorischen Antwortschreiben Radziwiłłs vom 1. September 1556 drucken ließ (vgl. bes. 346-361). Vor diesem Hintergrund geht die Autorin auf die in der Forschung kontrovers diskutierte Frage nach der Verfasserschaft und der Datierung des Radziwiłł-Briefs ein: Laut ihrer Analyse entstand die ursprüngliche Fassung des Schreibens bereits in den Sommermonaten am Hof Radziwiłłs als Produkt einer Gemeinschaftsarbeit, das von Vergerio für die Drucklegung redigiert wurde (vgl. bes. 368-371). Der Publikation misst die Autorin insofern eine hohe Bedeutung bei, als sie ihr eine Signalwirkung für die polemische Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Kirche in Polen und Litauen zuschreibt (vgl. 379). Die den dritten Teil abschließende Darstellung der Radziwiłł dem Schwarzen gewidmeten Übersetzungen der Werke Francesco Negris (1500-1563) und Bernardino Ochinos sowie der 1556 in Königsberg von Vergerio herausgebrachten lateinischen und polnischen Übertragung des Valdès-Katechismus Latte spirituale unterstreicht die Präsenz von originär italienischer Literatur in Osteuropa zu Zeiten der einsetzenden antirömischen Polemik (vgl. 380-403).

Die Schilderung der Warnungen Vergerios vor dem antitrinitarisch gesinnten Petrus Gonesius (ca. 1530-1573) eröffnet den vierten Teil, in welchem alsdann das Wirken des Gonesius sowie die trinitätstheologisch heterodoxe Haltung seines Paduaner Lehrers, Matteo Gribaldi (ca. 1500-1564), umrissen werden (vgl. 427-442). Des Weiteren skizziert die Autorin die Bedeutung Lelio Sozzinis (1525-1562) für die Genese des unitarischen Zweigs der antitrinitarischen Reformation in Polen und Litauen (vgl. 444-456); aufgezeigt wird auch die zunehmend antitrinitarische Positionierung der Umgebung Radziwiłłs des Schwarzen in der ersten Hälfte der 1560er Jahre. In Anlehnung an bisherige Forschung (Konrad Górski, Lech Szczucki u.a.) führt die Autorin den antitrinitarischen Schwenk im Wesentlichen auf den theologischen Einfluss Giorgio Biandratas (1515-1588) zurück. Kirchenpolitisch sieht sie ihn durch den Unwillen Radziwiłłs ermöglicht, sich in allen Belangen den großen protestantischen Konfessionen in der Schweiz und im Reich konform zu verhalten (vgl. 459-480, bes. 479f). Die den vierten Teil abschließende Beschreibung des Wirkens Vergerios in der Periode von 1560 bis 1565 - seine zweite Reise nach Polen und Litauen im Jahr 1560, seine polemische Tätigkeit und Fürsorge für die in Tübingen studierenden litauischen Adligen - verdeutlicht u.a. den zunehmend schwindenden Einfluss der lutherisch ausgerichteten Theologen auf die litauische Reformation.

Etwas überraschend erfolgt die Behandlung des Wirkens des späten Bernardino Ochino im Schlussteil des Buchs - und nicht im vierten Teil, wo man eine solche Darstellung angesichts der Hinterfragung der traditionellen Trinitätslehre und Soteriologie durch den Sienesen im zweiten Band der Radziwiłł dem Schwarzen gewidmeten Dialogi XXX (1563) eher erwartet hätte (vgl. bes. 529-532). Die gewählte Anordnung des Stoffs ist aber von der Autorin durchaus intendiert: Indem sie die Bedeutung der Schriften Bernardino Ochinos für die gesamte untersuchte Periode - von dem Doktorat des Culvensis in Siena bis hin zu den Anfängen der antitrinitarischen Reformation in Litauen - betont (vgl. 537), schließt sie mit den Betrachtungen zur Person und zum Gedankengut des letztlich heimatlos gewordenen, Ende 1564/Anfang 1565 in Mähren verstorbenen ehemaligen Sienesen ihren Erzählkreis.

Zieht man zusammenfassend ein Fazit, so muss man hervorheben, dass das Buch Maištininkų katedros die Bedeutung der vielfältigen italienisch-litauischen Beziehungen für den Verlauf der frühen Reformation im Großfürstentum Litauen auf differenzierte Art und Weise erschließt: Das entworfene vielschichtige Bild berücksichtigt personale Verflechtungen ebenso wie Druckerzeugnisse und ausgetauschte Ideen, ohne vorschnell einseitige Einflüsse oder Abhängigkeiten zu postulieren. Vor allem die Analyse, die die Autorin den in den 1550er Jahren im Großfürstentum Litauen erschienenen Drucken zu teil werden lässt, zeigt die ganze Bandbreite der aufgenommenen Impulse auf, und die Rekonstruktion des eklektischen, kreativen Ringens der litauischen Reformatoren um ihre Identität vor dem Hintergrund der europäischen Querverbindungen gehört zu den inhaltlichen Stärken der Studie. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die sprachliche Leistung der Autorin: Neben den Quellen in italienischer, lateinischer, litauischer und polnischer Sprache wertet sie moderne englische, italienische, litauische, polnische und russische Forschungsliteratur zu dem Gegenstand aus. In ihrem Bestreben, die intellektuelle Dimension der Reformation im Großfürstentum Litauen als integralen Bestandteil eines europaweiten Prozesses zu erfassen, befolgt die Autorin auf alle Fälle einen vielversprechenden Ansatz, der dem untersuchten Gegenstand zutiefst gerecht wird.

Kęstutis Daugirdas