Rezension über:

Bjoern E. Ewald / Carlos F. Noreña (eds.): The Emperor and Rome. Space, Representation, and Ritual (= Yale Classical Studies; Vol. 35), Cambridge: Cambridge University Press 2010, XX + 365 S., ISBN 978-0-521-51953-3, GBP 60,00
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Rezension von:
Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer
Historisches Institut, FernUniversität Hagen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer: Rezension von: Bjoern E. Ewald / Carlos F. Noreña (eds.): The Emperor and Rome. Space, Representation, and Ritual, Cambridge: Cambridge University Press 2010, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 10 [15.10.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/10/21462.html


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Bjoern E. Ewald / Carlos F. Noreña (eds.): The Emperor and Rome

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Die zwölf Beiträge dieses Bandes sind mit Ausnahme der Aufsätze von Paul Zanker und Klaus Fittschen aus einer Konferenz 2005 an der Yale University hervorgegangen. Sie befassen sich mit den Beziehungen, die die römischen Kaiser von Augustus bis Konstantin zum Senat und Volk in Rom unterhielten. Im Mittelpunkt steht die räumliche Verortung monarchischer Rituale und kaiserlicher Repräsentation im Stadtbild von Rom, womit dem spatial turn in der Geschichtswissenschaft Rechnung getragen wird. Die Verbindung von Raum, Ritual und Statusrepräsentation im Rahmen einer Neuausrichtung der politischen Ordnung seit Augustus ist auch das Thema der Einleitung, in der die beiden Herausgeber die Tagungsbeiträge in einen Überblick über die neuere Forschung einordnen (1-43).

Die Reihe der Aufsätze wird mit einer englischen Übersetzung von Paul Zankers Vorlesung Der Kaiser baut fürs Volk (Opladen 1997) eröffnet (45-87). Zanker unterstreicht am Beispiel der Porticus, Bäder und Spielstätten, dass die kaiserliche Bautätigkeit in Rom sich deutlich von der anderer monarchischer Residenzen, etwa in der Frühen Neuzeit, unterschied, in denen der Palast das Zentrum bildete und die Feste auf den Hof ausgerichtet waren. In massiver Ausweitung und Monopolisierung einer republikanischen Praxis schufen die Kaiser durch ihre repräsentativen Bauwerke ausgedehnte öffentliche Räume für otium und zugleich Orte für die politische Kommunikation zwischen dem Kaiser und der plebs urbana. Der Luxus bei der Gestaltung und Ausstattung der Bauwerke mit Materialien aus allen Provinzen habe dem Volk von Rom das Gefühl vermittelt, in der Kapitale eines Weltreiches zu leben, während der Aufwand bei den Spielen der Inszenierung eines theatrum mundi diente. Zanker betont zugleich den Unterschied zum modernen Freizeitvergnügen, indem er die Einbettung dieser kaiserlichen liberalitates in religiöse und politische Rituale hervorhebt, die die Statusdifferenzen unter den Römern sichtbar markierten.

Am Beispiel des Pompeius-Theaters zeigt James E. Packer, dass Augustus bei der Ausgestaltung öffentlicher Räume Initiativen der spätrepublikanischen Imperatoren, die Vorbildcharakter erlangten, aufgegriffen und fortgeführt hatte (135-167). Doch aller repräsentative Aufwand für das Volk von Rom nützte nichts, wenn die rituelle Kommunikation des Kaisers mit der plebs urbana misslang. Auf der Grundlage seiner Theorie des Prinzipats als eines Akzeptanzsystems legt Egon Flaig dar, wie Nero durch den Mord an Agrippina, die Scheidung von Octavia, sein Auftreten als Künstler im Theater sowie den Einsatz von Claqueuren bei den Spielen sukzessive seine Popularität bei der plebs einbüßte und dadurch zu Handlungen gezwungen wurde, die ihn auch dem Senat und den Prätorianern so entfremdete, dass man ihn beim Brand von Rom allgemein für den Brandstifter hielt (275-288). Während in den meisten Beiträgen die herrschaftsstabilisierende Funktion des repräsentativen und rituellen Aufwandes der Kaiser herausgearbeitet wird, zeigt Flaig dessen Grenzen auf.

Mit den Beziehungen des Kaisers zu den Senatoren befassen sich aus unterschiedlicher Perspektive Werrner Eck, Emanuel Mayer und Mary T. Boatwright. Eck macht die Verdrängung senatorischer Standesrepräsentation aus dem öffentlichen Raum in Rom am Beispiel des Triumphes, der Ehrenstatuen sowie der Villen und Grabmonumente deutlich (89-110). Seit Augustus monopolisierte der Kaiser als einziger Imperator und übermächtiger Patron aller Römer die Ehre des Triumphes und der öffentlichen Ehrenstatue, wobei loyalen und erfolgreichen Senatoren zuweilen als kaiserliches Privileg die ornamenta triumphalia oder eine Statue auf den Kaiserfora zugestanden wurden. Die Villen der Senatoren auf dem Palatin und in der Gegend der Fora verschwanden, während ihre Grabmäler die Gestalt veränderten, seit Augustus mit seinem Mausoleum den monumentalen Typus besetzt hatte. Eck beobachtet eine Verlagerung der senatorischen Standesrepräsentation in den privaten Raum der Villen und Grabmonumente in Rom, während in den provinzialen Städten der öffentliche Raum den Senatoren durch den Kaiser nicht streitig gemacht wurde.

Mayer vertritt in seinem Beitrag die Auffassung, dass der Senat und andere Gruppen im Reich ihre Ehrenmonumente für den Kaiser auf eigene Initiative stifteten und dabei ihre Vorstellungen vom Herrscher und ihre Erwartungen an ihn zum Ausdruck brachten (111-134). Er verdeutlicht dies am Beispiel der provinzialen Kaiserporträts und des Ehrenbogens für Septimius Severus in Leptis Magna sowie an den Panegyrici. Die Monumente, die der Senat in Rom stiftete (Ara Pacis, Severusbogen) zeugten von der Aufrechterhaltung republikanischer Traditionen über 200 Jahre hinweg, und die Wiederverwendung von Porträts, Statuen und Reliefs oder rhetorischen Topoi belege eine stabile Repräsentationskultur. Boatwright widmet sich den öffentlichen Monumenten im Rom der antoninischen Zeit und hebt dabei die Rolle des Senats als Stifter hervor (169-197). Sie erkennt auf zwei Ebenen einen Stilwandel in nachhadrianischer Zeit: einen "inward turn" mit "emphasis on the imperial family" (191f) sowie eine Abkehr von der integrativen Sicht Hadrians auf die Provinzen hin zu einer aggressiven Betonung römischer Überlegenheit seit Marc Aurel. Diesen Stilwandel interpretiert sie als Ausdruck der durch die Pest und die Markomannenkriege hervorgerufenen Krisensituation. Abgesehen davon, ob sich dieser Zusammenhang nachweisen lässt, stellt sich die Frage, welche Rolle das Verhältnis des Kaisers zum Senat bei diesem Wandel in der kaiserlichen Repräsentation gespielt hat.

Der Wettbewerb kaiserlicher Repräsentation zwischen zwei rivalisierenden Herrschern, Maxentius und Konstantin, ist Thema von Elizabeth Marlowe (199-219). Sie untersucht das Problem der Zuschreibung einiger von Maxentius errichteten Bauwerke an Konstantin und kommt zu dem Ergebnis, dass dieser die Monumente seines Vorgängers meist nur geringfügig umbaute, vor allem aber in seinem Namen widmete. Marlowe vertritt dabei die plausible These, dass Konstantin durch Maxentius, der in Rom residiert und die Stadt vielfach ausschmückt hatte, erkennen musste, dass ein erfolgreicher Kaiser das caput mundi nicht vernachlässigen durfte, auch wenn dieses nicht mehr Herrscherresidenz war.

Etwas aus dem Rahmen des Bandes fällt der methodologische Beitrag von Klaus Fittschen, der ein Plädoyer für die stilgeschichtliche Porträttypologie hält, womit er sich gegen eine angeblich in der angloamerikanischen Archäologie vorherrschende Tendenz vorschneller Zuschreibungen richtet (221-246). Ausgehend von den bekannten Problemen, dass Kaiserporträts zumeist ohne ihre Basis gefunden werden und ihr ursprünglicher Aufstellungsort unklar ist, dass ihre Zuordnung zu Werkstätten, über deren Organisation wir wenig wissen, problematisch ist, und dass die Trennung von privaten und Kaiserporträts häufig nicht gelingt, fordert Fittschen die Rückkehr zur "Kopienrezension" und "Kopienkritik", wie sie vor allem in der deutschen Archäologie betrieben wird.

Im spätrepublikanischen und kaiserzeitlichen Rom waren nicht nur der Senat und die plebs urbana präsent, sondern auch Soldaten. Michael Koortbojian widmet sich dem scheinbaren Widerspruch zwischen der im Auguralrecht begründeten strikten Trennung der Bereiche domi und militiae und der Tatsache, dass den Kaisern das Recht zugestanden wurde, das pomerium ohne Verlust ihres Imperiums zu überschreiten (247-274). Am Beispiel dreier Panzerstatuen von Caesar und Augustus, die auf dem Forum Iulii, vor dem Pantheon und - die Statue von Prima Porta - "surely [...] within the city of Rome" (260) gestanden hatten, erörtert er das Problem. Die Statue Caesars wird als Ausdruck seiner Stellung als dictator und als Exemplum für die Augustus-Statuen gedeutet. Beide hätten sich im Gewand des imperator und nicht des triumphator, der als einziger in republikanischer Zeit mit seinem Herr das pomerium hatte überschreiten dürfen, darstellen lassen, um ihre außergewöhnliche Stellung auch in Rom zu betonen. Doch konnten Kaiser wie Vitellius demonstrativ die althergebrachte mutatio vestis vollziehen und in der Toga in Rom einziehen - begleitet freilich von ihren Soldaten -, womit sie ihren Respekt vor der Tradition und gegenüber dem Senat bekundeten. So aufschlussreich die Darlegungen Koortbojians sind, sie müssten auf einer breiteren Überlieferungsgrundlage bestätigt werden.

Eve D'Ambra und Javier Arce befassen sich mit dem Ritus des Kaiserbegräbnisses, das nicht an einem Ort mit monumentaler, sondern ephemerer Architektur praktiziert wurde. D'Ambra rekonstruiert den großen Aufwand, mit dem der Scheiterhaufen (rogus) gestaltet und ausgestattet wurde, und die Riten, die mit dem Begräbnis verbunden waren. Dabei zeichnet sie ein anschauliches Bild der Zeremonie, die nicht nur ein veritables Spektakel war, sondern auch durch die Hölzer und Aromata des Scheiterhaufens ein wohlriechendes (289-308). Auch Arce beschreibt das kaiserliche Begräbnis als teure und aufwendige theatralische Inszenierung, mit der der neue Herrscher seine Legitimation bekundete (309-323). Im Mittelpunkt steht die gleichfalls vergängliche, wächserne Kaiserimago, die im Ritus der Zurschaustellung auf den Rostra und der crematio auf dem Marsfeld einige Tage später die Stelle des zuvor verbrannten und begrabenen Körpers einnahm. Diese Substitution des kaiserlichen Körpers durch eine Imago führt Arce nicht auf die imagines maiorum, die in der republikanischen pompa funebris mitgeführt wurden, zurück, verweist aber auf Vorbilder aus griechischer wie republikanischer Zeit.

Insgesamt betrachtet enthält dieser Tagungsband, der mit zahlreichen Abbildungen sowie einer Bibliographie und Indices versehen ist, detaillierte Einzelstudien und Beiträge größerer Reichweite zumeist auf hohem Niveau und mit neuen Einsichten. Besonders die Einbettung der architektonischen, bildlichen, epigraphischen und literarischen Zeugnisse in den städtischen Raum ermöglicht es, die kommunikative Wirkung kaiserlicher Repräsentation und monarchischer Rituale präziser zu bestimmen als bisher. Dass die Kommunikation des Kaisers mit den verschiedenen Gruppen im Reich nicht bloße Propaganda oder Selbstdarstellung war, sondern dass hier Herrschaft verhandelt wurde, macht der Beitrag von Flaig klar.

Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer