Rezension über:

Susanne Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n.Chr. (= Antiquitas. Reihe 1: Abhandlungen zur Alten Geschichte; Bd. 58), Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2012, X + 372 S., mit 28 s/w-Abb., ISBN 978-3-7749-3769-7, EUR 79,00
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Rezension von:
Peter Franz Mittag
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Peter Franz Mittag: Rezension von: Susanne Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n.Chr., Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 9 [15.09.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/09/21815.html


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Susanne Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons

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Die im Juli 2011 angenommene und für den Druck leicht überarbeitete Dissertation von Susanne Börner hat zum Ziel, "eine möglichst objektive Einschätzung des politischen Selbstverständnisses des Marc Aurel und seiner mutmaßlichen Regierungsprogrammatik" (2) zu erarbeiten und "mithilfe der Methode des vergleichenden Analysierens der parallelen Prägungen Rückschlüsse auf die Verhältnisse der Prägenden zueinander und vor allem für die darüber generierte Außenwahrnehmung, also deren "Image" zu erhalten." (4). Zu diesem Zweck teilt Börner die Herrschaftszeit Marc Aurels in drei Perioden (als Caesar unter Antoninus Pius, die gemeinsame Herrschaft mit Lucius Verus und die Alleinherrschaft) und geht streng chronologisch die Münzen und Medaillons durch. Während die Prägungen für Marc Aurel, Lucius Verus und Commodus jeweils komplett mit in den Blick genommen werden, beschränkt sich Börner in der ersten Periode auf eine eher summarische Übersicht über die Münzen und Medaillons des Antoninus Pius. Alle Prägungen werden jeweils - wenn möglich - jahrweise in einer tabellarischen Übersicht zusammengestellt und vergleichend besprochen (diese Tabellen fehlen jedoch für die letzte gemeinsame Emission mit Lucius Verus, für 172 und für 173). Zusammenfassungen der Ergebnisse für die drei Perioden bieten einen Überblick und werden in einem abschließenden Resümee nochmals gebündelt. Relativ knapp sind die einleitenden Ausführungen zu "Fragestellung und Methodik", dem "Forschungsstand" und dem "Aufbau der Arbeit" geraten.

Es ist sehr begrüßenswert, dass Börner mit ihrer Dissertation eine Art historischen Kommentar zu den zuletzt ausführlicher von Paul L. Strack 1937 besprochenen Prägungen Marc Aurels aus der Herrschaft des Antoninus Pius und den von Wolfgang Szaivert grundlegend geordneten Prägungen des Augustus Marc Aurels und seiner Mitkaiser vorlegt. [1] Auf diese Weise wird das Material zum Sprechen gebracht und einem breiteren Publikum erschlossen. Börner folgt dabei nicht streng Szaiverts Einteilung in Emissionen, sondern modifiziert dessen Rekonstruktion der Prägetätigkeit mehrfach (siehe etwa 289: 4 Emissionen für 175 statt der bisher angenommenen 3). Zudem berücksichtigt sie auch neue, seither im Handel aufgetauchte Münzen und Medaillons (z.B. 100 f. und 334). Hier können nicht alle Ergebnisse und Einzelaspekte behandelt werden, einiges sei aber exemplarisch herausgegriffen.

Börner selbst hebt in ihrem Resümee vier Bereiche hervor, auf denen sich neue Erkenntnisse ergeben: (1) die historisch-politische Ereignisgeschichte, (2) die "Imagegestaltung", (3) die "Damenprägungen" und (4) die Medaillons. Hinsichtlich der Ereignisgeschichte ist es ein großes Verdienst Börners die bereits verschiedentlich postulierte Usurpation gegen Antoninus Pius im Jahr 151 sehr viel wahrscheinlicher gemacht zu haben. (2) Bei der "Imagegestaltung" lassen sich nach Börner verschiedene Phasen unterscheiden. Während die Prägungen für Marc Aurel als Caesar zunächst dessen Befähigung zum Thronfolger herausstreichen, präsentieren sie ihn nach der Usurpation von 151 stärker als eigenständige Persönlichkeit und betonen seine pietas. Nach dem Tod des Antoninus Pius ändert sich die Motivauswahl radikal. In den ersten Jahren der gemeinsamen Herrschaft mit Lucius Verus werden für diesen vor allem militärische Themen ausgeprägt, die von Marc Aurel erst zeitverzögert übernommen wurden, während die Münzen des Marcus eher innenpolitische Themen zeigen. Zunehmend findet jedoch eine Angleichung statt. Nach dem Tod des Lucius beherrschen angesichts der Probleme an der Donaugrenze v.a. militärische Themen die Prägungen Marc Aurels. Die Usurpation des Avidius Cassius führte dazu, dass nun auch für Commodus geprägt wurde. Dieser wurde zunächst in großem Umfang als princeps iuventutis präsentiert und erhielt spätestens nach seiner Erhebung zum Augustus auf seinen Münzen deutlichen Anteil an den Feldzügen in der Donauregion. (3) Auch bei den späten "Damenprägungen" finden sich neben den üblichen auf Dynastieerhalt und Fruchtbarkeit verweisenden Motiven verstärkt militärische oder militärisch deutbare Darstellungen. (4) Im Hinblick auf die behandelten Medaillons kann Börner sehr wahrscheinlich machen, dass zumindest zwei Serien nicht - wie üblicherweise angenommen - zum Jahresbeginn produziert wurden, sondern anlässlich der Triumphe 166 und 176. Insbesondere im ersten und vierten Bereich bietet Börner damit wichtige neue Erkenntnisse. Viele weitere wichtige Ergebnisse und Beobachtungen betreffen Details, die Börner im Resümee nicht nochmals aufgenommen hat.

Unter diesen Detailbeobachtungen seien nur einige hervorgehoben. So erklärt Börner die recht späte Prägung von "Erstlingsmünzen" für den Caesar Marc Aurel mit Schwierigkeiten, die Antoninus Pius zu Beginn seiner Herrschaft gehabt habe (27). Die Usurpation von 151 führte dazu, dass Antoninus Pius wieder zu Motiven und Legendenbestandteilen zurückkehrte, die auf Hadrian verweisen (84 f.). Die Anzahl der Kinder Marc Aurels auf den Münzen weicht zuweilen von der tatsächlichen Zahl ab, so dass man hier eher von einem generischen Bild als einem konkreten ausgehen sollte (142). Die Geburten dieser Kinder erscheinen zudem häufig eher auf den Münzen des Antoninus Pius als denen des Caesars Marc Aurel, was Börner auf die Bedeutung dieser Kinder für die Stabilität der Dynastie für den Fall des Ablebens des Antoninus Pius bezieht (151).

Daneben gelingen Börner mehrfach neue Deutungen und Erklärungen von Einzelmotiven. So interpretiert sie beispielsweise die Rückseitendarstellung des Medaillons Gnecchi II, 32 Nr. 41 (= Strack III Nr. 643) nicht als Hercules und Omphale sondern als Bacchus und Ariadne (121 f.) und die Darstellungen von drei Frauen auf einem Medaillon des Lucius Verus wird als erste Darstellung der drei Monetae gedeutet und mit einer Silberreduktion bei den Denaren in Zusammenhang gebracht (175).

Manche Deutungen sind aber nicht völlig überzeugend. So scheint Börner sich bei der Interpretation der Salus im Jahr 165 keineswegs ein abschließendes Urteil gebildet zu haben. Während sie zunächst einer möglichen Hungersnot gegenüber einem Bezug auf Krankheit und/oder Tod innerhalb der Kaiserfamilie den Vorzug gibt (199), möchte sie kurz darauf einen Bezug auf die bereits in Rom ausgebrochene Pest nicht ausschließen (209 mit Anm. 1346).

Börner differenziert stets zwischen Edelmetall-, Aesmünzen und Medaillons. Das ist angesichts der jeweils unterschiedlichen Empfängergruppen sinnvoll, wird aber von Börner nur ansatzweise in ihre Analysen miteinbezogen. Zwar verweist sie gelegentlich auf diese unterschiedlichen Zielgruppen, unterlässt diese differenzierte Betrachtung in der Regel aber. Hier hätte man viel mehr erwarten dürfen und in diesem Punkt enttäuscht die Arbeit. Wenn es Börner primär um das "Image" geht - zuweilen auch als "Imago" bezeichnet -, wieso wird dann die Frage nach den Zielgruppen extrem stiefmütterlich behandelt? Soweit ich sehe, finden sich entsprechende Hinweise lediglich auf den Seiten 152, 154, 257, 263, 270, 297, 322 und 328. Diese auffallende Zurückhaltung erklärt sich vielleicht aus den extrem knappen theoretischen bzw. methodischen Überlegungen, die Börner zu Beginn formuliert.

Darüber hinaus wird man die geringe Anzahl von Abbildungen beklagen dürfen, die zudem nicht immer optimal sind. Auch wenn mit den Katalogen von Strack und Szaivert reich bebildete Standartwerke vorliegen, so wäre es für das Verständnis zuweilen doch sehr vorteilhaft, wenn mehr Abbildungen beigefügt wären. Ungewöhnlich und zudem nicht konsequent durchgehalten (Ausnahmen beispielsweise 151) ist die Wiedergabe lateinischer Legenden mit rundem "U" statt dem üblichen "V". Nicht einheitlich ist die Verwendung griechischer bzw. lateinischer Begriffe (etwa tropaeum und tropaion). Gewöhnungsbedürftig ist zudem der Stil, der diverse Blüten hervorgebracht hat.

Insgesamt wird man die vorliegende Arbeit jedoch als nützlichen Kommentar zu den Münzen und Medaillons Marc Aurels sowie seiner jeweiligen Mitkaiser begrüßen, wobei in erster Linie die Einzelkommentierung wertvoll ist. Darüber hinaus bietet die Arbeit eine gute Basis für weitergehende Analysen.


Anmerkung:

[1] P. L. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts. Bd. III: Die Reichsprägung zur Zeit des Antoninus Pius, Stuttgart 1937; W. Szaivert, Die Münzprägung der Kaiser Marcus Aurelius, Lucius Verus und Commodus (161-192), Wien ²1989.

Peter Franz Mittag