Rezension über:

Robert E. McGlone: John Brown's War against Slavery, Cambridge: Cambridge University Press 2009, X + 451 S., ISBN 978-0-521-51443-9, GBP 25,00
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Rezension von:
John Andreas Fuchs
Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
John Andreas Fuchs: Rezension von: Robert E. McGlone: John Brown's War against Slavery, Cambridge: Cambridge University Press 2009, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 4 [15.04.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/04/18128.html


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Robert E. McGlone: John Brown's War against Slavery

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In der Nacht vom 16. zum 17. Oktober 1859 überfielen 18 junge Männer angeführt von John Brown das Militärdepot in Harpers Ferry, Virginia. Ihr Ziel war es, die Sklaven in den Südstaaten zu bewaffnen und gewaltsam ihre Freiheit zu erzwingen. Am 18. Oktober hatten sich Brown und seine Männer in der Feuerwache von Harpers Ferry verschanzt, umstellt von U.S. Marines unter dem Befehl von Colonel Robert E. Lee. Als sie sich weigerten, sich zu ergeben, wurden sie gefangen genommen oder getötet. John Brown wurde am 2. Dezember 1859 wegen Hochverrats gegen den Staat Virginia angeklagt, verurteilt und gehängt. Im Norden läuteten nach seiner Hinrichtung die Kirchenglocken. Er war bereits einmal zuvor als gewaltbereiter Verfechter des Abolitionismus aufgefallen, als er, während des als "Bleeding Kansas" bekannten Grenzkrieges um die Sklavenfrage, in der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 1856 beim so genannten Pottawatomie-Massaker mit sieben Männern fünf Befürworter der Sklaverei überfiel und tötete. Die Morde, die er selbst nie öffentlich zugab, aber befürwortete, waren eine Vergeltung für den Überfall auf die Siedlung Lawrence, bei dem zwei Druckereien der Abolitionisten und das Free State Hotel zerstört worden waren. Seine letzten Worte "I, John Brown, am now quite certain that the crimes of this guilty land will never be purged away; but with blood" (326) blieben lange in Erinnerung und machten ihn zum Mythos. Für die Abolitionisten des Nordens war er ein Held und durch seinen Glauben motivierter Märtyrer, für den Süden ein Verräter und Mörder. Das nach seinem Tod 1860 entstandene Marschlied der Unionstruppen, "John Brown's body", inspirierte Julia Ward Howe zur "Battle Hymn of the Republic".

"Some eighteen hundred years ago Christ was crucified; this morning, perchance, Captain Brown was hung. These are the two ends of a chain which is not without its links. He is not Old Brown any longer; he is an angel of light", so Henry David Thoreau in "A Plea for Captain John Brown". Zusammen mit Ralph Waldo Emersons Charakterisierung John Browns als "the new Saint whose fate yet hangs in suspense but whose martyrdom if it shall be perfected, will make the gallows as glorious as the cross" [1] ergibt sich ein Bild der Euphorie, die John Brown in der Union mit seinem Tod als Märtyrer der Sklavenbefeiung ausgelöst hatte. Thoreau und Emerson blieben nicht die einzigen, auch Herman Melville und Walt Whitman stimmten in das Hohelied John Browns mit ein, und kaum ein Jahr nach Browns Hinrichtung erschien eine erste Biographie, "The Public Life of Capt John Brown" von James Redpath, die weiter zu seiner Glorifizierung beitrug.

Browns Taten und Mythos verloren mit der Zeit nicht ihre Faszination, weder für Journalisten und Historiker, noch Literaten, doch die Perzeption änderte sich. Oswald Garrison Villards "John Brown 1800-1859: A Biography Fifty Years After" zeichnete Brown nicht als Heiligen, sondern als Verrückten, was Robert Penn Warren 1929 in seinem Buch "John Brown: The Making of a Martyr" aufgriff. Erst Stephen B. Oates versuchte 1970 mit "To Purge This Land With Blood: A Biography of John Brown" den Heiligen mit dem Verrückten zusammenzubringen. Seitdem sind zahlreiche weitere Biographien und Aufsätze zu John Brown erschienen, die ihn meist als religiös-überzeugten Einzelgänger zeichnen, dessen Geisteszustand zumindest fragwürdig war und offen zur Debatte stand. Deutlich werden stets Browns calvinistischer Hintergrund, seine religiöse Motivation und sein Verständnis des Christentums als Befreiungstheologie betont, so zuletzt 2006 von Evan Carton mit "Patriotic Treason: John Brown and the Soul of America".

Pünktlich zum 150. Jubiläum des Überfalls auf Harpers Ferry versucht der Associate Professor an der Universität von Hawaii, Robert E. McGlone, in seinem vorliegenden Buch "John Brown's War Against Slavery" mit einigen Mythen um John Brown aufzuräumen. Allen voran mit dem Mythos, dass Brown ein eigenbrötlerischer Fanatiker gewesen sei. Als Grundlage dienen ihm die bisher in der Forschung vernachlässigten Briefe und eigenen Schriften Browns. Zwar handelt es sich bei "John Brown's War" um McGlones erstes Buch, doch beschäftigt er sich seit längerem mit der Thematik und ist ein ausgewiesener Kenner Browns. Bereits 1989 schrieb er im Journal of American History über dessen Familie. [2] Darauf aufbauend zeigt McGlone nun anschaulich, dass John Brown alles andere war als der bisher in der Fachliteratur dominierende Einzelgänger. Bei der Richtigstellung anderer Mythen scheint er hingegen nicht ganz so erfolgreich. So beweisen auch Browns persönliche Aufzeichnungen, dass er tief in seinem Glauben verwurzelt war und fast zu jeder Situation die passende Bibelstelle zitieren konnte. Auch die alte Frage, ob John Brown geistesgestört war, findet bei McGlone keine eindeutige Antwort. Und der Vergleich Browns mit Herman Melvilles monomanischen Ahab ist ebenfalls nicht neu.

Erfrischend sind die neue Betrachtungsweise John Browns durch hauptsächlich dessen eigene Aussagen, der Versuch einer psychologischen Analyse von Browns Motiven, sowie die ausführliche Behandlung der Frage, ob Browns Taten als proto-terroristische Akte gesehen werden können. Insgesamt kann "John Brown's War on Slavery" als Gegenstück zu David S. Reynolds bereits 2005 erschienenem Werk, "John Brown, Abolitionist: The Man Who Killed Slavery, Sparked the Civil War, and Seeded Civil Rights", gesehen werden. Anders als Reynolds stellt McGlone Brown nicht durch die Wahrnehmung seiner Zeitgenossen dar, und er bleibt mit seiner Biographie auch unparteiischer als sein unmittelbarer Vorgänger. Leider geht McGlone nicht näher auf Reynolds Werk ein, sondern belässt es bei einer kurzen Erwähnung in einer Endnote (399).

Insgesamt ist "John Brown's War" gut recherchiert und geschrieben, und kann einem Publikum mit Vorwissen uneingeschränkt empfohlen werden. Die nicht immer chronologische Einteilung des Buches den verschiedenen persönlichen Facetten John Browns sowie seinen Motiven (von seinem festen Glauben, über die fragliche Geisteskrankheit, bis zum Proto-Terroristen) folgend, bringt verwirrende Sprünge und Redundanzen mit sich. Zudem bleibt die zentrale Frage, ob Harpers Ferry ein "historical accident" und "private war" oder eben "a movement expressive of the political culture of antislavery" (17) war, unbeantwortet und offen zur Diskussion. Anzumerken ist außerdem, dass McGlone sich hauptsächlich auf die beiden genannten Biographien von Oswald Garrison Villard und Stephen B. Oates bezieht. Neuere Monographien blendet er fast vollständig aus. Den Lapsus McGlones, "The New Pilgrims Progress" dem mythischen Holzfäller "Paul Bunyan" (198) zuzuschreiben, anstatt John Bunyan, kann man mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen. Auch nach McGlones Werk wird die Debatte um John Brown weiter gehen: "John Brown's body lies a-mouldering in the grave; His soul's marching on!"


Anmerkungen:

[1] Zitiert nach: James N. Gilbert: "A Behavioral Analysis of John Brown: Martyr or Terrorist?" in: Paul Finkelman / Peggy A. Russo (eds.): Terrible Swift Sword: the Legacy of John Brown, Athens: Ohio University Press, 2005, 107-117, hier: 115.

[2] Robert E. McGlone: "Rescripting a Troubled Past: John Brown's Family and the Harper's Ferry Conspiracy" in: Journal of American History, 75/4 (1989), 1179-1200.

John Andreas Fuchs