Rezension über:

Louise Bourdua / Anne Dunlop (eds.): Art and the Augustinian Order in Early Renaissance Italy (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Aldershot: Ashgate 2007, xv + 231 S., ISBN 978-0-7546-5655-5, GBP 55,00
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Rezension von:
Till Busse
Köln
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Till Busse: Rezension von: Louise Bourdua / Anne Dunlop (eds.): Art and the Augustinian Order in Early Renaissance Italy, Aldershot: Ashgate 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/02/13780.html


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Louise Bourdua / Anne Dunlop (eds.): Art and the Augustinian Order in Early Renaissance Italy

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Die Kunst der Bettelorden in Italien ist seit Thodes großer Untersuchung zu Franziskus und den Künsten wesentliches Forschungsthema zur spätmittelalterlichen Kunstgeschichte gewesen. Arbeiten von Dieter Blume zu den italienischen Minoriten, von Joanna Cannon und William Hood zu den Dominikanern in der Toskana haben erwiesen, wie neue Formen der Religiosität auch neue Modi der Bildrepräsentation erforderten. Bislang steht eine größere Untersuchung für den Augustinerorden aus, die jedoch teils in der besprochenen Aufsatzsammlung vorgelegt wird. Gemeinsam ist den Aufsätzen ein positivistischer Ansatz. Es wird nicht versucht, eine Verbindung zwischen den Werken und allgemeinen theologischen Positionen des Ordens zu konstruieren. Eine Rolle spielt in allen Beiträgen jedoch die Apologetik des Ordens gegenüber anderen Bettelorden, aber auch gegenüber den Augustiner-Chorherren, da er erst im 13. Jahrhunderts als Zusammenfassung sehr heterogener eremitischer Gemeinschaften geschaffen wird und sich bildpolitisch zu legitimieren versucht. Zentrales Thema ist der Versuch des Ordens, die Augustinus-Vita für sich zu reklamieren und damit sein hohes Alter nachzuweisen. Ebenso wichtiges Mittel der Ordenspolitik wird die Etablierung eigener Heiliger, z.B. des Nikolaus von Tolentino oder des Agostino Novello in Siena, auch der Versuch, augustinische Heilige anderen dominanten Heilsfiguren, etwa Franziskus, anzugleichen.

Cordelia Warr analysiert die Entstehung des Habits der Augustinereremiten, die sich so von den Chorherren unterscheiden wollten. Sie wirkte sich auch auf die Ikonografie des Kirchenvaters Augustinus aus, je nachdem, welcher der beiden Orden den Heiligen für sich reklamierte. Schwarze Kapuze und Ledergürtel waren vorgeblich vom Kirchenvater selbst gestiftet worden und dienten so als Legitimationshilfe für den jungen Verbund. Insofern wurde in Zyklen zur Vita des Augustinus die Einkleidung besonders herausgestellt.

Louise Bourdua untersucht die Geschichte des Augustinus-Grabmales in Pavia, das von Nachfolgern Giovanni di Balduccios um 1360 für die Augustinereremiten begonnen wurde. Bourdua untersucht die Motivation für das prächtige Grabmal, das im Wettbewerb mit einem Augustinusgrab in der Krypta der Kirche geschaffen wurde und eventuell auch mit dem Grabmal des Petrus Martyr in Sant'Eustorgio in Mailand konkurrierte. Über vierzig Jahre wurde an diesem Grabmal gearbeitet, dessen Programm den Heiligen vor allem als Bischof und nicht als Eremiten zeigte. Trotzdem bot seine Pracht den Augustinern die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Pilger und Stifter auf sich zu ziehen, in einer Kirche, die ab 1402 räumlich aufgeteilt wurde mit den Augustinerchorherren.

Cathleen Hoeniger weist anhand des Altars des Seligen Agostino Novello in Siena nach, wie ein eher obskurer lokaler Heiliger zu einem Lokalmatadoren des Ordens stilisiert wurde. Ein weiterer Heiliger des Ordens, der besondere Bedeutung erlangte, war der Heilige Nikolaus von Tolentino, dessen Kapelle von Pietro da Rimini 1325 ausgemalt wurde. Wie im Falle des Agostino Novello wird auch hier der Kult gefördert (1325), noch bevor der Heilige kanonisiert wurde (1446). Insbesondere analysiert die Autorin Anne Dunlop hier die Frage nach Imitation und Täuschung in der Kunst, deren Diskussion bis auf Platon und Augustinus zurückverfolgt werden kann und auch in den ordensinternen Diskussionen des Trecento eine Rolle gespielt zu haben scheint.

Janis Elliotts und Catherine Hardings Artikel analysieren die im Zweiten Weltkrieg verschollene Ausstattung der Eremitani-Kapelle in Padua, die 1360-65 Guariento d'Arpo schuf. Anhand einer bislang unbekannten Fotografie gelingt es Elliott, die Chorostwand zu rekonstruieren. Charakteristisch für Guarientos Arbeit ist die eher unübliche Verbindung von Jüngstem Gericht und Passionsdarstellungen, die in Zusammenhang mit Texten des Kirchenvaters gebracht werden können, zumal auch die Lebensalter des Menschen, die Planeten und damit das augustinische Geschichtskonzept dargestellt werden. Elliott bindet diese Interpretation in eine Analyse ähnlicher Chorprogramme ein und verweist auf die Entstehung einer neuen Kosmologie Mitte des 14. Jahrhunderts. Interessant wäre es, diese Entwicklung bis hin zu Michelangelos Jüngstem Gericht weiterzuverfolgen.

Diana Norman untersucht anhand eines 1937 entdeckten Freskos von ca. 1401 in Sant'Agostino in Montalcino die Verbindung zwischen den Mönchen und den privaten Stiftern des senesischen Contado, die im Laufe des 15. Jahrhunderts immer einflussreicher zu werden scheinen. Ian Holgates Analyse eines Altaraufsatzes von Giovanni d'Alemagna und Antonio Vivarini beleuchtet den Kult um Monika, Mutter des Augustinus und bekannt durch die Confessiones. Holgate lässt die Gestalt des Retabels wiedererstehen und zieht eine süddeutsche illuminierte Handschrift als Beispiel für mögliche ikonografische Überlieferungsstränge heran. Der Altar ist in Verbindung zu einer religiösen Frauenvereinigung von "terziarie" zu sehen, die um 1444 ihre Aktivitäten begannen. Monikas Kult wird seit 1387 allmählich eingeführt und 1430 verbindlich als Bildkult vorgeschrieben. Auch hier geht es in erster Linie um den Versuch der Ordensoberen, das Alter der Organisation verbindlich zu dokumentieren, indem der Kult altehrwürdiger Heiliger forciert wird.

Donal Coopers Essay beleuchtet ein im späteren Zeitalter der Gegenreformation schlüsselhaftes Motiv in einer Frühphase: Die Ekstase des Heiligen Augustinus vor der Vision der Dreieinigkeit führt später zum Emblem des Ordens, dem durchbohrten Herzen, und sie setzt den Heiligen in Analogie zum stigmatisierten Franziskus, aber auch zu Heiligen wie Katharina von Siena und Thomas von Aquin. Aus der Konkurrenz zu anderen Orden wird die Ikonografie des Kirchenvaters um ein visionäres Element bereichert, das einer mystischen Grundströmung des ausgehenden Trecento entsprochen haben dürfte.

Roberto Cobianchi stellt ein in Fragmenten und einer Vorzeichnung erhaltenes Werk Raphaels vor: Nikolaus von Tolentino wird von Gottvater, Augustin und Maria gekrönt, hält ein Kruzifix und ein offenes Buch, trägt einen Stern auf seiner Brust und steht triumphierend auf dem Teufel. Diese Ikonografie geht auf ein Prozessionsbanner von 1446 zurück, entstanden anlässlich der Kanonisierung des Heiligen. Cobianchi weist anhand von Holzschnitten die graduelle Entstehung dieser Bildsprache nach, die in Konkurrenz zu Heiligen der Observanzbewegungen wie Benhardin und Bonaventura steht.

Der Band beschränkt sich auf die Zeit vor der Reformation, was bedauerlich ist, da gerade die Augustiner zentrale Gedanken Luthers mit vorbereiten und es interessant gewesen wäre, zu sehen, inwiefern sich augustinisches Gedankengut etwa in der Sixtinischen Kapelle äußert oder ob und inwiefern im Cinquecento eine Apologetik im Spannungsfeld zwischen Reform und Gegenreform Bildprogramme des Ordens prägte.

Das sehr informative Werk krankt ein wenig an seiner knappen Ausstattung. Gerade die Beiträge von Anne Dunlop zur Kapelle des Heiligen Nikolaus in Tolentino und Janis Elliotts Artikel zur Eremitani-Kirche in Padua sind zu knapp bebildert, was sicherlich am Verlagsbudget liegen mag, vielleicht auch an der restriktiven Bildpolitik mancher Soprintendenza. Ebenso fällt der eine oder andere kleinere editorische Fehler bei Namen und Orthografie auf. Trotzdem ist der Band ungemein ergiebig und lässt auf eine größere Arbeit zu dieser Thematik aus den Federn der Autoren hoffen.

Till Busse