Rezension über:

Karlheinz Gerlach: Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 - 1806. Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein, Innsbruck: StudienVerlag 2007, 1014 S., 2 Bde. im Schuber, ISBN 978-3-7065-4037-7, EUR 144,90
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Rezension von:
Peter Mainka
Institut für Geschichte, Julius-Maximilians-Universität, Würzburg
Redaktionelle Betreuung:
Holger Zaunstöck
Empfohlene Zitierweise:
Peter Mainka: Rezension von: Karlheinz Gerlach: Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 - 1806. Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein, Innsbruck: StudienVerlag 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 11 [15.11.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/11/13088.html


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Karlheinz Gerlach: Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 - 1806

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Die Geschichte der Freimaurerei ist zweifelsohne integraler Bestandteil des Aufklärungsprozesses in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ebenso wie in den übrigen Ländern Europas. Darüber hinaus hat die Freimaurerei ihre gesellschaftliche und politische Wirkungskraft aber auch in der Neuen Welt entfaltet, wo Logenbrüder an den Unabhängigkeitsbewegungen Anglo- und Iberoamerikas in gleicher Weise maßgeblich beteiligt waren. Der Bund der Freimaurer war im langen 17. Jahrhundert in Schottland und England entstanden und hatte sich zunächst auf den britischen Inseln, dann aber auch auf dem Festland rasch verbreitet. Die erste Loge im Alten Reich wurde 1737 in Hamburg gegründet, am Ende des 'aufklärerischen und geselligen Jahrhunderts' gab es schon etwa 450 Logen, in denen bis zu 25.000 Personen organisiert waren. In Brandenburg-Preußen genoss das Freimaurerwesen die besondere Protektion König Friedrichs II., der noch als Kronprinz in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1738 in Braunschweig der 'Loge d'Hambourg' beigetreten war und im Jahr darauf in Rheinsberg die erste Freimaurerloge in Brandenburg-Preußen gegründet hatte.

Karlheinz Gerlach, ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Freimaurerforschung, legt hier die ersten beiden Bände seines insgesamt auf vier Bände angelegten Handbuchs zur Geschichte der Freimaurerei im Alten Preußen vor. Als archivalische Grundlage des vorliegenden Handbuchs dienen hauptsächlich die Freimaurerbestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem. Der Bearbeitungszeitraum erstreckt sich von 1738 bis zum Ende des Alten Preußen 1806/07. Erfasst wurden dabei alle Logen in Brandenburg-Preußen in den Grenzen von 1795, mit Ausnahme des Fürstentums Neuenburg und der fränkischen Markgrafentümer Ansbach und Bayreuth.

Die ersten beiden Bände liefern umfangreiche Sachinformationen zu den einzelnen Freimaurerlogen, die es in diesem Zeitraum in den mittleren und westlichen Territorien Brandenburg-Preußens gab. Die Darstellung der Freimaurerlogen gliedert sich nach räumlichen Gesichtspunkten, d.h. nach den Orten, an denen Freimaurerlogen belegt sind. Im ersten Teilband behandelt Kapitel 1 (15-341) die Logen in der Mark Brandenburg (Rheinsberg, Potsdam, Stendal, Frankfurt/Oder, Schwedt, Brandenburg/Havel, Salzwedel, Küstrin, Prenzlau, Cottbus, Charlottenburg, Havelberg) und Kapitel 2 (343-613) das Herzogtum Magdeburg und das Fürstentum Halberstadt (Halle/Saale, Halberstadt, Magdeburg, Aschersleben und Eisleben), während Kapitel 3 (625-800) im zweiten Teilband den westlichen Territorien Kleve (Kleve, Wesel, Duisburg und Ruhrort, Emmerich), Mark (Bochum, Hamm, Schwelm und Hagen, Iserlohn), Minden (Minden und Bielefeld, Krefeld) und Ostfriesland (Emden und Aurich, Leer) gewidmet ist. Die Beiträge zu den einzelnen Orten folgen einem bestimmten Grundschema, das jedoch zumeist nicht vollständig Anwendung findet. Im einzelnen werden folgende Aspekte behandelt: Die Geschichte der am jeweiligen Ort nachgewiesenen Loge(n), Mitglieder- und Sozialstruktur, Geburts- und Wohnorte der Mitglieder, ihre Konfession, Informationen zu den dienenden Brüdern und den Logenquartieren, Angaben zu Aufnahmen und Entlassungen, zu den Arbeiten (Versammlungen), zur Logendemokratie, zu den Finanzen, zum Sozialverhalten, zum kulturellen Engagement und, sofern mehrere Logen am selben Ort existierten, zu den Logenbeziehungen. Schließlich folgt die Liste, beziehungsweise folgen die Listen der Logenmitglieder, gegebenenfalls der dienenden Brüder, der Ehrenmitglieder sowie der Funktionsträger (z.B. Repräsentanten bei der Großen Landesloge) jeweils mit knappen biographischen Angaben.

Der Darstellungsteil wird ergänzt durch ein Inhaltsverzeichnis (5-10), ein Vorwort (11-14), eine Landkarte Brandenburg-Preußens in den Grenzen bis 1793/94, in der die Orte der Logen verzeichnet sind (614-615) und einen umfangreichen Anmerkungsapparat (801-882). Im Anhang finden sich ausführliche Quellen- und Literaturangaben (885-926), ein Abkürzungsverzeichnis (927-930) und umfassende Register (931-1014) zu 1. Personen, 2. Orten, Ländern, Adressen und Institutionen, 3. Johannis-, Andreas- und Schottenlogen sowie Rosenkreuzerzirkeln und 4. zu Sachen und Begriffen. Band 3 des Handbuchs wird die Freimaurerlogen in Berlin, Vor- und Hinterpommern, Ost- und Westpreußen sowie in Schlesien behandeln, während Band 4 die wichtigsten einschlägigen Quellen enthalten wird.

Unter dem besonderen Schutz der preußischen Krone stehend, wie die Bestimmungen im 'Allgemeinen Landrecht der Preußischen Staaten' (1794) und des 'Edikts wegen der geheimen Verbindungen' vom 20. Oktober 1798 belegen, entstanden von 1739-1806 "im mittleren und westlichen Brandenburg-Preußen in 30 Städten 47 rechtmäßig konstituierte Johannislogen mit archivalischer Überlieferung", in denen sich 3.365 Logenbrüder zusammengefunden hatten. Nach Ansicht Gerlachs lassen sich dabei drei Entwicklungsphasen unterscheiden: 1. die Zeit von 1739 bis zum Siebenjährigen Krieg, als "die wenigen, gesellschaftlich meist isolierten Logen auf die großen, weit voneinander entfernten Städte beschränkt" waren, 2. die Periode vom Siebenjährigen Krieg bis in die 1770er Jahre, als sich "in der von Krieg und Nachkriegskrisen sowie inneren Auseinandersetzungen geprägten Übergangszeit [...] die Freimaurerei (festigte)", und 3. der Abschnitt von den 1770er Jahren bis 1806, als unter veränderten, für die Freimaurerei insgesamt recht günstigen "politischen, ökonomischen. sozialen und ideologischen" Rahmenbedingungen "in immer mehr Städten" (12) Freimaurerlogen entstanden, wenngleich sich seit den 1760er Jahren in ihnen zum Teil auch esoterische, mystische und alchemistische Strömungen deutlich bemerkbar machten (Hochgradsystem, Gold- und Rosenkreuzer).

In diesen Freimaurerlogen hatten sich "in wachsender Zahl die Angehörigen der neuen, das Alte Preußen tragenden und mit seinem Aufstieg verbundenen sozialen Schichten und Gruppen" (11) sowohl aus dem Adel (1/3) als auch aus dem Bürgertum (2/3) organisiert. Hier trafen sich Verwaltungsbeamte, Militärs und Unternehmer, Professoren, Intellektuelle und Künstler, die den Aufklärungs- und Reformprozess im Alten Preußen maßgeblich prägten und gestalteten. Aus den anfänglich geheimen Gesellschaften wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts "legale geschlossene Vereine", die "sozial einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, zur Entstehung eines Vereinssystems und ganz allgemein zur Emanzipation des Bürgertums (leisteten)" (12).

Die beiden Teilbände des geplanten Handbuchs stellen ein wichtiges Grundlagenwerk für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte der Freimaurerei im Alten Preußen dar, indem eine Vielzahl an Fakten und Informationen zur personellen Zusammensetzung und materiellen Ausstattung, zu Sozialstruktur und Organisation der einzelnen Logen gegeben werden. Somit liefern die Bände wichtige Basisdaten zum aufgeklärt-absolutistischen Brandenburg-Preußen und seinen gesellschaftlichen Eliten und Trägerschichten, auf die weiterführende Einzelstudien zurückgreifen können.

Kritisch anzumerken bleibt, dass das allgemeine Literaturverzeichnis wenig aktuell erscheint und die dargebotenen Informationen viel zu selten graphisch aufbereitet sind, was sich gerade bei der quantitativen Analyse von Daten angeboten hätte. Eine einführende allgemeine Überblicksdarstellung wäre ebenso wünschenswert gewesen wie ein größeres Maß an Gleichförmigkeit in der Gliederung (gleiche Unterpunkte für gleiche Aspekte).

Peter Mainka