Rezension über:

Lutz Voigtländer (Hg.): Krieg für den "gemeinen Mann". Der mit einem sächsischen Bauer von jetzigem Kriege redende französische Soldat. Eine neue Form der Berichterstattung in einer Wochenschrift des 18. Jahrhunderts (= Presse und Geschichte - Neue Beiträge; Bd. 22), Bremen: edition lumière 2006, 328 S., ISBN 978-3-934686-39-7, EUR 39,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Martin Winter
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Martin Winter: Rezension von: Lutz Voigtländer (Hg.): Krieg für den "gemeinen Mann". Der mit einem sächsischen Bauer von jetzigem Kriege redende französische Soldat. Eine neue Form der Berichterstattung in einer Wochenschrift des 18. Jahrhunderts, Bremen: edition lumière 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 4 [15.04.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/04/12022.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Lutz Voigtländer (Hg.): Krieg für den "gemeinen Mann"

Textgröße: A A A

Gefragt sind "Kriegsgeschichten und keine Kriegsgeschichte" (11). Hiermit ist bereits sehr prägnant umschrieben, womit Lutz Voigtländer den Leser in der vorliegenden Quellenedition zum Siebenjährigen Krieg bekannt macht. Während an Selbstzeugnissen und offiziöser Publizistik zu diesem Konflikt kein Mangel herrscht, zählen populäre Periodika, die sich eher an eine "Leserschaft minderer Bildung" (11) richten, zu den selten und nur in wenigen Exemplaren überlieferten Quellen. Bei dem nun von Vogtländer vorgelegten Material, das sich komplett im Besitz des Bearbeiters befindet, handelt es sich um die Wochenschrift "Der mit einem Sächsischen Bauer von jetzigem Kriege redende Französische Soldat", die zwischen den Schlachten von Kolin (6. Mai 1757) und Zorndorf (25. August 1758) in insgesamt 59 Heften erschien.

Voigtländer stellt seiner Edition eine Vorbemerkung (9-12) und eine Einleitung (13-34) voran, in denen er neben einer Einordnung der spezifischen Textgattung knapp und instruktiv Fragen nach dem journalistischen Engagement des Herausgebers Laitenberger, den besonderen Charakteristika der beiden Dialog führenden Protagonisten sowie der Kompilation der Informationen nachgeht. In dem "journalistischen Programm" (21) Laitenbergers fungiert der französische Soldat in erster Linie als sachlicher Berichterstatter, während der Bauer die Dialoge mit Abenteuern, Räuberpistolen und Gerüchten würzt, ohne die derartige populäre Publikationen auch damals nicht funktionieren konnten. Es ist genau dieser Stoff, der die Ausnahmestellung dieser Quelle ausmacht und die Edition rechtfertigt, die sonst auf faktischer, strategischer oder taktischer Ebene keine neuen Einsichten in den Siebenjährigen Krieg bereithält.

Der Herausgeber Laitenberger hatte sich mehrfach mit verschiedenen Organen in der "Presselandschaft" (16) des westlichen Kursachsen engagiert. Mit der vorliegenden Wochenschrift nutzte Laitenberger 1757 ein gestiegenes Interesse im Raum Merseburg, hervorgerufen durch das Übergreifen der Kriegshandlungen nach Sachsen, und verknüpfte spezifisch regionale Informationen mit solchen über das allgemeine Kriegstheater. Die Anfänge der Wochenschrift fallen mit einer Konjunktur des Flugschriftenmarktes zusammen, die die preußischen Anfangserfolge des Jahres 1757 begleitete (17f.). Plausibel bringt Voigtländer das Erlöschen der Wochenschrift mit dem wechselnden Kriegsglück und der daraus resultierenden Verlagerung des Kriegsschauplatzes in Verbindung.

Im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit hat Voigtländer die Dialoge in acht Kapitel zerlegt, die sich vorrangig an den jeweiligen Kriegsschauplätzen orientieren; dazu weitere vier Kapitel, die sich mit regionalen Episoden, dem Kolonial- und Seekrieg, Politik und Diplomatie abseits des Krieges sowie konfessionellen Dialogen befassen. Außerdem wurden Textteile aufgenommen, die mit dem "aktuellen Kriegsgeschehen nicht unmittelbar in Verbindung stehen" (303). Diesen einzelnen Kapiteln hat der Herausgeber jeweils eine knappe Einführung vorangestellt. Ein Literatur- und Abbildungsverzeichnis beschließt den Band.

Neben der Neustrukturierung hat sich Voigtländer weiterer Eingriffe in den zurückhaltend kommentierten Quellentext enthalten, was der Authentizität gerade in Bezug auf das sächsische Idiom des Bauern Vorschub leistet, die Lektüre jedoch bisweilen etwas anspruchsvoller gestaltet. An manchen Stellen hätte sich der Rezensent den einen oder anderen Hinweis gewünscht - ein Problem, das sich jedoch mit lautem Vorlesen überwinden lässt.

Die Erschließung des Bandes erfolgt ausschließlich über die Gliederung, die einen relativ raschen Zugriff ermöglicht. Das Fehlen einer weiteren Erschließung des Textes mag wohl auch mit dem eher narrativen Wert der Quelle gerechtfertigt werden, doch hätte ein Register den Band in jedem Fall aufgewertet.

Voigtländer fügt dem vorhandenen Quellenkörper zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges mit der vorliegenden Edition wichtige Facetten sowohl der Verbreitung und Verarbeitung, als auch der Wahrnehmung dieses Konflikts auf der unteren Ebene hinzu, die nachhaltig zu begrüßen ist.

Martin Winter