Rezension über:

Miloš Vec / Bettina Beer / Eva-Maria Engelen u.a. (Hgg.): Der Campus-Knigge. Von Abschreiben bis Zweitgutachten, München: C.H.Beck 2006, 240 S., ISBN 978-3-406-55062-1, EUR 16,90
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Rezension von:
Notker Hammerstein
Historisches Seminar, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Notker Hammerstein: Rezension von: Miloš Vec / Bettina Beer / Eva-Maria Engelen u.a. (Hgg.): Der Campus-Knigge. Von Abschreiben bis Zweitgutachten, München: C.H.Beck 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/02/11221.html


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Miloš Vec / Bettina Beer / Eva-Maria Engelen u.a. (Hgg.): Der Campus-Knigge

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Idee und Ausführung dieses schön aufgemachten Büchleins sind geistreich, witzig und spritzig. Es führt in normale und bizarre Bedingungen, Verhaltensweisen und Selbststilisierungen der Universitäten und ihrer Angehörigen ein, ohne dass es ein zuverlässiger, umfassender oder gar ernsthafter Führer in eine für Außenstehende fremde Welt sein will bzw. kann. Der Knigge ist nur bedingt einer, sicher aber einer, der voller Ironie, "Spaß an der Freud" und Einfallsreichtum besticht.

Nicht vermutete wie auch völlig unerahnte und gekannte Stichworte bieten Blicke hinter die Universitätenkulisse, die auf z. T. skurrile z. T. treffend scheinenste Art die derzeitige aber auch weiter zurückreichende Welt der Professoren, Studenten und Universitätsverwandten - wie man früher sagte - erhellen. Bibliothek, Berufungsverfahren, Labor, Ordinarius, Ruf, Vorlesung, Professorengattin, Exkursion, Gutachten sind Lemmata, die Viele leicht mit Hochschulen verbinden können. Nachwort, Laudatio, Frauenbeauftragte, Einzelschreibtischforscher, Elite, Rektor können sicherlich auch noch mit Universitäten in Zusammenhang gebracht werden. Nekrophilie, Schnippelkurs, Matthäus-Prinzip, Interlaus, Science Party, Gackern, Kohle, Kluft, Coolness - alle werden sie hier abgehandelt - müssen erst studiert werden um zu erfahren, wie eng sie mit der alles überwölbenden Institution zusammenhängen. Und das sind nur einige willkürliche Beispiele. Ich habe die Eintragungen nicht nachgezählt, das wäre eine ebenso zermürbende wie sinnlose Tätigkeit. Es gibt welche über drei Seiten und solche von nur vier Zeilen. Der Leser wird - wie es einem Nachschlagewerk üblich ist - auf verwandte und ergänzende Eintragungen weiter verwiesen, gelegentlich gar mit Absicht irrtümlich bzw. irritierend.

Von den 69 Mitwirkenden, hier habe ich nachgezählt, stammt bzw. lebt ein Großteil im Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte bzw. seinem Umfeld. Dessen früheres Rechtshistorisches Journal und seine entsprechenden Spalten waren wohl Vorbild und Auslöser, ein solches Unternehmen durchzuführen. Erfreulicherweise hat der Verlag sich dieser keineswegs alltäglichen Publikation nicht versagt. Die Artikel sind nun nicht nur unterschiedlich umfangreich, sie sind bei einer gewissen Grundeinheitlichkeit, der gähnen machende Seriosität nicht unbedingt ein erstrebenswertes Vorbild ist, auch wieder unterschieden. Einige sprudeln über vor Freude an sprechender Ironie, das ist eine, die gerade dadurch universitäre Verhaltensmuster amüsant erklärt und einsichtig macht. Andere sind dann doch seriöser, wenn auch immer bemüht, dem Ton des Gesamtunternehmens gerecht zu werden. Alle sind sie recht persönlich, was einen weiteren Reiz ausmacht.

Ein solches Produkt ist begreiflicherweise vorab für Universitätsangehörige oder -absolventen interessant. Außenstehende, die diese Institution nicht genau kennen, werden damit nicht allzu viel anzufangen wissen. Auch für Studenten dürfte das gelten, zumindest für jüngere Semester. Aber das kann - und will - kein Vorwurf sein. Denn die Zielgruppe, die wohl gemeint ist, wird ihr Vergnügen mit dem Band haben, und darauf kommt es an. Dass es die diversen Autoren und Autorinnen bei der Abfassung ihrer Beiträge gehabt haben dürften, merkt man einer ganzen Reihe von ihnen an. Ob sie allerdings alle oder selbst viele der so bedeutenden und ernsthaften Universitätsangehörigen erreichen und zum Amüsement verhelfen werden, darüber wage ich keine Aussage.

Notker Hammerstein