Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Philipp Zitzlsperger, Berlin


Wolfgang Kemp: Der explizite Betrachter, Konstanz 2015.
Ein geistreiches Buch über den partizipatorischen Anteil des Betrachters in der Gegenwartskunst. Kemp beobachtet und beschreibt mit großer Aufmerksamkeit und einem eigenwilligen Blick die Fortsetzung seiner Rezeptionsästhetik "Der Betrachter ist im Bild" (1985). Der Anteil des Betrachters ist nunmehr in der Krise, denn das Kunstsystem unserer Gegenwart steuert die Partizipation und die 'Kunst für alle' wird zunehmend von einer 'Kunst für Käufer' durch eine professionelle Ökonomie der Aufmerksamkeit abgelöst.

Susanne von Falkenhausen: Jenseits des Spiegels. Das Sehen in Kunstgeschichte und Visual Culture Studies, Paderborn 2015.
Die Entgrenzung des Kunst- und Kulturbegriffs führt manche Disziplinen der Geisteswissenschaften zu einer gewissen Orientierungslosigkeit. Wird man als Lehrender der Kunstgeschichte von einem Studenten gefragt, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Kunstgeschichte und Visual Culture Studies sei, ringt man nicht selten um konkrete Worte. Susanne von Falkenhausen hat sich mit beiden Disziplinen intensiv auseinandergesetzt, deren Grabenkämpfe und Abgrenzungsrhetorik analysiert, und gibt überraschende Antworten. Mit exemplarischen Textexegesen versucht sie aus einer diskurs- und wissenschaftsgeschichtlichen Perspektive eine Brücke zwischen den Visual Culture Studies und der Kunst- und Bildgeschichte zu schlagen, indem sie beide Disziplinen in ein Sehen als ethischer Frage münden lässt.

Lambert Wiesing: Luxus, Berlin 2015.
Was Luxus eigentlich ist, darüber haben sich bislang erstaunlich wenig Soziologen und Philosophen Gedanken gemacht. Werner Sobarts Luxus-Begriff ist zwar rustikal und brauchbar, aber befriedigend ist er nicht. Umso erfreulicher, dass Wiesing nun eine Studie zu Luxus vorlegt, die bestens in eine Gegenwart passt, in der sich die soziale Schere zwischen Arm und Reich zunehmend öffnet. Wiesing sieht Luxus aber nicht quantitativ, sondern als qualitative Erfahrung in Zeiten des Zweckrationalismus. Luxus ist eine ästhetische Erfahrung, das Besitzen von etwas, das zwar seinen Zweck erfüllt, sich darin aber nicht erschöpft.

Ute Ackermann / Kai Uwe Schierz / Justus H. Ulbricht (Hgg.): Streit ums Bauhaus. Begleitband zur Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt 2009.
Während der Typenstreit des Werkbundes in Köln 1914 als gewaltiges Beben der widerstreitenden Lager zwischen Industrialisierungsfreunden und -feinden in die Geschichte eingegangen ist, spricht heute kaum noch jemand von den Grabenkämpfen innerhalb des Bauhauses. Ein vorzüglicher Katalog mit ebensolchen Beiträgen ist zu diesem Thema zwar bereits 2009 erschienen, jedoch bis heute von der Wissenschaft wenig beachtet. Umso wichtiger ist es darauf hinzuweisen, dass Verwerfungen zwischen Gropius und Itten, zwischen Funktionalisten und moderner Kunst, zwischen Kunsthandwerk und Auftragsforschung und anderen, auch heute noch relevanten Designproblemen tiefenscharf ausgeleuchtet werden.

Adrian Forty: Objects of Desire. Design and Society since 1750, London 1986.
Die Designforschung hat diese vorzügliche Studie zur Geschichte des Designs weitgehend vergessen. Forty, Schüler von Nikolaus Pevsner, argumentiert gegen seinen Lehrer und sieht das industrielle Design nicht als Niedergang der Kultur, sondern als ihren Impetus. Die Maschine hat die Kunst nicht zerstört, so Forty, sondern vielmehr die Qualität des Designs gefördert. Das Buch bürstet das Klischee kräftig gegen den Strich, dass Massenproduktion zu Lasten der Qualität gehen muss. Er lenkt kenntnisreich und historisierend den mikroskopischen Blick auf Entstehungsumstände und Auswirkungen der seriellen Produktion. Zudem entlarvt Forty die altbewährte Funktionalismus-Doktrin als Fehlinterpretation des Designs: Nicht die Funktion und Zweckrationalität führt zu Design, sondern der soziale und ökonomische Anspruch, das Begehren der Nutzer und Betrachter. Das Buch verdient mehr Aufmerksamkeit.