Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Christine Roll, Aachen


Thomas Knubben: Mesmer oder Die Erkundung der dunklen Seite des Mondes, Tübingen 2015.
Wer von Konstanz aus mit der Fähre nach Meersburg fährt, sieht schon von weitem auf der Mole die Magische Säule. Der Bildhauer Peter Lenk, für seine satirischen Portraits berühmt, hat zwar zweifellos die oben als Möwe thronende Annette von Droste-Hülshoff als Hauptperson verewigt, aber unter den Personen auf halber Höhe der Säule sieht man, stehend auf einem Käfig in Gestalt eines Planeten mit Gefangenen darin, Franz Anton Mesmer (1734-1815) - mit einem großen Magneten in der Hand.

Wer sind die Gefangenen in Mesmers Planetenkäfig? Und was hat es mit dem Mesmerismus auf sich, mit der von Mesmer formulierten Theorie des "Animalischen Magnetismus"? War Mesmer ein Esoteriker, war er Scharlatan und Wichtigtuer - oder ein verkannter Mediziner, Naturwissenschaftler und wirklicher Aufklärer? Thomas Knubben erzählt Leben und Werk des Dr. phil und Dr. med. Franz Anton Mesmer; er beschreibt dessen Heilkonzept, das Astronomie und Medizin verband, und schildert die Therapien, mit denen es Mesmer offenbar gelang, das Befinden seiner Patienten zu verbessern; heute gilt er als (Mit)Begründer der Hypnosetherapie. Eindeutig sind die Fragen also nicht zu beantworten.

Das Buch enthält gehaltvolle zeitgenössische Bilder, ferner Nachweise der Zitate und ein Verzeichnis gut ausgewählter weiterführender Literatur. Wer die Erfolge und Grenzen Mesmers im Kontext der Ideen- und Wissensgeschichte um 1800 unterhaltsam gewürdigt sehen möchte, lese dieses Buch. Wer sich auf eine satirische Enthüllung der Intrigen in der Gelehrtenwelt einlassen möchte, besuche Lenks Magische Säule auf der Meersburger Hafenmole: die Gefangenen im kosmischen Käfig sind drei Gelehrte, mit denen Mesmer zuerst gemeinsam agierte, dann aber zu ihnen in Konkurrenz geriet und sich mit ihnen überwarf.

Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse, 4 Audio-CDs, Gelesen vom Autor. 426 Min.
Es beginnt bei Migros in Zürich: Der junge orthodoxe Jude Mordechai Wolkenbruch, kurz Motti, von seiner Mutter zum Einkaufen geschickt, erhält einen Anruf auf sein Handy: Wo er bleibe, fragt die Mame - und das Setting der Geschichte steht! Die dominante Mutter, die für ihren einzigen Sohn eine Frau aussuchen will; die Rolle der Familie, die das Leben orthodoxer Juden vorzeichnet; der junge Mann, der an der Universität studiert und den zunehmend Zweifel befallen, ob denn alles so bleiben muss in seinem Leben. Die Zweifel wachsen, als er die hübsche Laura kennen lernt, ebenfalls Studentin, aber eine "Schickse" und zuhause in einer anderen Welt...

Das Hörbuch macht süchtig. Thomas Meyer liest mit dezent schweizerdeutschem Anklang. Der Alltag orthodoxer Juden in einer Schweizer Großstadt wird lebendig - und dahinter, durch das Vergnügen am Reichtum des sprachlichen Ausdrucks hindurch, die enorme Herausforderung für Juden, sich immer wieder neu damit auseinander zu setzen, worin es denn im Kern bestehe, jüdisch zu sein.