Von Georg Ziaja
Zu der Rezension von Jacek Kordel über meine beiden Lexika zu Polen im Goldenen Zeitalter möchte ich gern in sieben Unterpunkten Stellung beziehen.
Zitat J[acek] K[ordel]: "[...] dass viele Persönlichkeiten, die in der polnischen Geschichte im 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielten, nicht im Lexikon vorkommen, wie z. B. Krzysztof Szydłowiecki, Jan Kochanowski, Mikołaj Rej, Łukasz Górnicki oder Andrzej Frycz-Modrzewski."
G[eorg] Z[iaja]: Es handelt sich hierbei, so möchte ich betonen, um ein Lexikon des polnischen Adels und nicht ein Lexikon des polnischen Goldenen Zeitalters! In einem Lexikon des Goldenen Zeitalters würden die Dichter Jan Kochanowski und Mikołaj Rej wahrscheinlich an erster Stelle stehen, aber in einem historischen Lexikon des Adels würden sie - obwohl auch aus dem Adel stammend - wie Fremdkörper wirken. Rej als aktives Mitglied der calvinistischen Gemeinde hat sich noch halbwegs aktiv auf der politischen Bühne betätigt, aber Kochanowski hatte mit der wirklichen Politik wenig zu tun. Er war Dichter und kein Politiker. Auch Rej war kein echter Politiker, sondern nur ein Schriftsteller mit hohem moralischem Anspruch. Genauso war auch Andrzej Frycz-Modrzewski kein aktiver Politiker, der im Sejm für seine Sache stritt, sondern ein politischer Schriftsteller (heute würde man sagen, ein "Politikwissenschaftler"). Mein Lexikon stellt hauptsächlich Politiker mit staatlichen Funktionen vor bzw. Adelige, die sich rege am politischen Leben beteiligt haben. In der Einleitung (S. 2) schreibe ich: "Auf jeden Fall war es bei der Auswahl der Personen wichtiger, was ein Adeliger machte (welche Funktion im Staat er ausübte), als was er besaß. Ansonsten ist die Auswahl der aufzunehmenden Personen für ein Lexikon stets ein subjektiver Vorgang. Es wird in dieser Hinsicht immer Kritik geben, aber alle Adelige (etwa 10 Prozent der Bevölkerung in der Rzeczpospolita und etwa 15 Prozent im Königreich Polen) in einem Buch vorzustellen, ist einfach nicht möglich. Selbst die 120 Personen, die im Lexikon vorgestellt wurden, stellen schon eine ungewöhnlich große Gruppe dar, wie sie außer im Polski Słownik Biograficzny (von dem inzwischen über 50 Bände erschienen sind) nirgendwo sonst in der wissenschaftlichen Literatur vorkommt - und in deutscher Sprache gibt es überhaupt keine entsprechenden Werke".
JK: "Auch berücksichtigt Ziaja keine litauischen Familien [...]".
GZ: Ich schreibe in der Einleitung (S. 1): "Litauen und das Herzogliche Preußen wurden nicht berücksichtigt, weil das Buch sich nur mit dem Königreich Polen (und nicht mit dem Großherzogtum Litauen) beschäftigt." Auch der Titel "Lexikon des polnischen Adels" informiert schon darüber, da ich das Buch ansonsten "Lexikon des Adels in der Rzeczpospolita" (bzw. in Polen-Litauen) betitelt hätte.
JK: "'Nicht berücksichtigt sind die Bistümer Vilnius, Samogitien, Kiew und Łuck, denn sie waren meistens durch litauische bzw. ruthenische Bischöfe vertreten und die Bevölkerung war meistens orthodox' (S. 14). Diese Argumentation ist nicht ganz überzeugend. Die Beteiligung der Oberhäupter dieser Diözesen am politischen, intellektuellen und wirtschaftlichen Leben des Königreichs Polen lässt sich nicht von der Hand weisen. Hier einige Beispiele: Jerzy Radziwiłł, der von 1579 bis 1591 Bischof von Vilnius gewesen war, übernahm anschließend das Amt des Bischofs von Krakau (1591-1600) und wird in dieser Funktion in das Lexikon einbezogen."
GZ: Ich betone in der Einführung, dass ich die polnischen Bistümer beschreibe, was nicht heißt, dass ich nur die polnischen Bischöfe berücksichtigt hätte - es wurden alle Bischöfe des 16. Jahrhunderts im Königreich Polen (Großpolen, Kleinpolen, Kujawien, Masowien) aufgenommen, egal welcher Nationalität. Radziwiłł - ein Litauer - wurde als Bischof von Krakau aufgenommen, unabhängig davon, ob er ein Pole oder Litauer gewesen ist. Berücksichtigt werden alle Bischöfe des 16. Jahrhunderts, die auf dem "ethnischen" polnischen Territorium tätig waren.
JK: "Nicht einbezogen wurde hingegen Bernard Maciejowski, der 1588-1600 die Würde des Ordinarius von Łuck innehatte und seit 1600 Bischof von Krakau und seit 1606 Erzbischof von Gnesen und damit Primas von Polen war. Dasselbe gilt für Józef Wereszczyński (1592-1598 Ordinarius von Kiew, vor seiner Ernennung zum Bischof Kanoniker von Kulm und Abt des Benediktinerklosters in Sieciechów in Masowien) sowie für Krzysztof Kazimirski, den Nachfolger Wereszczyńskis (1598-1618) und vor seiner Nomination Kanoniker in Tarnów. Bischöfe, die im Jahr 1600 ihr Amt antraten, wurden ebenfalls nicht aufgenommen. Dies betrifft Maciejowski sowie Wawrzyniec Gembicki, der im November 1600 zum Bischof von Kulm ernannt wurde."
GZ: Die engmaschige Suche nach "fehlenden" Bischöfen, die im Jahre 1600 ihr Amt übernommen haben, bleibt hier ohne Kommentar. Wahrscheinlich hätte ich im Titel besser "1500-1599" statt "1500-1600" schreiben sollen, weil ich mich mit dem 16. Jahrhundert befasst habe (und das Jahr 1600 schon zum 17. Jahrhundert zählt).
JK: "Es entsteht so aber keine systematische Darstellung der Geschichte der katholischen Kirche in Polen."
GZ: Das war auch nicht das Thema: Es handelt sich um ein Lexikon, und ein Lexikon beinhaltet eigentlich nur Biogramme. Die kurz in der Einführung dargestellte "Geschichte der Kirche" war nur als eine Skizze gedacht und beansprucht für sich auch nicht, eine "systematische Darstellung der Geschichte der katholischen Kirche in Polen" zu sein.
JK: "Sigismund II. August wurde nicht 1548, sondern noch zu Lebzeiten seines Vaters, Sigismunds I., 1529 zum König gewählt und 1530 gekrönt (S. 15). "
GZ: Es stimmt, "gewählt 1548" war falsch formuliert. Gemeint war, dass er erst nach dem Tod seines Vaters an die Macht gekommen ist. Dass die ehrgeizige Mutter von Sigismund August, Bona Sforza, ihren Sohn unbedingt noch zu Lebzeiten seines Vaters krönen wollte (und dies auch durchsetzte), ist eigentlich jedem Historiker bekannt.
JK: "Daneben fehlen in dem Kapitel 'Literaturhinweise' folgende einschlägige Werke: [...] Ewa Dubas-Urwanowicz: Koronne zjazdy szlacheckie w dwóch pierwszych bezkrólewiach po śmierci Zygmunta Augusta, Białystok 1998".
GZ: Ich betone in der Einleitung (S. 4 f.), dass die als "Literaturhinweise" dargestellten Positionen nur eine Auswahl sind, die genauen bibliografischen Angaben befinden sich unter jedem Biogramm. So werden Dubas-Urwanowicz und ihr Buch unter zahlreichen Biogrammen, unter anderem auf S. 69, 73, 81, 103, 145, 147, 152 und 161 angeführt. Ich schreibe dazu: "Die Auswahl der vorhandenen Literatur zu dem Thema 'Adel in Polen' ist riesengroß. Eine 'vollständige' Literaturliste vorzulegen, ist schlicht nicht möglich - jedenfalls nicht in einem kompakten Lexikon. Was ich an Literatur vorstelle, ist eine Auswahl und dient zur Einführung in das Thema. Weitere im Lexikon benutzte Arbeiten sind unter den einzelnen Biogrammen aufgelistet".
Trotzdem bedanke ich mich ganz herzlich bei Jacek Kordel für das aufmerksame Lesen und seine Bemerkungen!