KOMMENTAR ZU

Frank Göse: Rezension von: René Hanke: Brühl und das Renversement des alliances. Die antipreußische Außenpolitik des Dresdener Hofes 1744-1756, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 5 [15.05.2007], URL: http://www.sehepunkte.de/2007/05/11574.html

Von René Hanke

Frank Göses Rezension macht leider nicht deutlich, dass ich den Entwurf einer Versöhnung der Erzfeinde Frankreich und Österreich auf antipreußischer Basis sowie die ersten Bemühungen in dieser Richtung sehr klar von der Verwirklichung dieses Plans unterscheide. Das eine war Brühls, das andere Kaunitz' Werk.

Stattdessen entsteht der Eindruck, ich hätte Brühl die tatsächliche Verwirklichung des Renversement des alliances zugeschrieben und mir selbst widersprochen, indem ich an anderer Stelle feststelle, dass dies nicht der Fall war.

Das Renversement des alliances war ein epochaler Einschnitt in den mächtepolitischen Beziehungen. Vor diesem Hintergrund erscheint mir - anders als Frank Göse - die Frage, wer zuerst die Idee dazu hatte, keineswegs unbedeutender als die Frage, wer sie verwirklichte.

Für die Bedeutung von Brühls Anteil an der "Diplomatischen Revolution" spricht nicht zuletzt, dass Kaunitz, der 1748 die bislang über Sachsen geführten Verhandlungen mit Frankreich übernahm, sich offensichtlich Brühls Gedankengänge aneignete, als er selbst im März 1749 erstmals ein antipreußisches Arrangement zwischen Österreich und Frankreich vorschlug.

Kaunitz' Entwurf ist also, anders als die bisherige Forschung glaubte, keine eigenständige Leistung des österreichischen Staatskanzlers und auch kein paralleler Entwurf zum Konzept Brühls, sondern bloß Kaunitz' Version von Brühls Plan. Dieses wesentliche Ergebnis meiner Arbeit wird in Frank Göses Besprechung nicht erwähnt.

Die ununterbrochene Verkettung von Ursache und Wirkung, die zu der österreichisch-französischen Verständigung von 1756 führte, begann also in Dresden, und nicht etwa bei den von Frank Göse erwähnten Projekten einer französisch-österreichischen Versöhnung nach dem Spanischen Erbfolgekrieg, die spätestens 1740 zu Grabe getragen wurden, und die sich darin wesentlich von Brühls Konzeption unterschieden, dass sie noch keine antipreußische Spitze aufwiesen. Letzteres war aber der Grundstein, auf dem die österreichisch-französische Verbindung von 1756 beruhte.

REPLIK

Von Frank Göse

Den unbestreitbaren Wert der Arbeit René Hankes für die Geschichte der kursächsischen Außenpolitik hatte ich in meiner Rezension herausgestellt. Lediglich in der Bewertung des Anteils, den die kursächsische Seite an den Veränderungen des europäischen Mächtesystems hatte, gehen unsere Ansichten auseinander.

Ich gebe allerdings zu, dass einige Passagen meiner Rezension den Eindruck erweckt haben könnten, der Autor hätte zunächst Brühl die tatsächliche Verwirklichung des Renversement des alliances zugeschrieben und sich dann selbst widersprochen. Dieser Vorwurf ist René Hanke nicht zu machen.

Ich bestreite durchaus nicht die von René Hanke eingehend vorgeführte Umtriebigkeit und Raffinesse, mit der der sächsische Premierminister sein politisches Hauptziel verfolgt hatte. Ob nun aber Brühl oder Kaunitz als erste die Idee für die gravierende Veränderung des europäischen Mächtetheaters entwickelt hatten, erscheint in meinen Augen zweitrangig vor der Frage, wer nun tatsächlich das "Renversement" praktisch umsetzen konnte. Dies vor allem auch deshalb, da es sich bei Brühls Denkschrift vom Februar 1748 um ein gedankliches Szenario, um ein Planspiel handelte, dass auch nach Aussage R. Hankes "nicht aktiv auf einen Umsturz der traditionellen Allianzen hin[arbeitete]." (163) Es ist bekannt, dass es gerade im Umfeld von Friedensverhandlungen - so auch im Vorfeld des Aachener Friedenskongresses - zu Annäherungen bisheriger Gegner kommen konnte. Es wäre des weiteren durchaus denkbar, dass angesichts der unliebsamen Erfahrungen, die die Hofburg im Österreichischen Erbfolgekrieg mit den verbündeten Seemächten gemacht hatte, unabhängig von Brühls Überlegungen, auch ähnliche Planspiele am Wiener Hof entwickelt worden waren Die Wiener Archivbestände sind daraufhin aber nicht konsultiert worden.

Ferner bin ich der Auffassung, dass man die vor 1740 erkennbaren Bemühungen einer französisch-österreichischen Annäherung nicht so einfach abtun sollte, denn gerade das Wiederaufgreifen zeitweilig "verschütteter" diplomatischer Alternativen zeigt doch, dass das dem Renversement von 1756 zugrunde liegende Denken nicht so voraussetzungslos erfolgte wie häufig angenommen wird. Dass diesen Aktivitäten vor 1740 die antipreußische Spitze fehlte, wie René Hanke in seinem Kommentar hervorhebt, erscheint indes plausibel, weil die Hohenzollernmonarchie natürlich zu diesem Zeitpunkt - trotz ihres schon beeindruckenden militärischen Potentials - noch nicht als ernsthafte Bedrohung des europäischen Mächtesystems wahrgenommen wurde.