David Tresilian: A Brief Introduction to Modern Arabic Literature, London / Berkeley / Beirut: Saqi 2008, 184 S., ISBN 978-0863564055, USD 11,95
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Dieser Arbeit gelingt es recht gut, eine große Menge an Informationen in einem relativ schmalen Buch unterzubringen. Es ist keine triviale Aufgabe, eine kurze Übersicht der arabischen Literatur mit Inhaltsangaben von poetischen Werken und Novellen zu geben, diese mit kritischen Kommentaren und Hintergrundinformationen zu versehen und alles in einer einfachen Sprache auf knapp 160 Seiten in einem handlichen Format zu präsentieren. Natürlich musste an vielen Stellen auf Details verzichtet werden, um eine überschaubare Länge zu gewährleisten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Kürze zur Verzerrung oder Ungenauigkeit im Umgang mit dem vorgestellten Material führt. David Tresilian zeigt in dem Werk seine Kompetenz und seine enge Bindung zur arabischen Literatur. Er lehrte an der Columbia University, der American University of Cairo, der Cairo University und an der Universität Paris XIII. Darüber hinaus war er als Berater für die UNESCO tätig und redaktioneller Berater für die Kairo-Review of Books.
A Brief Introduction to Modern Arabic Literature verfügt über hilfreiche Fußnoten, gibt in einem extra Abschnitt Anregungen zur weiteren Lektüre und ist mit einigen Fotos illustriert. Wie der Autor bekräftigt, ist es in erster Linie sein Ziel, zur Beschäftigung mit der arabischen Literatur anzuregen. Durch seine äußere Form und den einfachen Schreibstiel richtet sich Tresilians Arbeit daher auch an den interessierten Laien oder Studenten. Abgesehen von einigen Lücken in der Literaturgeschichte, ist dieses Buch auch für Arabisten und vergleichenden Literaturwissenschaftler wegen der zahlreichen Literaturhinweise als Ressource nicht zu unterschätzen.
Der Haupttext umfasst 162 Seiten. In den sechs kurzen Kapiteln behandelt der Autor hauptsächlich Werke, die ab 1945 erschienen sind. Eine Darstellung der historischen Hintergründe soll dem Leser das Verständnis erleichtern. Zunächst spricht der Autor über Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der Übersetzung arabischer Literatur ins Englische und erklärt die Probleme bei der Wiedergabe der in den Texten durchaus verbreiteten Diglossie. Zwei weitere Punkte hebt der Autor hervor, die mit den unterschiedlichen Erwartungen der Leserschaft zusammenhängen. "Two last points be borne in mind when reading modern Arabic literature from a position outside the Arab world. The first of these has to do with Arab publishing, readership and, broadly speaking, the role that literature plays in Arab Societies. The second concerns some contemporary western academic approaches to literature that may be relevant to reading modern Arabic literature."(37)
Gleich zu Beginn stellt er klar, dass nicht die gesamte arabische Literatur in dieser Arbeit behandelt werden kann. So bleibt etwa das Schrifttum des Maghrebs ausgeklammert. Tresilian erklärt dieses Auslassung mit der engen Beziehung der dort veröffentlichten Texte zu französisch-sprachigen Werken. Darüber hinaus widmet er sich bei der Prosa vor allem der Beschreibung von Romanen, wodurch wichtigen Genres wie der Kurzgeschichte und dem Drama leider nur marginale Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Tresilian konzentriert sich somit bei seiner Einführung in die moderne arabische Literatur hauptsächlich auf Romane und Dichtung, zwei Gattungen, die allerdings nachhaltig die moderne arabische Literatur geprägt haben. Was er leider nicht berücksichtigt ist der Beitrag der arabischen Tradition bei der Entwicklung neuer literarischer Formen. Er sieht das Aufkommen von neuen Schreibstielen und literarische Formen in erster Linie als das Ergebnis der Auseinandersetzung mit Europa. Demnach habe der kulturelle Einfluss des Westens, dem territorialen Imperialismus folgend, im Nahen und Mittleren Osten den entscheidenden Anstoß gegeben und damit das literarische Schaffen der letzten Jahrhunderte maßgeblich geprägt. Die Rückbesinnung auf klassisch arabische Werke in jener Zeit als Gegenbewegung zur westlichen Literatur lässt Tresilian leider außer Acht.
Der Verfasser bietet zunächst eine solide Einführung in die Werke einiger bedeutender Autoren der jungen arabischen Nationalstaaten, wobei jedoch die ägyptischen Schriftsteller überwiegen, denn für den Autor ist: "Egypt [is] the largest and oldest of the modern Arab states, and it possesses what has historically been the most influential literary and intellectual milieu" (12) Neben Ṭāhā Ḥusayn (1889-1973), Maḥmūd Taymūr (1894-1973), Tawfīk al-Ḥakīm (1898-1987), Yaḥya Ḥaqqī (1905-1992) geht Tresilian ausführlich auf Naǧīb Maḥfūẓ (1911-2006) ein, den er als "the giant of post war period and of modern arabic literature" (65) bezeichnet. Auch wenn die ägyptischen Autoren weiterhin bei der Schaffung arabischer Fiktion dominierten, kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem signifikanten Anstieg hochwertiger Romane aus anderen Teilen der arabischen Welt. Den aus Saudi Arabien stammenden Schriftsteller ʿAbd ar-Raḥmān Munīf (1933-2004) und den Sudanesen aṭ-Ṭāyyib Ṣāliḥ (1928-2009) hebt Tresilian als die wichtigsten Autoren der Nachkriegsperiode außerhalb Ägyptens hervor.
Nach einer kurzen Beschreibung und Charakterisierung der Dichtung nach dem Zweiten Weltkrieg befasst sich das Buch dann aber auch mit moderner arabischer Poesie, die im Westen generell weniger Beachtung findet als die Prosa. Dies mag vor allem an dem Umstand liegen, dass die Poesie Übersetzern viel abverlangt, um sie den nicht-arabischen Lesern leicht zugänglich zu machen. Auch der Dichtung, die bevorzugt in der Umgangssprache geschrieben wird, werden einige Seiten eingeräumt. Der Leser lernt Poeten wie Badr Šākir as-Sayāb (1926-1964), Aḥmad Fuʿād Naǧm (geboren 1929) oder ʿAbd ar-Raḥmān al-ʿAbn ūdī (geboren 1938) kennen. Des Weiteren stellt der Autor die "rebels" (127) der arabischen Dichtung vor, eine Generation von Dichtern der 1990er, deren Werke in Übersetzung leider nur bruchstückhaft oder gar nicht vorliegen.
Anschließend folgt ein kurzer Überblick über das moderne arabische Drama. Einige Drama-Autoren zählten zu den bekanntesten Schriftstellern ihrer Zeit, wie etwa Tawfīq al-Ḥakīm (1898-1987) oder der Dichter Ṣalāḥ ʿAbd aṣ-Ṣabūr (1931-1981). Dabei ist interessant festzustellen, dass diese modernen Autoren nicht allein auf das Drama spezialisiert waren, sondern sich in vielen literarischen Disziplinen betätigten, wie etwa dem Journalismus, der Dichtung oder der Belletristik. Generell scheint dieses Phänomen eine typische Erscheinung der gesamten modernen arabischen Literatur zu sein, kaum ein Autor hat sich nur einem Metier verschrieben.
Tresilian geht in dieser Einführung aber nicht nur auf die Autoren selbst ein, sondern skizziert auch das politische und kulturelle Umfeld in dem sie lebten. Man könnte dieses Buch daher mit einigem Recht als eine soziologische Betrachtung der modernen arabischen Literatur auffassen. Der Autor erklärt: "Another reason for reading modern Arabic literature is sociological, the literature serving as a source of information on the societies that produced it." (16). Unter den zahlreichen historischen Ereignissen, die in diesem Buch beschrieben werden, nimmt der Palästina-Konflikt einen zentralen Platz ein. Tresilian erachtet die palästinensische Literatur als "unique in the Arab world" (93) und widmet ihr daher auch ein ganzes Kapitel. Der Großteil dieser Literatur vertextet die Erlebnisse der Palästinenser unter israelischen Okkupation und lässt sich als eine besonders kritische Literatur charakterisieren. Bekannte Vertreter dieser Literatur sind Ġassān Kanafānī (1936-1972), Ǧabrā Ibrahīm Ǧabrā (1919-1994), Ḥalīm Barakāt (geboren 1936), Fadwa Ṭuqān (1917-2003), die Dichter Maḥmūd Darwīš (1941-2008) und Samīḥ al-Qāsim (geboren 1939).
Zum Schluss gibt der Autor noch eine interessante Beschreibung der zeitgenössischen Literaturszene, in der er drei verschiedene Trends zu erkennen glaubt. Zunächst ist da die Auseinandersetzung mit politischen Themen. Dabei wird insbesondere die Distanz der Politiker zum Volk thematisiert, die eine allgemeine Politikverdrossenheit und weit verbreitete Enttäuschung über das Ausbleiben politischer und sozialer Reformen hervorgerufen hat. Neben anderen Werken bespricht Tresilian in diesem Zusammenhang den Roman Die blaue Aubergine von Mīrāl al-Ṭaḥāwī (geboren 1968) und Abbas el Abd von Aḥmad ʿAlaīdy (geboren 1974). Als zweiter Trend wird die steigende Produktivität weiblicher Autoren ausgemacht. Eine Reihe von Schriftstellerinnen und deren Engagement für die Probleme von Frauen in der arabischen Welt werden beschrieben. Zu nennen sind hier neben der derzeit prominentesten Autorin feministischer Literatur Nawāl as-Saʿdāwī (geboren 1931) etwa Ḥanān aš-Šaiḫ (geboren 1945), Alīfa Rifʿat (1930-1996) und Salwā Bakr (geboren 1949). In der Verarbeitung eigener Erfahrungen in der zeitgenössischen Literatur, um gesellschaftlich tabuisierte Themen anzusprechen, wie etwa Sexualität oder ethnische Spannungen, sieht Tresilian den dritten Trend. Die Auseinandersetzung mit dem Reizthema Homosexualität zeigt er am Beispiel des Bestseller-Romans The Yacoubian Building von ʿAlāʾal-Aswānī (geboren 1957).
Tresilian macht im Laufe seiner Studie deutlich, dass die moderne arabische Literatur originelle Themen mit innovativen Techniken behandelt und vor allem einen ganz eigenen literarischen Diskurs entwickelt hat. Die Schriften der jüngsten Generation geben Entrechteten eine Stimme, artikulieren Tabus der früheren Literatur und äußern die Meinung von Minderheiten und Subkulturen der arabischen Welt in einer Form, in der sich die reiche Vielfalt der arabischen Gesellschaft widerspiegelt. Insgesamt hat David Tresilian mit seiner A Brief Introduction to Modern Arabic Literature eine gelungene Einführung in dieses Thema geschrieben. Trotz ihrer Kürze und den teilweise ein wenig oberflächlichen Textanalysen, gibt diese Arbeit in einem überschaubaren Umfang und in einer leicht zugänglichen Sprache einen nützlichen Gesamtüberblick.
Maria Antonietta Goddi